zum Hauptinhalt
Ein riesiger Riss zieht sich durch das Brunt-Schelfeis.

© Andy Van Kints/British Antarctic Survey/dpa

Spektakuläres Ereignis: Gigantischer Eisberg in der Antarktis abgebrochen

Ein mehr als 1200 Quadratkilometer großer Eisberg hat sich in der Antarktis vom Schelfeis gelöst. Ganz in der Nähe: Das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“.

Ein Eisberg von der Größe des Großraums London ist in der Antarktis vom Schelfeis abgebrochen. Bereits am 26. Februar hatte sich der Koloss von 1270 Quadratkilometern gelöst. Er war Teil des rund 150 Meter dicken Brunt-Schelfeises. 

Der Abbruch des von der Forschung unter dem Kürzel A74 katalogisierten Eisriesen war erwartet worden. Wissenschaftler:innen des Polarforschungsprogramms British Antarctic Survey (BAS) hatten in den vergangenen Jahren auf Erkundungsflügen immer weiter wachsende Risse beobachtet. 

Der Abbruch des Eisberges A74 am 27. Februar aus Sicht eines DLR-Satelliten.

© DLR

Zuletzt verlängerte  sich der Hauptriss um bis zu einem Kilometer pro Tag. Bereits vor rund zehn Jahren waren erste Risse in dem Schelfeis entdeckt worden.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Eisberg löste sich unweit der britischen Forschungsstation Halley VI. Wegen das auf der Südhalbkugel beginnenden Winters hatte das zwölfköpfige Forschungsteam die Station bereits Anfang Februar verlassen.

Kalben von Eisbergen durch Klimawandel beschleunigt

Die auf Untersuchungen der Atmosphäre spezialisierte Station war wegen der Risse im Eisschelf bereits vor Jahren landeinwärts verlegt worden, damit sie nicht von einer abbrechenden Eisfläche weggetragen wird.  Die britische Station auf dem Brunt Eisschelf hat eine lange Tradition, bereits seit 1956 wird hier geforscht. 1985 wurde dort erstmals das Antarktische Ozonloch messtechnisch belegt.

Das Kalben von Eisbergen, wie der Vorgang genannt wird, ist in der Antarktis ein natürlicher Vorgang, allerdings wird dieser Prozess durch den Klimawandel beschleunigt. Der aktuelle Abbruch stellt eines der wenigen – wenn nicht sogar das erste bekannte – größere Abbruchereignis am Brunt Eisschelf in den vergangenen Dekaden dar.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Abbruch des Eisriesen ereignete sich gerade mal 100 Seemeilen vom aktuellen Einsatzgebiet des deutschen Forschungsschiffs „Polarstern“ entfernt. Seit Januar ist der Forschungseisbrecher, der im vergangenen Jahr Teil der spektakuläre Nordpolar-Drift war, mit rund 50 Fachleuten für das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung AWI im antarktischen Weddellmeer unterwegs.

[Eine Zeitraffer-Animation des Abbruchs-Prozesses in der Antarktis auf Grundlage von Satellitenbildern der DLR steht gegenwärtig hier zum Download zur Verfügung.]

Ziel der Forschenden ist es zu untersuchen, wie das System aus Ozean, Eis und Lebewesen der Region auf den Klimawandel reagiert – auch um Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können.

Die AWI-Forscher sollen auf dem Schiff zwei Monate lang Langzeitdaten für Klimavorhersagen ermitteln. Am Kontinentalhang nördlich des Filchner-Ronne-Schelfeises, dem Ziel der Expedition, steigt die Wassertiefe von wenigen hundert Metern rasch auf über 3000 Meter an. Hier treffen große Mengen kalten Eisschelfwassers und salzhaltiges Schelfwasser auf relativ warmes Tiefenwasser aus dem Norden und vermischen sich.

Tiefenwasserbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der globalen Ozeanzirkulation – sie kann nach Erkenntnissen der AWI-Forschenden aber auch von unten das Schelfeis – also die Ausläufer der Gletscher, die auf dem Meer schwimmen – schmelzen

Schelfeis könnte schon bald stärker abschmelzen

Aktuelle Daten würden zeigen, dass sich warmes Tiefenwasser immer intensiver und weiter Richtung Schelfeis ausbreitet. „Eine dauerhafte Erwärmung würde die Ozeanzirkulation unter dem gesamten Filchner-Ronne Schelfeis beeinflussen“, warnt AWI-Ozeanograph Hartmut Hellmer. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass das Schelfeis etwa in der Mitte unseres Jahrhunderts von unten stärker abschmelzen und sich damit der Eintrag von Inlandeis beschleunigen könnte“, so der Polarforscher.  

Der zusätzliche Süßwassereintrag hätte einen Anstieg des Meeresspiegels und eine Veränderung der Ozeanzirkulation und der Meereisbildung zur Folge: „Mit Konsequenzen für die gesamte Biologie der oberen Wassersäule“.

Der Forschungseisbrecher Polarstern ist aktuell unweit der Abbruchkante des Eisbergs in der Antarktis unterwegs.

© IPF/Promo

An der Antarktis-Expedition des AWI werden als Helfer auch bis zu zwölf Weddellrobben eingesetzt. Sie erhalten Sensoren, die Salzgehalt, Temperatur und Tiefe messen. Die Sender übermitteln die unter Wasser gesammelten Daten per Satellit an die Heimatinstitute immer dann, wenn die Tiere auftauchen. 

Auch die Tauchmuster der Robben unter dem Eis sind für die Forschenden von Interesse. Denn sie würden zeigen, wo sich vermutlich größere Mengen an Nahrungsorganismen aufhalten.

Ungewöhnlich war bereits die Anreise der AWI-Expert:innen mit einem Airbus A350-900 im Januar. Mit einer Flugzeit von 15 Stunden und 26 Minuten über eine Distanz von 13.700 Kilometern zwischen München und den Falklandinseln handelte es sich um den längsten Nonstop-Passagierflug der Unternehmensgeschichte der Lufthansa. 

Hintergrund für den Rekordflug war die Corona-Pandemie. Normalerweise reisten die Forscher auf dem Luftweg über Südafrika oder Chile in die Antarktis. Linienflüge kommen wegen der Pandemie zurzeit allerdings nicht infrage. 

Passage zwischen Eisberg und Eisschelf denkbar

Polarstern-Kapitän Stefan Schwarze vom AWI will in den kommenden Tagen entscheiden, ob er sich der Region von A74 weiter nähern will. Aktuell stehe der Eisberg allerdings erst einmal nicht auf dem Plan der Expedition. Ob es möglich sein wird, zwischen dem Eisberg und dem Eisschelf hindurch zu navigieren, müssten Satellitenaufnahmen erst noch zeigen. 

Aus ozeanographischer Sicht wäre ein Besuch der Spalte eher uninteressant, da schon an der Schelfeiskante kein warmes Tiefenwasser gesichtet wurde, so der wissenschaftliche Expeditionsleiter Hellmer. „Aber unsere Tiefseebiologie wäre sicherlich an dem ,jungfräulichen' Meeresboden interessiert.“

Wie lange die Polarstern überhaupt im südlichen Weddellmeer bleiben kann, hänge von den Meereisbedingungen vor Ort ab. Wenn zum Ende des dortigen Sommers im März die Tage kürzer werden und die Temperaturen fallen, führt der Kurs nach Norden. 

„Wir sind guter Dinge, im südlichen Weddellmeer alle Vorhaben abarbeiten zu können“, hatte Kapitän Schwarze Ende Januar gesagt.  Aber natürlich habe man auch einen Alternativplan für eine Region weiter nördlich, sollten die Eisbedingungen die Arbeiten unmöglich machen. 

In der zweiten Märzhälfte dann wird Polarstern die Atka-Bucht anlaufen, um Personal zu wechseln. Danach beginnt mit einem kleinen Rest-Team die Rückreise nach Bremerhaven, wo das Schiff Ende April zurückerwartet wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false