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Ein Ebola-Patient im Leipziger Sankt-Georg-Klinikum starb an der Krankheit.

© dpa

Ebola: Evolution des Schreckens

Der erste Ebola-Tote in Deutschland, die erste Ansteckung außerhalb Afrikas in den USA: Das Virus verbreitet Angst und schürt Panik. Aber das ist die falsche Reaktion.

Auf den ersten Blick sieht eine von Ebola befallene Zelle unter dem Elektronenmikroskop wie ein zerzaustes Wollknäuel aus. Erst auf den zweiten offenbart sich, dass all die Wollfäden in Wirklichkeit Viren sind. Sie haben die gekaperte Zelle komplett eingehüllt. Bis zu ihrem Untergang produziert diese unablässig neue Erreger. Kein Wunder, dass Ebolaviren innerhalb weniger Tage die Körperabwehr überrennen, ehe sie sich über den Rest des Organismus hermachen und schließlich seine Selbstzerstörung durch ein entgleistes Immunsystem entfesseln. Ganze sieben Gene besitzt das Virus, ein ebenso makabres wie erstaunliches Beispiel für eine effiziente Evolution des Schreckens.
Und schrecklicher scheint es zu werden. Die westafrikanische Ebola-Epidemie mit bisher mehr als 4400 Toten ist längst nicht im Griff, da fällt ein Schatten der Seuche auf die Industrienationen mit ihrer hochgerüsteten Medizin: In einem Leipziger Krankenhaus ist ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen der Krankheit erlegen, in den USA hat sich eine Krankenschwester an einem mittlerweile gestorbenen Ebola-Patienten angesteckt.

Ebola verlangt äußerste Wachsamkeit

Vor allem dieser Fall beunruhigt die Experten. Das Virus kann selbst ein bestens ausgestattetes Gesundheitswesen überrumpeln. Allerdings nur, wenn man ihm die Chance dazu gibt. Eine kleine Unachtsamkeit bei der Hygiene kann für eine Infektion genügen. Ebola verlangt äußerste Wachsamkeit. Nur wenn man auf der Hut ist, hat der Erreger in unseren Breiten keine Chance.

Auf der anderen Seite sollten auch die letzten Ereignisse nicht zu Überreaktionen verleiten. Das wesentliche Übertragungsrisiko ist nach wie vor der Körperkontakt mit einem Infizierten. Eine Ansteckung über die Luft, wie bei Atemwegskeimen, ist eine Ausnahme, wenn sie überhaupt vorkommt. Das Virus kann vieles, Fliegen gehört nicht dazu. Panik und Hysterie dagegen können der Epidemie buchstäblich Flügel verleihen. Wenn, wie in Afrika geschehen, Menschen vor der Seuche fliehen und sie damit verbreiten.

Die betroffenen Nationen dürfen nicht isoliert werden

Natürlich könnte man auf die Idee kommen, Westafrika von den Flugplänen zu streichen und die betroffenen Nationen damit weitgehend zu isolieren. Aber diese Idee verheißt nur auf den ersten Blick eine Lösung. Denn diese wäre nicht nur unmenschlich, weil sie die Länder unserer Solidarität beraubt. Sie würde zudem die ohnehin schon große Krise in der Region vergrößern und das Virus über Schleichwege unkontrolliert verbreiten. Die Region braucht nicht weniger, sondern mehr Hilfe im Kampf gegen die Krankheit. Verglichen mit Malariaparasiten oder den Erregern des Lassafiebers gehören Ebolaviren bisher nicht zu den häufigen Krankheitserregern in Westafrika. Der Ausbruch zeigt jedoch, dass in der Region dringend ein medizinisches Frühwarnsystem installiert werden muss. So kann schneller reagiert und eine schleichende Ausbreitung über Monate, wie beim derzeitigen Ausbruch, verhindert werden.

Aids zeigt, wie es gelingen kann, Medikamente zu entwickeln

Die zweite Baustelle sind Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola und verwandte Erreger. Fundamente sind bereits gelegt, ob sie tragfähig sind, wird sich zeigen müssen. Aber das Beispiel von Aids zeigt, dass es gelingen kann. In den ersten Jahren der Aids-Epidemie hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass das Immunschwächevirus eines Tages mit Arzneimitteln hervorragend in Schach gehalten werden kann. Dennoch glückte es. Dabei hat der Aids- Erreger sogar zwei Gene mehr als Ebola.

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