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Massenhaftes Wachstum von Cyanobakterien, eine Blaualgenblüte, verfärbte 2014 das Wasser des Eriesees. Produzierte Toxine belasteten das Trinkwasser.

© Aerial Associates Photography, Inc. (Zachary Haslick) via NOAA cc 2.0

Giftige Algenblüten: Gewässerschutz kann giftige Blaualgen begünstigen

Eine neue Studie zeigt: Weniger Phosphor kann Seen noch giftiger hinterlassen als vorher. Ihr Autor sieht einen Wendepunkt im Gewässerschutz.

Sommerliche Temperaturen locken nach draußen, die Badesaison ist in Berlin und vielen anderen Städten bereits angebrochen. Doch ein Problem kann den Spaß an Badeseen verderben: Cyanobakterien, auch bekannt als Blaualgen. Bestimmte Arten können mit ihren Toxinen Gewässer stark toxisch belasten – und Behörden müssen bisweilen Badestellen sperren.

Bislang werden die lästigen Blaualgen damit bekämpft, den Phosphateintrag aus Abwasser und Landwirtschaft zu begrenzen. Eine neue Studie im Fachmagazin „Science“ zeigt nun: Phosphor zu reduzieren, kann Seen sogar giftiger machen und das Wachstum gefährlicher Blaualgen-Arten anregen.

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Behörden müssten deshalb auch immer den Stickstoffeintrag reduzieren, haben der Wissenschaftler Ferdi Hellweger und sein Forschungsteam von der Technischen Universität Berlin in einer Analyse von 103 Untersuchungen mit mehr als 700 Experimenten gezeigt.

Ihr daraus entwickeltes Modell wandten die Forschenden auf den Eriesee an der Grenze zwischen den USA und Kanada an. Die Wissenschaftler:innen simulierten das Wachstum von Cyanobakterien der Gattung Microcystis, und zwar in Szenarien mit weniger Stickstoff, weniger Phosphor oder weniger von beidem. Bestimmte Arten der Gattung produzieren das Gift Microcystin.

Das Ergebnis: Am wirksamsten ließ sich der See in den untersuchten Szenarien entgiften, wenn sowohl Stickstoff als auch Phosphor um 40 Prozent abnahmen. Ging nur der Stickstoffeintrag zurück, war auch der See etwas weniger mit Microcystin vergiftet und beherbergte weniger Blaualgen.

„Wichtiger Wendepunkt für Management von Gewässern“

Drittes Szenario: Zwar bildeten sich bei ausschließlich weniger Phosphor auch weniger Cyanobakterien im See. Aber es blieben besonders giftige Blaualgen-Stämme zurück, denen dann verhältnismäßig mehr Stickstoff und Sonnenlicht zum Wachstum zur Verfügung stand. Sie vergifteten den See noch stärker als die Algen in den anderen Szenarien.

„Wenn weniger Blaualgen vorhanden sind, müssen sie auch weniger um die anderen Nährstoffe konkurrieren, wovon der wichtigste der ebenfalls nur begrenzt vorhandene Stickstoff ist“, wird Hellweger in einer Mitteilung der TU Berlin zitiert. Dieser sei ein wichtiger Baustein für das Gift Microcystin. Im Ergebnis führe eine Phosporreduktion deshalb zu mehr Giftstoff im See.

„Diese Erkenntnis bedeutet einen wichtigen Wendepunkt für das Management von Gewässern“, folgert Hellweger. Wolle die Politik die Giftstoffe von Blaualgen in Seen reduzieren, müsse sie nicht nur den Phosphor reduzieren, sondern auch den Stickstoffeintrag aus Abwasser und Dünger aus der Landwirtschaft.

Damit stünden dem Forscher zufolge praktisch alle Programme zur Sanierung und Gesunderhaltung von Seen auf dem Prüfstand – denn Stickstoffeintrag in Seen zu reduzieren, bedeutet einen deutlichen Mehraufwand.

Zu viel Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft belastet seit Jahrzehnten Grundwasser sowie Flüsse und Seen in Deutschland. Die Einträge durch Abwasser sind dank besserer Kläranlagen seit etwa 1990 stark rückläufig, aber immer noch hoch, wie das Umweltbundesamt schreibt.

Nur jeder vierte See in gutem Zustand

Das ließe sich ändern, wenn die Landwirt:innen in Deutschland weniger und gezielter düngen würden. Die Bauernlobby lehnt strenge Düngeregeln ab und warnt vor schlechteren und schrumpfenden Ernteerträgen.

Die neuen Studienergebnisse fallen in eine Zeit, in der auch deutsche Gewässer noch in oft schlechtem Zustand sind. Gerade einmal jeder vierte von 732 erfassten deutschen Seen ist in einem guten oder sehr guten ökologischen Zustand, wie Daten des Umweltbundesamts zeigen.

Den überwiegenden Teil der erfassten Seen bewertete die Behörde im Jahr 2015 noch als mäßig (34 Prozent), unbefriedigend (26,2 Prozent) oder schlecht (10,5 Prozent). Hauptursache für schlechte Bewertungen von Zuständen sind hohe Stickstoff- und Phosphorkonzentrationen in den Seen und die daraus folgenden Algenblüten. Die Standards richten sich nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie.

Nach dieser Richtlinie müssen die Behörden bis 2027 für einen guten oder sehr guten Zustand aller deutschen Seen sorgen. Dann dürften giftige Blaualgen den Badespaß kaum noch trüben.

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