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Molekularfahndung. Die Gene können helfen, Tätermerkmale zu ermitteln – aber nur, wenn genug Blut oder andere Zellen am Tatort entdeckt werden.

© imago images / Westend61

Fahndung nach Hautfarbe: Erweiterte DNA-Fahndung in Deutschland geplant

Ermittler sollen die Farbe von Haut, Haar und Augen und das Alter von Flüchtigen bestimmen dürfen. Die Frage ist, ob die umstrittene Maßnahme überhaupt wirkt.

Es begann 2017 mit einem Vorstoß Baden-Württembergs und Bayerns: Noch während die Polizei den Mörder und Vergewaltiger der 16-jährigen Maria Ladenburger aus Freiburg suchte, forderten konservative Politiker eine Erweiterung der Fahndungsmöglichkeiten mit- hilfe von DNA-Spuren. Bis dato dürfen Beamte aus der DNA nur das Geschlecht ermitteln und ob das individuelle DNA-Profil zu einem vorherigen Straftäter passt. Doch weil aus den Genen im Erbgut prinzipiell auch ermittlungstechnisch wichtige Hinweise auf das Alter sowie Haar-, Haut- und Augenfarbe eines potentiellen Täters gewonnen werden können, suchten Bayern und Baden-Württemberg das Gesetz zu ändern. Zwar scheiterte das Vorhaben im Bundesrat, doch im Koalitionspapier stimmte die SPD der Initiative zu. Nachdem das Bundeskabinett erst im Mai einen Entwurf beschloss, legt nun das Bundesministerium ein Papier vor, in dem die DNA-Fahndung neben anderen Maßnahmen, etwa erleichterter E-Mail- und Telefonüberwachung, erweitert werden soll.

Zur DNA-Analyse heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs: „Der Änderungsvorschlag soll die wissenschaftlich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mögliche Bestimmung der Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters des Spurenlegers erlauben.“ Diese Erkenntnisse seien „grundsätzlich geeignet, die Ermittlungen voranzubringen und den wahren Sachverhalt aufzuklären“. Die Erweiterung der DNA-Fahndung stelle zwar einen „Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar“, heißt es in dem Referentenentwurf . Dieser sei aber „in der konkreten Ausgestaltung verhältnismäßig“. Die DNA-Untersuchung selbst sei „nicht spezifisch gegen eine bestimmte Personengruppe oder Minderheit gerichtet und damit an sich nicht diskriminierend“.

Womöglich ist deshalb auch die Analyse der „biogeografischen Herkunft“ eines mutmaßlichen Täters aus DNA-Spuren vom Tatort nicht Teil des Gesetzentwurfes und wird weiterhin verboten bleiben. Tatsächlich ist diese Methode, mit der sich etwa die europäische, asiatische oder afrikanische Abstammung ermitteln lässt, umstritten. Es wird befürchtet, dass damit Personengruppen ausländischer Herkunft stigmatisiert werden könnten.

Keine verlässlichen Studien

Der Leiter des Instituts für Genetische Identifizierung am Medizinischen Zentrum der Erasmus Universität Rotterdam, Manfred Kayser, hält es aber für eine „vertane Chance“, dieses Merkmal aus der erweiterten DNA-Analyse auszuklammern. Auch der Leiter der Abteilung für Forensische Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln, Peter Schneider, sieht in der biogeografischen Herkunftsanalyse das „schärfste Schwert, das wir haben“. Wissenschaftlich sei das Verfahren sogar aussagekräftiger als die Analyse von Haar- und Hautfarbe, die nun per Gesetz analysierbar werden sollen. Die Technik zur Altersbestimmung hingegen ist der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin zufolge „noch nicht ausreichend reif für einen Einsatz in der forensischen Praxis“. Und der Test, mit dem die Hautfarbe künftig wohl auch in Deutschland ermittelt werden soll, ist in den Niederlanden, wo die erweiterte DNA-Analyse gesetzlich schon viel länger geregelt ist, noch nicht zugelassen.

Eine Ministeriumssprecherin wies darauf hin, dass die Ermittlung der Hautfarbe zunächst nichts anderes sei als „eine Auswertung von Zeugenaussagen oder Bildern einer Überwachungskamera“, auf denen etwa die Hautfarbe eines Verdächtigen erkennbar sei. Diese dürften auch jetzt schon verwendet werden. „Es geht um eine Eingrenzung des Täterkreises“, sagte die Sprecherin.

Wie hilfreich die Informationen aus einer erweiterten DNA-Analyse für Ermittler am Ende sind, dazu gibt es zwar viele Meinungen und Hoffnungen, allerdings kaum verlässliche Studien. So lassen sich mit etwa 90-prozentiger Sicherheit braune oder blaue Augen und blonde oder schwarze Haare vorhersagen. Doch die in der Realität häufigen Zwischentöne, ergrautes oder gefärbtes Haar sind in der DNA nicht erkennbar. „Man muss sich fragen, ob die Vorteile den Preis wert sind“, sagt der Kriminologe Tobias Singelnstein von der Ruhr-Uni Bochum. Es gebe die Gefahr, dass Ermittler die Aussagekraft der DNA-Ergebnisse, die nur Wahrscheinlichkeiten wiedergeben, überbewerten. „Das könnte dazu führen, dass andere Ermittlungsansätze zu frühzeitig ausgeschlossen werden. (mit AFP/dpa)

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