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Alarmierend. Auch Magersucht und Bulimie treten laut DAK durch die Pandemie häufiger auf. 

© imago/Westend61

Folgen von Corona: Essstörungen und Übergewicht bei der Jugend

Neue DAK-Studie weist auf erhebliche Auswirkungen der Covid-Pandemie auf Kinder und Jugendliche hin. DAK-Vorstand fordert Enquete-Kommission.

Bereits nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten Kinder- und Jugendärzte vor den Folgen für Schulkinder gewarnt. Neben psychologischen Auswirkungen hätten die geschlossenen Schulen auch negative Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden.

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Mangelnde Bewegung und Sport führe zu Übergewicht. Der Berliner Kinder- und Jugendarzt Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BKJ), berichtete Anfang 2021 von drastischen Fällen von Adipositas. Die Bewegungsarmut habe massiv zugenommen, in einem Einzelfall habe ein Kind in wenigen Monaten sogar 30 Kilogramm zugenommen.

Eingeschränkte Sozialkontakte und Freizeit

Die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hatte ergeben, dass sich das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen durch eingeschränkte Sozialkontakte und Freizeitmöglichkeiten verschlechtert hat. Auch das Zentrum für Ernährungsmedizin München sah Probleme mit Bewegungsmangel, der Wegfall des Sportunterrichts habe gravierende Folgen. Der Generalsekretär der Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ), Hans-Iko Huppertz, konstatierte neben der Gewichtszunahme durch fehlende Bewegung auch die Gefahr der Spielsucht im Internet durch geschlossene Schulen.

Eine aktuelle Untersuchung bestätigt diese Beobachtungen und Befürchtungen nun einmal mehr. Die Corona-Pandemie geht einem Report der Krankenkasse DAK-Gesundheit zufolge mit steigenden Behandlungszahlen wegen Übergewicht und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen einher. 

Demnach wurden 2020 in den Krankenhäusern 60 Prozent mehr Mädchen und Jungen aufgrund einer Adipositas behandelt als im Vorjahr. Im Frühjahrs-Lockdown waren die Zahlen kurzzeitig abgesunken. Bei starkem Untergewicht nahmen die Zahlen insgesamt um 35 Prozent zu, bei Magersucht und Bulimie waren es im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent.

Deutlicher Anstieg von Typ-1-Diabetes 

Einen deutlichen Rückgang gab es dagegen bei Infektionen. Die Zahl der behandelten Infektionskrankheiten sank durch die Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen deutlich. So gingen die Klinikbehandlungen bei virusbedingten Darminfektionen um 80 Prozent zurück. Mit Diabetes-Typ-1-Diagnose stationär behandelt wurden 2020 unterm Strich leicht mehr Kinder und Jugendliche – nach einem starken Rückgang im ersten Lockdown und einem deutlichen Anstieg danach.

Untersucht worden waren anonymisierte Krankenhausdaten von knapp 800 000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK versichert sind. „Die Krankenhausdaten zeigen alarmierende Folgen der Pandemie für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen“, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Die Zahl junger übergewichtiger Patientinnen und Patienten stieg nach einem Absinken im Frühjahrs-Lockdown steil an.

„Die Krankenhausbehandlungsfälle von Kindern und Jugendlichen gingen im ersten Lockdown stärker zurück als im zweiten. Gleichzeitig wurden in Kliniken aber mehr schwere Fälle behandelt“, erklärte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Insbesondere Adipositas und seelische Störungen waren den Daten nach im zweiten Lockdown sogar häufiger ein Behandlungsgrund als im Vorjahr. 

Effekte werden noch länger anhalten

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hätten deutlich negative Effekte auf die Kinder- und Jugendgesundheit – vor allem in den Bereichen Körpergewicht und psychische Gesundheit. „Diese Effekte werden uns noch nachhaltig beschäftigen“, sagte Fischbach. „Es wird noch lange dauern, bis wir zu einer Normalität zurückkehren können.“

DAK-Vorstandschef Andreas Storm forderte eine Enquete-Kommission nach der Bundestagswahl. „Politik und Wissenschaft müssen die Auswirkungen von Corona analysieren und langfristige Konzepte entwickeln“, sagte er. 

Auch Hans-Iko Huppertz von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin sieht nun dringenden Handlungsbedarf: „Deutschland hat während der Pandemie in den letzten anderthalb Jahren seine Kinder vernachlässigt und bei den Familien zum Teil bleibende überwiegend psychosoziale Schäden hinterlassen“, sagte Huppertz gegenüber dem Tagesspiegel. (mit dpa)

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