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Ein Amerikanischer Nerz, aufgenommen im Cairngorms National Park in Großbritannien

© Tim Blackburn, UCL

Eingeschleppt, ausgebrochen, ausgesetzt: Gebietsfremd im Naturschutzgebiet

Invasive Arten bedrohen Naturschutzgebiete weltweit. Forscher zeichnen ihre Verbreitung nach.

Die Buchstaben-Schmuckschildkröte, der Amerikanische Nerz und der Waschbär sind Beispiele für ein globales Problem: Eingeschleppte, „invasive“ Arten bedrohen Naturschutzgebiete weltweit. Umgekehrt bremsen die Schutzgebiete bislang die Ausbreitung von Ökosystemneulingen, die eine Gefahr darstellen können, berichten Wissenschaftler in „Nature Communications“.

Das Team um Yiming Li von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat Daten zur Verbreitung von 894 Landtieren in fast 200 000 Schutzgebiete weltweit ausgewertet. Die untersuchten Tiere – Vögel, Säugetiere, Amphibien, Reptilien und Insekten – sind in der Forschung als Neozoen bekannt: Stabile Populationen wurden außerhalb ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete nachgewiesen.

Obwohl 95 Prozent der Naturschutzgebiete als neue Lebensräume für einige dieser Arten geeignet sind, wurden bislang in weniger als zehn Prozent dieser Gebiete Vertreter gefunden. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schutzgebiete einen wichtigen Schutz vor biologischen Invasionen bieten“, schreiben die Autoren.

Die Zahlen ändern sich jedoch, wenn das Umland einbezogen wird. In zehn Kilometern Entfernung von neun von zehn der Schutzgebiete gibt es mindestens eine Population einer gebietsfremden Art. In 100 Kilometer Umkreis um fast alle Schutzgebiete (99 Prozent) verhält es sich ebenso.

Gebietsfremd oder invasiv

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES benennt biologische Invasionen durch gebietsfremde Arten neben der Zerstörung von Lebensräumen, Übernutzung, Klimawandel und Umweltverschmutzung als einen der fünf wichtigsten Treiber des aktuellen weltweiten Massenartensterbens. Schutzgebiete sind für die Erhaltung von Biodiversität wichtig.

„Wir müssen invasive gebietsfremde Arten besser überwachen und erfassen, insbesondere besonders schädliche Arten wie den Amerikanischen Ochsenfrosch, die Wanderratte und das Wildschwein“, wird Yiming in einer Mitteilung des University College London zur aktuellen Studie zitiert.

Yiming differenziert bewusst: nicht jede eingebrachte Art ist eine Gefahr für das neue Ökosystem und seine Bewohner. „Die meisten gebietsfremden Arten stellen kein Naturschutzproblem dar“, heißt es auf den Informationsseiten des Bundesamts für Naturschutz. Wann also wird „gebietsfremd“ zu „invasiv“?

Invasive Arten schaffen es nicht nur im neuen Lebensraum, stabile, sich langfristig vermehrende Bestände zu bilden, sie treten auch mit den heimischen Arten in Konkurrenz, um Nahrung oder Lebensraum, oder sie fressen sie – wie etwa der genannte Ochsenfrosch, der als Räuber eine Gefahr für andere Amphibien ist.

Eine weitere Gefahr, die von invasiven Arten ausgeht, ist die Übertragung von Krankheiten, die ihnen selbst weniger ausmachen, aber die einheimischen Tiere dezimieren können. So geht man zum Beispiel davon aus, dass eine weltweit für den Rückgang von Amphibien mitverantwortliche Pilzerkrankung mit gehandelten Amphibien vom Menschen verbreitet wurde.

Ein weiterer Verdrängungsfaktor ist genetischer Natur: invasive Arten können sich mit heimischen kreuzen und ihren Genpool dauerhaft verändern. Koautor Tim Blackburn vom University College London bilanziert: „Gebietsfremde Arten einzuführen, ist eine der schädlichsten Arten, auf die Menschen die natürliche Umwelt beeinflussen.“

Nähe zu Menschen

Das Forscherteam hat auch untersucht, was die Schutzgebiete gemeinsam haben, in denen bereits gebietsfremde Arten heimisch sind. Es zeigte sich, dass menschliche Beeinflussung der entscheidende Faktor ist: In Schutzgebieten mit guter Verkehrsanbindung und in der Nähe größerer Siedlungen wurden die meisten gebietsfremden Arten gefunden.

Außerdem handelte es sich dabei zumeist um größere und jüngere Schutzgebiete. Die älteren Schutzgebiete liegen dagegen meist in abgelegeneren Gebieten, so dass sie weniger menschlichen Einflüssen ausgesetzt sind.

„Gegenwärtig sind die meisten Schutzgebiete noch frei von den meisten tierischen Eindringlingen, aber das könnte nicht von Dauer sein“, sagt die leitende Autorin Yiming. Gebiete, die für eine große Zahl von Menschen leicht zugänglich sind, seien am anfälligsten.

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