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Der Segel-Doc: Francisco Javier Balmis’ Maria Pita

© IMAGO/UIG

Tagesrückspiegel – Heute vor 219 Jahren: Der Besuch des Leibarztes – in Übersee

Sie gilt als erste internationale Gesundheitsinitiative: die Reise des königlich-spanischen Medicus Balmis und seines – im Wortsinne – Lebendimpfstoffes.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Wenn es ums Impfen geht, war schon immer Überzeugungsarbeit nötig. Und das Phänomen, dass diejenigen, die diese Art Schutz vor Infektionskrankheiten propagieren, verteufelt werden, ist auch so alt wie das Impfen selbst. Zu erkennen ist das etwa an Karikaturen vom Ende des 18. Jahrhunderts. Auf denen werden Edward Jenner, Entwickler der Pockenimpfung, und andere Impfärzte sehr unvorteilhaft dargestellt.

Am überzeugendsten war es damals – und ist es noch heute leider –, wenn ein Familienmitglied Opfer der Krankheit wird. So ging es dem spanischen König Karl IV. Dessen Tochter, Infantin Maria Teresa, war an Pocken gestorben. In den Kolonien raffte das Virus derweil Einheimische und Spanier dahin. So bekam Philips Leibarzt Francisco de Balmis den Auftrag, in den überseeischen Besitzungen in ganz großem Stil zu impfen.

Am 30. November 1803 stach er mit der Maria Pita von La Coruña aus zur „Königlich-Philanthropischen Impfexpedition“ in See. Statt Ampullen mit haltbarem Impfstoff oder Kühlschränken, in denen Einzeldosen lagerten, kamen 22 Waisenjungen mit auf das Schiff.

Pockenviren.

© Mauritius

Die ersten wurden – nach jener Methode, die Jenner erst sechs Jahre zuvor vorgestellt hatte – mit Kuhpocken infiziert. Dieses Virus – wobei man damals freilich noch längst nicht wusste, was ein Virus überhaupt ist – löst bei Menschen deutlich mildere Symptome aus als die echten Pocken. Die durchgemachte Infektion schützt dann aber vor letzteren.

22 Impfstoff-Kinder, 1,5 Millionen Geimpfte

Aus den Pusteln, die die Waisenkinder auf ihrer Haut bekamen, wurde dann Lebendimpfstoff gewonnen, den weitere Jungen in die Haut geritzt bekamen. Und so weiter. Nach demselben Prinzip wurden letztendlich über drei Jahre geschätzte 1,5 Millionen Menschen geimpft, von der Karibik über Mexiko bis auf die Philippinen.

Francisco Javier Balmis (1753-1819).

© Alamy Stock Photo

Auf dem Heimweg bot Doktor Balmis auch den Bewohnern der britischen Besitzung St. Helena im Südatlantik die Impfung an. Es war ein frühes Zeichen dafür, wie aufgeklärte Wissenschaft auch tiefste politische Gräben überwinden kann. Denn zu jenem Zeitpunkt befanden sich Spanien und England im Krieg.

Auch mit den Waisenjungen, die als Impfstoff-Vektoren heute vor 219 Jahren mit auf die Maria Pita gekommen waren, ging man – das sagen zumindest die historischen Quellen – im Sinne des Expeditionsnamens philanthropisch um. Sie wurden demnach adoptiert – die meisten in Mexiko. Gut möglich, dass entfernte Nachkommen dieser Impfpioniere heute Abend mit um den Einzug in das Achtelfinale der Fußball-WM spielen.

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