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Gesunder Genuss. Ein kleines Mädchen beißt in einen Apfel, den ihr die Hand einer Erwachsenen hinhält.

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Ernährungsforscher Tilman Grune zur Zuckerdebatte: "Es muss mehr getan werden, damit Kinder sich gesund ernähren"

Man sollte Kindern positive Anreize geben, sich gesund zu ernähren. Ob Verbote etwas bringen, muss noch geklärt werden, meint Tilman Grune, Leiter des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.

Bereits im letzten Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation WHO einen neuen Leitlinienentwurf vorgelegt, in dem sie ihre bisherigen Richtwerte für den Zuckerkonsum halbiert. Nach den neuen Empfehlungen soll die über Zucker aufgenommene Energie künftig bei unter fünf Prozent der täglichen Energiezufuhr liegen. Bezogen auf den Energiebedarf eines normalgewichtigen Erwachsenen entspricht dies etwa 25 Gramm Zucker, also einer Menge, die man bereits durch den Konsum einer Dose Limonade überschreitet. Bei Kindern ist der Richtwert je nach Alter und Gewicht entsprechend niedriger anzusetzen.

Die Empfehlung bezieht sich dabei auf Zuckerarten wie Haushalts-, Frucht- und Traubenzucker, welche Lebensmittelproduzenten oder die Verbraucher selbst Speisen und Getränken zugeben, zum Beispiel auch in Form von natürlichen Produkten wie Honig. Zucker, der über Obst, Gemüse und Milch verzehrt wird, zählt nicht dazu.

Ziel der WHO ist es, durch diese Maßnahme Volksleiden wie krankhaftes Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Karies vorzubeugen, da die Erkrankungszahlen weltweit steigen. Besonders in Schwellenländern ist in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Prävalenz zu verzeichnen. Die Zahngesundheit hat sich zwar in Deutschland durch verschiedene Maßnahmen zur Kariesprävention verbessert, dennoch hatten im Jahr 2009 immer noch weniger als ein Prozent der Erwachsenen ein kariesfreies Gebiss. Darüber hinaus sind laut Robert Koch-Institut mehr als die Hälfte der Erwachsenen und etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig. Schätzungsweise sechs Millionen Menschen sind von Typ-2-Diabetes betroffen.

Professor Tilman Grune ist wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.
Professor Tilman Grune ist wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.

© Antje Lenz von Kolkow / Faceland Berlin

Es besteht also auch bei uns Handlungsbedarf. Daher empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zuckergesüßte Lebensmittel nur in Maßen zu verzehren. Neben anderen Studien weisen auch unsere darauf hin, dass besonders ein Zusammenhang zwischen dem Konsum zuckerhaltiger Getränke und einem erhöhten Risiko für Übergewicht und chronischen Erkrankungen wie Diabetes besteht. Zuckerhaltige Getränke sind schnell konsumiert und sättigen wenig, liefern dem Körper aber sehr viel Energie und können so die natürlichen Systeme austricksen, die das Körpergewicht regulieren. Dies wird deutlich, wenn man überlegt, wie viel Orangen man für ein Glas Saft auspressen muss, das man ohne weiteres in einer Minute konsumiert, und diese Menge Orangen mit der vergleicht, die man in derselben Zeit essen würde.

Der Zuckerkonsum über Getränke kann daher indirekt über seinen Beitrag zur Energiezufuhr, eine damit verbundene positive Energiebilanz und das hieraus resultierende Übergewicht zum Entstehen von chronischen Krankheiten beitragen. Unsere Untersuchungen zeigen ferner, dass schnell resorbierbare Zucker auch direkt die Gesundheit von Menschen negativ beeinflussen, deren Stoffwechsel bereits gestört ist.

Man sollte Zucker nicht verteufeln, es erscheint aber aus den benannten Gründen sehr sinnvoll, die Bevölkerung auf die möglichen Folgen einer hohen Zuckeraufnahme aufmerksam zu machen und gleichzeitig Wege aufzuzeigen, wie man die Zuckerzufuhr auf ein gesundes Maß reduzieren kann. Die DGE gibt hierzu lebensmittelbezogene Empfehlungen heraus. Darüber hinaus stellt das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund eine ganze Reihe von Infomaterial zur Verfügung, das speziell auf eine gesunde, kindgerechte Ernährung zugeschnitten ist. Zudem untersucht das Institut, inwieweit durch geschicktes Marketing Speisen, die zu einer gesunden Ernährung beitragen, für Kinder attraktiver gemacht werden können. Wie erste Ergebnisse annehmen lassen, können durch Werbestrategien geschaffene positive Anreize für zum Beispiel Gemüse und Obst ein gesundes Ernährungsverhalten fördern. Ob es sich zusätzlich durch Verbote günstig beeinflussen lässt, sollte in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Die neue WHO-Empfehlung in der Bevölkerung umzusetzen, ist sicherlich eine Herausforderung für Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Bei all den Diskussionen über Zucker sollte man aber nicht vergessen, dass es noch andere Nahrungskomponenten wie zum Beispiel Fette gibt, welche die Gesundheit beeinflussen.  

Tilman Grune

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