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Impfen - hier in einem Impfzentrum in Bayern.

© Sven Hoppe/dpa

Für die Generationengerechtigkeit: Führt die Impfpflicht für Erwachsene ein!

In Sachen Generationengerechtigkeit ist etwas aus den Fugen geraten in der Pandemie. Eine Impfpflicht für Erwachsene wäre daher richtig - der Kinder zuliebe. Ein Kommentar.

Das Zwischen-Luftholen bei den Corona-Neuinfektionen ist vorbei. Vergangene Woche stagnierten die Corona-Zahlen, demnächst dürften sie mit dem kälteren Wetter wieder stärker steigen. Und anders als im Juli und August sind es dann nicht mehr die Folgen von Sommerferien und vorrangig Kinder und Jugendliche, deren Pflichttests zum Schulstart die Meldezahlen hochtrieben. Schon jetzt sind auch Ältere zunehmend betroffen.

Und so droht Deutschlands Krankenhäusern auch in diesem Herbst keine Pandemie der Jungen, sondern die nächste Pandemie der Alten. Der Anteil der über-60-Jährigen an allen stationären Aufnahmen nimmt stark zu.

In allen Wellen waren Kinder stark von Einschränkungen betroffen

Was das mit Kindern, jungen Erwachsenen, mit Schulen und Hochschulen zu tun hat? In allen bisherigen Corona-Wellen waren sie, abgesehen von Altenheimen und deren Bewohnern, am stärksten von Einschränkungen betroffenen. Und obgleich gerade bei den Kindern die Politik geschworen hat, sie künftig anders zu behandeln: Vor der großen Herbst- und Winterwelle 2020 waren die Versprechungen fast wortgleich ausgefallen.

Dabei war es schon damals – bevor ausreichend Impfstoff zur Verfügung stand – nicht zu rechtfertigen, Schulen zu schließen aber Büros offen zu lassen, Kinder- und Jugendliche zwei-, dreimal wöchentlich zu Schnelltests zu verpflichten aber die Erwachsenen ohne Pflichttests an den Arbeitsplatz zu lassen.

Den Alten wird der Eindruck vermittelt: Die Pandemie ist vorbei

Nach Monaten des Impfstoff-Überflusses ist es das erst recht nicht mehr. Es gibt Zweitklässler, die nur wenige Monate regulären Unterricht erlebt haben und jetzt zum ersten Mal am Platz ohne Maske lernen dürfen. Es gibt Studierende, die ins vierte Semester kommen und hoffen, ihre Uni endlich von innen kennenlernen. Mit 2G-Bändchen ums Handgelenk oder Impf-Aufklebern auf dem Studierendenausweis.

Dass von den über-60-Jährigen 14 Prozent überhaupt nicht geimpft sind, während es bei Studierenden je nach Standort zehn Prozent und weniger sind, lässt sich nur mit ihren bisherigen Ungleichbehandlung in der Pandemie erklären: Gehen die Zahlen hoch, werden vor allem die Jungen eingeschränkt, obwohl die Alten es sind, die das viel höhere Risiko tragen. Doch denen wird in ihrem Alltag der Eindruck vermittelt, die Pandemie sei so gut wie vorbei, also keine Zurückhaltung mehr nötig.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Schieflage zu beenden. Stichwort Freedom Day: Alle hatten die Chance, sich impfen zu lassen. Also heben wir alle Beschränkungen auf, lassen die Zahlen hochgehen, und wenn es die Ungeimpften erwischt – selber schuld.

Nur wäre das ethisch fragwürdig – und zu kurz gedacht. Denn wenn die Ungeimpften die Intensivstationen überfüllen, bleibt für Geimpfte, die aus anderen Gründen behandelt werden können, kein Platz mehr. Auch gibt es Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Und für die unter 12-Jährigen steht die Impfstoff-Zulassung noch komplett aus.

Die zweite Alternative ist: Der Staat muss seine Verantwortung endlich ernstnehmen und eine Impfpflicht für alle Erwachsenen durchsetzen. Ja, das ist ein Eingriff in die Grundrechte. Nur wäre es unerträglich, wenn die Politik vor diesem zurückschreckt, nicht aber vor der erneuten empfindlichen Verletzung des Grundrechts auf Bildung und Teilhabe. Und genauso das wären weitere Einschränkungen im Schul- und Hochschulbetrieb. Vom Leiden und Sterben geimpfter Alter ganz zu schweigen.

Die Stiko sollte ohne Druck zu einer Einschätzung kommen

In Sachen Generationengerechtigkeit ist etwas aus den Fugen geraten in der Pandemie – oder es war schon aus den Fugen, und ist nur so richtig sichtbar geworden. Zuungunsten der ganz Jungen und der ganz Alten. Zur Generationengerechtigkeit gehört nicht nur, unabhängig von Inzidenzen die Bildungseinrichtungen im Präsenzbetrieb zu halten. Sondern auch, wenn demnächst die Impfstoff-Zulassung für 5- bis 11-Jährige da ist, die Stiko ohne Druck zu einer Einschätzung kommen zu lassen.

Und sollte sie dann keine generelle Impf-Empfehlung für Kinder geben, weil diese kaum schwer erkranken und selten Folgeerscheinungen haben, dann ist das als Votum der Wissenschaft und im Interesse der Kinder zu akzeptieren. Dass die junge Generation den Kopf hinhalten soll, weil die Politik die Älteren schont: Damit muss es jetzt vorbei sein.

- Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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