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Eine neue Studie zeigt, dass die Hälfte der gesamten Erwärmung der Arktis im späten 20. Jahrhundert durch ozonabbauende Substanzen verursacht wurde. Im Bild Eis, das vom vom grönländischen Jakobshavn-Gletscher abgebrochen ist.

© Kevin Krajick/Earth Institute

Fluorchlorkohlenwasserstoffe und ihre Nachfolger: Ozonkiller als Klimakiller

FCKW sind längst verboten. Doch sie wirken nicht nur in der Ozonschicht noch immer nach. Und auch Ersatzsubstanzen sind problematisch - für das Klima.

1985 rüttelten drei Forscher des British Antarctic Survey die Welt auf. Ihre Messungen hatten gezeigt, dass in der Atmosphäre über der Antarktis große Mengen an Ozon verloren gehen - jenes Gases, das als Teil der Ozonschicht die Menschen auf der Erde vor gesundheitsschädlicher Strahlung schützt.

Sie hatten das Ozonloch entdeckt.

Schnell war klar, dass der Ausstoß von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) das Ozonloch verursacht hatte. Durch entschlossenes politisches Handeln, insbesondere durch Verabschiedung des Montreal-Protokolls, das die Freisetzung der Substanzen reglementierte, ist dieses Problem mittlerweile weitgehend im Griff.

Paradebeispiel einer internationalen Reaktion auf einen globale Umweltkrise

Das Ozonloch schließt sich seither langsam. Die Ächtung der FCKW gilt als Paradebeispiel einer internationalen Reaktion auf einen globale Umweltkrise. Doch die ozonabbauenden Substanzen haben eine andere, umweltschädigende Wirkung: Sie wirken als Treibhausgase und treiben den Klimawandel an. In einer aktuellen Studie kommen US-Wissenschaftler zu dem Schluss, dass der Einfluss massiv war..

Der Untersuchung zufolge verursachte die Freisetzung der Substanzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwa ein Drittel des bis 2005 gemessenen globalen Temperaturanstiegs. In der Arktis ging demnach sogar die Hälfte der Erwärmung und des Eisverlustes in dieser Zeit auf das Konto der Ozonkiller, berichten die Forscher im Fachmagazin «Nature Climate Change».

Mit der Reglementierung dieser Substanzen im Montreal-Protokoll und ihrem Verbot bei den folgenden Nachverhandlungen sinke ihre Konzentration in der Atmosphäre etwa seit dem Jahr 2000. Das Montreal-Protokoll wurde 1987 von den Staaten der internationalen Gemeinschaft angenommen und trat 1989 in Kraft.

Martin Dameris vom Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der nicht an der Studie beteiligt war, sagt, die Ergebnisse der Forscher seien "in ihrer Größenordnung plausibel und nachvollziehbar, auch wenn sie in anderen Klimamodellen noch nachvollzogen werden müssen.» Grundsätzlich sei die klimaschädigende Wirkung der ozonabbauenden Substanzen bereits bekannt und etwa 2013 im Bericht des Weltklimarats IPCC thematisiert worden. Neu sei die Fokussierung der Forscher auf einen Zeitraum von 50 Jahren und auf die arktische Region.

Abnehmender Einfluss

Wie sehr die ozonabbauenden Substanzen zum Temperaturanstieg vor allem in der Arktis beigetragen haben, sei bislang nur wenig untersucht, schreiben die Forscher um Lorenzo Polvani von der Columbia University in New York (USA). Die Oberflächentemperatur in der Arktis sei mehr als zweimal so stark gestiegen wie im globalen Mittel, begleitet von einem dramatischen Verlust des Meereises und einer Abnahme von dessen Dicke.

Die Wissenschaftler errechneten mit Hilfe zweier gängiger Klimamodelle die Wirkung der Substanzen auf Temperatur und arktisches Eis im Zeitraum zwischen 1955 und 2005. Laut der Ergebnisse haben die Mittel neben dem Treibhausgas Kohlendioxid und anderen treibhausgasen wie etwa Methan einen maßgeblich Einfluss auf das Klima. Warum die Substanzen ausgerechnet in der Arktis so einen starken Klimaeffekt zu haben scheinen, können die Forscher mit ihrer Untersuchung nicht beantworten.

