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Nie fertiggestellt: Der 1832 erbaute Demonstrator der Differenzmaschine.

© Science Museum London

Heute vor 201 Jahren: Wie das britische Empire fast den ersten Computer der Welt entwarf

Im Jahr 1822 entwirft der britische Mathematiker Charles Babbage den Plan für eine dampfbetriebene Rechenmaschine. Die „Difference Engine“ ist ihrer Zeit weit voraus – und wäre der erste Computer der Welt gewesen.

Eine Kolumne von David Will

Was wäre, wenn es im 19. Jahrhundert Computer gegeben hätte? Wie hätte eine Epoche ausgesehen, in der Dampfmaschinen, Flugschiffe und Roboter zur gleichen Zeit entstehen? Wie wäre die Geschichte seither verlaufen?

In dem Science-Fiction-Klassiker „The Difference Engine“ gaben die Autoren William Gibson und Bruce Sterling Anfang der 90er Jahre eine mögliche Antwort auf diese Fragen. Ihr Roman beschreibt eine Welt, in der das britische Empire einen dampfbetriebenen Computer entwickelt und fortan die Weltpolitik dominiert. Die Geschichte ist reine Spekulation – die titelgebende Maschine gab es allerdings wirklich. Zumindest fast.

Denn im Jahr 1822, heute vor 201 Jahren, schlägt der englische Mathematiker Charles Babbage in einem Paper tatsächlich vor, einen solchen Apparat zu bauen. Die Idee ist ihm gekommen, nachdem er, wie er später sagen sollte, auf „das gewaltigste Stück Rechenarbeit, das die Welt bisher hervorgebracht hat“ gestoßen ist: Ein 17-bändiges Nachschlagewerk mit Millionen logarithmischer Tafeln, das eine Gruppe französischer Gelehrter in mühseliger Handarbeit erstellt hatte.

Ein gescheitertes Projekt

Um schneller voranzukommen, hatten die Autoren dutzende Helfer angeworben, die einfache Rechenaufgaben im Akkord erledigten. Babbages Idee: Könnte man so etwas nicht einer Maschine überlassen?

Der exzentrische und charismatische Babbage überzeugt seine Kollegen und sichert sich eine großzügige Förderung durch die britische Krone. Doch trotz jahrzehntelanger Arbeit scheitert das Projekt. Denn die zigtausenden präzise und einheitlich produzierten Einzelteile, die seine Differenzmaschine bräuchte, kann die Industrie damals nicht liefern.

Babbage hat immer neue Ideen für immer komplexere Maschinen, ohne einen dieser Apparate jemals fertigzustellen. Und dann stirbt auch noch seine Freundin und fähigste Mitarbeiterin, die brillante Mathematikerin Ada Lovelace, plötzlich an Krebs.

Der viktorianische Computer blieb damit ein Traum. Erst in den 1980er Jahren holte ein Museum in London Babbages Pläne wieder aus der Schublade und machte sich an die Arbeit. Wenige Jahre später, kurz vor Charles Babbages zweihundertstem Geburtstag, stand das Team vor einer funktionierenden Rechenmaschine – dem Beweis für eine Idee, die ihrer Zeit weit voraus war.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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