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AIDS: Gewebeprobe lässt vermuten, dass HIV Menschen bereits seit einhundert Jahren infiziert

48 Jahre alte Lymphknotenbiopsie deckt die Geschichte des tödlichen Virus auf.

Eine Biopsie, die vor 50 Jahren von einer Afrikanerin genommen wurde, weist Spuren des HIV-Genoms auf, haben Wissenschaftler herausgefunden. Analysen dieser wiederentdeckten Probe lassen vermuten, dass das Virus Menschen bereits seit fast einem Jahrhundert plagt.

Obwohl AIDS erst in den 1980er Jahren aufkam, wurden Menschen lange vorher durch das Virus infiziert. Wissenschaftler hoffen, dass sie durch das Studium der Herkunft und Evolution von HIV mehr darüber erfahren, wie das Virus vom Schimpansen auf den Menschen übergehen konnte, und in der Lage sein werden, einen geeigneten Impfstoff zu entwickeln.

1998 berichteten Wissenschaftler die Isolierung einer HIV-1-Sequenz aus einer Blutprobe, die 1959 von einem männlichen Bantu in Léopoldville - heute Kinshasa, Hauptstadt der demokratischen Republik Kongo - genommen wurde (1). Analysen dieser und anderer Proben legen nahe, dass HIV-1 irgendwann zwischen 1915 und 1941 entstand (2).

Nun berichten Forscher in Nature über die Entdeckung einer weiteren historischen Probe, die 1960 ebenfalls in Léopoldville von einer Frau genommen wurde (3).

Michael Worobey, Evolutionsbiologe an der University of Arizona in Tucson, und seine Kollegen benötigten acht Jahre, um eine geeignete Gewebeprobe, die aus Afrika stammt, zu finden, bevor sie die Lymphknotenbiopsie von 1960 an der University of Kinshasa entdeckten.

Eingeweicht in Klebstoff

Die Proben wurden alle mit aggressiven Chemikalien behandelt, in Paraffin eingelegt und für Jahrzehnte bei Raumtemperatur gelagert. Die Chemikalien hatten das Genom in kleine Fragmente aufgebrochen. Formalin, das für die Präparation benutzt wird, verband Nukleinsäuren mit Proteinen. "Es war als hätte man eine hübsche Halskette aus DNA und RNA und Protein, machte einen Klumpen daraus, tränkte sie in Klebstoff und ließe sie trocknen", erklärt Worobey.

Das Team erarbeitete eine Methodenkombination, die es ermöglichte DNA und RNA aus den Proben zu sequenzieren; ein weiteres Labor an der Northwestern University in Chicago bestätigte die Ergebnisse, indem es ebenfalls Spuren des HIV-1-Genoms in der Lymphknotenbiopsie nachwies.

Anhand einer Datenbank mit HIV-1-Sequenzen und einer Schätzung des Grades der Veränderungen dieser Sequenzen über die Zeit erstellten die Wissenschaftler ein Modell, wann HIV-1 zum ersten Mal auftauchte. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der wahrscheinlichste Zeitpunkt für das Aufkommen von HIV um 1908 liegt, als Léopoldville sich zu einem Handelszentrum entwickelte.

Obwohl dieses Datum die meisten HIV-Forscher nicht überraschen wird, sollten die neuen Daten dazu beitragen diejenigen zu überzeugen, die von der 1959er Probe nicht überzeugt waren, sagt Beatrice Hahn, HIV-Forscherin an der University of Alabama in Birmingham.

Die Sequenzen der Proben von 1959 und 1960 - den frühesten, die je gefunden wurden - weisen eine Differenz von etwa 12 Prozent auf. "Das zeigt, dass es selbst damals enorme Variationen gab", sagt Simon Wain-Hobson, Virologe am Pasteur-Institut in Paris.

Ein Virus in der Großaufnahme

Möglicherweise wird es jedoch nie möglich sein festzustellen, wie das Virus von Schimpansen auf den Menschen übertragen wurde, warnt Hahn. Sie und ihre Kollegen verfolgten HIV-1 bereits zuvor zu Schimpansen im Südosten Kameruns zurück (4), hunderte Kilometer von Kinshasa entfernt und es ist verlockend anzunehmen, dass Handelsrouten zur Ausbreitung des Virus in die Stadt beitrugen. Doch selbst 1960 waren nur ein paar tausend Afrikaner mit HIV-1 infiziert. Es ist unwahrscheinlich, dass es möglich sein wird Proben von den frühesten Opfern zu finden, merkt Hahn an.

Währenddessen plant Worobey, seine Suche nach alten proben fortzusetzen, in der Hoffnung weitere zu finden. Mit der Zeit, sagt er, könnte es sogar möglich sein, alte HI-Viren zu Studienzwecken zu rekonstruieren.

Das Sammeln von Informationen über alte HIV-Stämme - auch wenn sie im Laufe der Zeit verschwanden - könnte Forschern helfen zu verstehen, wie sich erfolgreiche Stämme durchgesetzt haben, meint Wain-Hobson. "Auf jeden Star in Hollywood kommen fünfzig Starletts", sagt er. "Wir wüssten zu gern, was dazu geführt hat, dass dieser Stamm sich vom Starlett zu einer großen Nummer entwickeln konnte."

(1) Zhu, T. et al. Nature 391, 594-597 (1998) (2) Korber, B. et al. Science 288, 1789-1796 (2000) (3) Worobey, M. et al. Nature 455, 661-664 (2008)

Dieser Artikel wurde erstmals am 1.10.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.1143. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Heidi Ledford

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