Die Effekte der Substanzen ließen kontinuierlich nach, weil sie dank des Montreal-Protokolls nicht länger freigesetzt und nun langsam abgebaut würden, schreiben die Wissenschaftler. «In den kommenden Jahrzehnten werden sie immer weniger zur globalen Erwärmung beitragen», sagt Polvani. «Das ist eine Gute-Nachrichten-Geschichte.»

Auch Dameris glaubt, dass sich mit dem Abbau der Substanzen die Klimaerwärmung zumindest verlangsamen wird. «Etwa 50 Jahre wird es diese Stoffe noch geben, dann wird zumindest ihr Beitrag zur Klimaerwärmung verschwunden sein.»

Vom Regen in die Traufe?

Teil des Problems und nach wie vor relevant sind auch Substanzen, die einige Zeit als Alternativen zu den verbotenen Fluorchlorkohlenwasserstoffen eingesetzt wurden - die Fluorkohlenwasserstoffe (HFC). Diese greifen die Ozonschicht größtenteils nicht an, auch sie haben allerdings eine teils erhebliche Klimawirkung: Die Freisetzung von einer Tonne Fluoroform (HFC-23) zum Beispiel entspricht nach aktuellem Kenntnisstand in etwa der Klimawirkung von 12.000 Tonnen Kohlendioxid. Die Substanz entsteht bei der Herstellung einer Chemikalie, die vor allem als Kühlmittel eingesetzt wird.

Um den Klimaschutz zu verbessern und die Nutzung auch dieser Stoffe schrittweise zu stoppen, wurde das Montreal-Protokoll 2016 um die sogenannte Kigali-Änderung erweitert. Im Fachblatt «Nature Communications» berichtet ein Forscherteam um Kieran Stanley von der Goethe-Universität Frankfurt nun jedoch, dass der Anteil des problematischen HFC-23 in der Atmosphäre nicht wie erwartet sinkt. Im Gegenteil: Den Messungen der Forscher zufolge ist die Konzentration 2018 auf einen Rekordwert gestiegen.

Die Emissionen stammten vermutlich aus China und Indien. Die beiden Länder setzen am meisten HFC-23 frei. 2015 hatten sie angekündigt, die Emissionen zu begrenzen. Bis Ende 2017 sei die Freisetzung ihren Angaben zufolge nahezu vollständig gestoppt worden. «Unsere Studie zeigt, dass es China sehr wahrscheinlich nicht geschafft hat, die HFC-23-Emissionen so weitreichend wie angekündigt zu reduzieren», erklärt Stanley in einer Mitteilung der University of Bristol. Ob Indien seine gesteckten Minderungsziele erreicht habe, lasse sich ohne weitere Messungen ebenfalls nicht sicher sagen.

Verwendung trotz Verboten und Selbstverpflichtung

Es ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler bei Messungen eine unerlaubte Freisetzung verbotener Substanzen registrieren. Erst vor einigen Jahren hatten Forscher um Stephen Montzka von der National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder (Colorado, USA) verdächtig hohe Messwerte der Chemikalie Trichlorfluormethan (CFC-11) in der Atmosphäre entdeckt, wie sie 2018 im Fachblatt «Nature» berichteten. Sie befürchteten, dass die Substanz aus einer illegalen Quelle freigesetzt wird.

Ermittlungen der Umweltschutzorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) ergaben später, dass die Chemikalie trotz eines weltweiten Verbots in chinesischen Unternehmen zum Aufschäumen von Kunststoffen eingesetzt wurde. Die «weit verbreitete» Verwendung in China erkläre, warum der Stoff in der Atmosphäre seit 2012 langsamer sinkt, als durch die bestehenden Umweltregeln eigentlich zu erwarten wäre, hieß es.

Der aktuell festgestellte, unerwartete Anstieg von HFC-23 zeige, dass es weiterhin eine wichtige Aufgabe bleibe, die Einhaltung des Montreal-Protokolls sicherzustellen. «Es sieht so aus, als gebe es noch viel zu tun», sagt Stanley

«Die Wissenschaft hat die Gefahr der Substanzen erkannt, die Politik hat reagiert und mit dem Montreal-Protokoll deren Verwendung reglementiert», sagt Dameris. Die Umsetzung der Vorgaben liege allerdings bei den Unterzeichnerstaaten, da Sanktionen bei Verstößen nicht vorgesehen sind. (Anja Garms, dpa)

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