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In fremden Händen. Ein Pflichtkurs in „Luftweg-Management“ soll die Zahl der Zwischenfälle künftig verringern.

© IMAGO

Wissen: Gefährliche Narkose

Auch bei weitgehend gesunden Patienten gibt es Komplikationen – bis hin zum Tod. Ärzte wollen nun die Ausbildung verbessern.

Vor jeder geplanten Operation wird auch über die Narkose gesprochen – ein Thema, das vielen Patienten ein mulmiges Gefühl macht. Werden sie wieder gesund aufwachen? Tatsächlich ist die Sicherheit der Narkosen hierzulande groß. Doch es bleiben Risiken, darunter auch solche, die durch besseres Fehlermanagement vermeidbar wären. Zu diesem Schluss kommen deutsche Fachärzte in einer großen Untersuchung, die jetzt im „British Medical Journal“ erschienen ist.

Für die Studie wurden Daten ausgewertet, die in den Jahren 1999 bis 2010 in 101 Anästhesie-Abteilungen, vor allem in Baden-Württemberg, erhoben worden waren. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) hatte 1993 beschlossen, ein Informationssystem über Komplikationen und Zwischenfälle aufzubauen, um zur Qualitätssicherung im eigenen Fach beizutragen. Das Ergebnis ist der „Kerndatensatz Anästhesie“, einer der größten Datenbestände zum Thema Narkose weltweit. Jan-Henrik Schiff vom Katharinenhospital in Stuttgart hat zusammen mit Kollegen die Daten von fast 1,37 Millionen Eingriffen aus dem freiwilligen und anonymisierten System ausgewertet. Alle Operationen waren geplant, alle Patienten waren – bis auf das Leiden, das den Eingriff erforderlich machte – weitgehend gesund. Insgesamt kam es in 36 Fällen zu schweren Dauerschäden oder sogar zum Tod des Operierten. Das sind umgerechnet 26,2 Fälle pro einer Million, von denen die Autoren nach Auswertung der Daten 7,3 pro eine Million als direkt mit der Narkose in Verbindung stehend betrachten. Die meisten entstanden durch Komplikationen beim Einführen des Schlauchs für die Beatmung in die Luftröhre, der Intubation.

In die Untersuchung wurden keine Daten von Notfalloperationen einbezogen. Sie lässt sich daher nicht mit einer großen Studie aus den Niederlanden vergleichen, in der mit 14 pro 100 000 Fällen im Jahr 2001 eine deutlich höhere Todesrate ermittelt worden war. Trotz der nicht ganz eindeutigen Datenlage haben die Anästhesisten Bedenken, Narkosen oder ausgedehntere Verfahren zur regionalen Betäubung künftig weiteren medizinischen Assistenzberufen zu ermöglichen. Das wurde auf dem Anästhesiekongress deutlich, der in der vergangenen Woche in Leipzig stattfand. Noch sind derartige Tätigkeiten hierzulande ausschließlich Ärzten vorbehalten, während diese beispielsweise in den Niederlanden teilweise auch medizinischen Fachkräften erlaubt sind. Doch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es: „Der Einsatz von qualifizierten nichtärztlichen Gesundheitsberufen, die delegierte ärztliche Leistungen erbringen, soll flächendeckend ermöglicht (…) werden.“

Beim Kongress in Leipzig wurde vor einer solchen Ausweitung im Bereich der Anästhesie gewarnt. „In jedem Falle stellt die demografische Entwicklung die Anästhesie in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen“, sagte Christian Werner, Präsident der DGAI dem Tagesspiegel. Die zu behandelnden Patienten würden immer älter und die vermehrten Eingriffe seien mit zunehmenden Risikofaktoren verbunden. „Gerade vor diesem Hintergrund lehnen wir alle Bestrebungen, ärztliche Leistungen in der Anästhesie an nicht ärztliches Personal zu übergeben, strikt ab.“

Werner will stattdessen die Arbeit seiner eigenen Berufsgruppe weiter verbessern, um die Zahl der Komplikationen zu senken. Neben dem internetbasierten Berichtssystem CIRS zur Meldung von Fehlern und Beinahe-Fehlern, aus denen Ärzte für die Zukunft lernen können, soll auch die Aus- und Weiterbildung verbessert werden. So soll ein spezieller Kurs im „Luftweg-Management“ während der Facharztausbildung verpflichtend werden.

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