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Einseitige Ernährung: Pandabären wie Paule und seine Mutter Meng Meng im Berliner Zoo, stecken in einer Sackgasse der Evolution.

© dpa/Christoph Soeder

Erst Manko dann Trumpf: Wenn Fehler zum Vorteil werden

Mutation? Das Wort klingt negativ, nach Defekt, Verstümmelung und frühem Tod. Dabei können sich die scheinbar katastrophalsten Genveränderungen als perfekte Überlebenshilfe entpuppen. Manchmal.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Survival of the fittest – dieser Satz von Charles Darwin wird oft zitiert und häufig missverstanden. Denn nicht etwa die „Stärksten“ überleben, sondern die am besten Angepassten, deren Eigenschaften und Fähigkeiten am besten zu den gerade herrschenden Umweltbindungen passen.

Ein Beispiel: Im Laufe der Evolution haben sich Pandabären perfekt auf den Verzehr von Bambus spezialisiert. In einer Umwelt voller Bambus eine gute Sache, heute, angesichts schwindender Bambuswälder, eine evolutive Sackgasse. Ohne massive Schutzmaßnahmen hätten die Bären wohl längst ins für sie unverdauliche Gras gebissen.

Mitunter ist es aber auch umgekehrt. So entpuppen sich bestimmte Mutationen, die ein Individuum bisher benachteiligten, plötzlich als Überlebensvorteil, weil sich die Umweltbedingungen geändert haben. Das klassische Beispiel sind die Fliegen auf den Kerguelen-Inseln im südindischen Ozean, etwa Calliphora vicina. Offenbar hatten einige Vorfahren dieser Schmeißfliegen eine Mutation, die ihre Flügel verstümmelte. Eine ziemlich deutlich negative Mutation für eine „Fliege“. Nicht aber, wenn sie auf einer Insel auftritt, auf der die Winde so heftig sind, dass jedes abhebende Insekt aufs Meer geblasen wird. Die scheinbar so offensichtlich nachteilige Mutation wird zum Vorteil: Von 23 Fliegenarten auf den Kerguelen sind heute 19 flugunfähig.

Was das für den Menschen heißt? Evolutive Prinzipien zu übertragen, ist – man blicke in die deutsche Vergangenheit – mehr als heikel. Und das Schicksal von Homo sapiens hängt eben nicht allein von biologischen, sondern zu großen Teilen auch von kulturellen Einflüssen ab. Eben deshalb lohnt es sich, aus dem jahrmilliardenalten Zusammenspiel von Mutation und Umwelt zu lernen.

Verstümmelung als Anpassung oder Zerstörung

Denn statt den Menschen oder seinen Genpool zu verändern, wie es Eugeniker propagierten, sollte sich Homo sapiens darauf besinnen, dass er selbst es ist, der seine Überlebensbedingungen, und die unzähliger anderer Arten, gestaltet. Zu oft tut er es bislang aber auch auf verstümmelnde, destruktive und so gar nicht „weise“ Weise. Dass ein paar Mutationen den einen oder anderen an die zerstörte Welt angepassten Menschen hervorbringen und damit die Art erhalten könnten, ist nicht völlig unmöglich, aber unwahrscheinlich. Wir sind keine Fliegen.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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