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Hausen

© Uwe Steinert

Geschichte: Was Zigarette und Nähmaschine erzählen

Sie ist eine Pionierin der historischen Frauenforschung und dazu noch mit einer großen Portion Scharfsinn und einer spitzen Zunge ausgestattet: Zum 70. Geburtstag von Karin Hausen.

Zum Beispiel die Nähmaschine. Was hat die mit dem Lauf der Historie zu tun? Oder die große Wäsche: Lohnt es, dass sich die Geschichtswissenschaft damit befasst? Auf den ersten Blick erscheinen Themen wie diese abseitig. Auf den zweiten Blick dagegen entfalten sie ihr Potenzial: Nähmaschine wie große Wäsche erzählen sehr viel über die sich wandelnde Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern, über Heimarbeit versus auswärtige Erwerbsarbeit, über die Bewertung von Arbeit schlechthin.

Karin Hausen hat solche „unordentlichen“ Themen immer geliebt. Mit großer Beharrlichkeit hat sie Themen verfolgt, die vom konservativen Mainstream der Zunft als überflüssig oder uninteressant abgetan wurden. Äußerlich klein und unauffällig, beinahe sanft wirkend, doch mit einer großen Portion Scharfsinn und einer spitzen Zunge ausgestattet, gilt sie heute als eine der Pionierinnen der historischen Frauen- und Geschlechterforschung: ein Gebiet, das die Geschichtswissenschaft nicht nur um spannende Detailstudien bereichert, sondern auch grundsätzlich verändert hat.

Eigentlich wollte die gebürtige Hamburgerin Lehrerin werden und studierte Geschichte, Germanistik und Soziologie. Nach ihrer Promotion 1968 wurde sie jedoch gefragt, ob sie wissenschaftliche Assistentin an der Freien Universität werden wollte, und schlug ein. Damals, so erinnerte sie sich später, hätten Frauen in den männlichen Wissenschaftlerrunden noch eine „Schockwirkung“ ausgeübt: „Da stimmten auf einmal die Witze, die Regeln der akademischen Kommunikation nicht mehr.“ Frauen mussten sich noch Witze anhören, ob sie ihren Doktor machen oder heiraten wollten.

Davon ließ sich Karin Hausen nicht beirren. Ohne in der Frauenbewegung aktiv engagiert zu sein, fand sie immer mehr zu ihren Themen, der Wirtschafts-, Alltags- und Familiengeschichte. 1973 kam ihre Tochter zur Welt, 1976 erschien ihr international beachteter Aufsatz über die „Polarisierung der Geschlechtscharaktere“. Darin beschrieb sie, wie im Zuge der Trennung von Erwerbs- und Privatleben ab dem Ende des 18. Jahrhunderts Frauen und Männern unterschiedliche Charaktereigenschaften zugeschrieben wurden: Die Männer galten fortan als rational, aktiv und nach außen orientiert, die Frauen als emotional, passiv und aufs Innenleben beschränkt.

Zusammen mit Helga Nowotny gab sie den Sammelband „Wie männlich ist die Wissenschaft?“ heraus, in dem Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen darüber reflektierten, inwiefern die männliche Dominanz an den Universitäten auch die Methoden und die Fragestellungen der jeweiligen Wissenschaften geprägt hat. In den achtziger Jahren waren das bahnbrechende Überlegungen. Die Autorinnen mussten jedoch mit der Enttäuschung leben, dass nur wenige männliche Wissenschaftler diese Fragen mit intellektueller Neugier aufnahmen.

Karin Hausen, seit 1978 Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Technischen Universität Berlin, erhielt den Berliner Frauenpreis und das Verdienstkreuz am Bande. Und erlebte den späten Triumph, dass ihr einst als abseitig geltendes Forschungsgebiet einen eigenen Ort bekam: Hoch über den Dächern Berlins, im 20. Stock des Telefunkenhochhauses der TU, wurde 1995 das „Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ (ZiFG) eröffnet, mit Karin Hausen als Leiterin. Stolz führte sie damals durch die frisch gestrichenen Räume, die symbolisierten, dass die Frauen- und Geschlechterforschung angekommen war.

Nach Karin Hausens Pensionierung im Jahr 2003 geriet das ZiFG in schweres Fahrwasser: Die nunmehr vakante einzige Professur wurde nur mit wechselnden Gastwissenschaftlerinnen besetzt. Im Zuge des Abbaus der Geisteswissenschaften an der TU war unklar, ob das Zentrum überleben würde. 2004 bekannten sich die TU-Gremien dazu, allerdings unter der Maßgabe, dass das Zentrum sich konsequent auf naturwissenschaftlich-technische Fragestellungen ausrichtet. Im Moment läuft das Besetzungsverfahren, frühestens ab Herbst soll eine neue Professorin das Zentrum leiten.

Die Auseinandersetzungen um „ihr“ Zentrum und ihre Nachfolge dürften Karin Hausen mit Bitterkeit erfüllt haben. Mehr Anlass zur Befriedigung bietet die Tatsache, dass ihre Schülerinnen im Wissenschaftsbetrieb reüssiert haben: An vielen Universitäten lehren heute Historikerinnen, die durch die Fragestellungen Karin Hausens geprägt wurden.

Heute wird Karin Hausen 70 Jahre alt. Sie hat sich in den letzten Jahren zurückgezogen, um zu forschen. Ihr Thema, wie immer scheinbar randständig und doch erhellend für das große Ganze: die Geschlechtergeschichte des Rauchens.

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