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Ein Schüler in den USA bekommt eine Coronaimpfung.

© AFP/Joseph Prezioso

Update

EMA gibt grünes Licht, Deutschland streitet: So spalten Kinderimpfungen gegen Corona das Land

Impfungen gegen das Coronavirus sind ab dem 7. Juni auch für Kinder ab zwölf Jahren möglich. Mit dem Ergebnis des Impfgipfels sind längst nicht alle zufrieden.

Nach dem Impfgipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten gehen die Meinungen bei der Frage der Impfungen von Kindern und Jugendlichen weit auseinander. Mediziner, Verbände und Politik streiten über Sinn und Machbarkeit des Plans, möglichst allen im Alter von zwölf bis 16 Jahren vor dem neuen Schuljahr eine Impfung anzubieten.

Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat derweil den Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Die Behörde erteilte dem Impfstoff am Freitag eine Zulassung für die Altersgruppe von zwölf bis 15 Jahren. Bisher war der Impfstoff in der EU ab einem Alter von 16 Jahren zugelassen. Mit der EMA-Entscheidung steht in der EU erstmals ein Corona-Impfstoff für Kinder zur Verfügung.

Der Impfstoff werde in der Altersgruppe „gut vertragen“ und es gebe keine ernsten Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen, erklärte die Behörde mit Sitz in Amsterdam. Daten aus klinischen Tests zeigten, dass der Impfstoff bei den Zwölf- bis 15-Jährigen eine hohe Schutzwirkung habe.

Die wichtigsten Punkte des Impfgipfels im Überblick:

  • Am Donnerstag hatten Bund und Länder festgelegt, dass sich Kinder ab zwölf Jahren in Deutschland vom 7. Juni an gegen Corona impfen lassen dürfen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA gab am Freitagnachmittag grünes Licht.
  • Vorgesehen ist für die Impfungen das Präparat von Biontech/Pfizer. Einer am späten Donnerstagabend veröffentlichten Studie zufolge schützt dieser Impfstoff auch Kinder zwischen 12 und 15 Jahren sicher vor einer Covid-19-Erkrankung. Das zeigen Daten, die bereits Grundlage für die Notfall-Zulassung des Impfstoffes in den USA in dieser Altersgruppe waren.
  • Es ist allerdings auch wegen der Impfstoffknappheit nicht mehr vorgesehen, dass die Länder vom Bund zusätzliche Impfdosen für Kinder und Jugendliche erhalten sollen. Die Zahl der Zwölf- bis 18-Jährigen in Deutschland gab die Bundesregierung mit 5,3 Millionen an.
  • Dem Bund-Länder-Beschluss zufolge sollen für die Impfungen insbesondere die niedergelassenen Ärzte infrage kommen.

Kanzleramtschefs Helge Braun (CDU) wies am Freitagmorgen in der ARD darauf hin, dass es den Ländern offen stehe, spezielle Impfangebote für Schulen aufzulegen, „das haben wir nicht ausgeschlossen“. Es gehe aber zu weit zu sagen, Kinder müssten sich für einen sicheren Schulbetrieb impfen lassen. „Das ist eine individuelle Entscheidung und deshalb fände ich es gut, wenn Eltern und Ärzte da frei sind und dass wir sie weder bedrängen, dafür oder dagegen“, stellte Braun fest.

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht mögliche Impfungen von Kindern und Jugendlichen in Schulgebäuden kritisch. „Damit würde man doch sehr stark als Staat symbolisieren: Wir wollen, dass Ihr Euch impft“, sagte Laumann am Freitag im „Morgenmagazin“ von WDR 2.

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Merkel hatte betont, eine Impfung werde keine Voraussetzung für den Schulbesuch sein. „Die Impfung von Kindern ist ein sehr sensibler Akt.“ Die Stiko werde sich bei ihrer Empfehlung nur davon leiten lassen, was eine Impfung für das einzelne Kind bedeute. Stiko-Chef Thomas Mertens habe dies in der Runde deutlich gemacht.

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Erwartet wird, dass die Stiko allenfalls für Jüngere mit Vorerkrankungen eine Impfempfehlung aussprechen wird. Stiko-Mitglied Rüdiger von Kries hatte am Mittwoch im rbb gesagt, eine allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche sei in Deutschland nicht zu erwarten. Es sei derzeit nichts über mögliche Nebenwirkungen in dieser Altersgruppe bekannt.

So sehen Familien Kinderimpfungen

Rund die Hälfte der Familien in Deutschland will ihre Kinder voraussichtlich gegen das Coronavirus impfen lassen, sobald dies möglich ist. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“ hervor. Demnach sind 51 Prozent der Befragten, bei denen Kinder im Haushalt leben, für eine Impfung des Nachwuchses, 40 Prozent der Erziehungsberechtigten lehnen die Schutzimpfung für die Kinder dagegen derzeit ab. Der Rest äußerte sich unentschieden.

Das sagen Mediziner zum Impfgipfel

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnte vor wachsendem politischem und gesellschaftlichem Druck auf Eltern, ihre Kinder gegen Covid-19 impfen zu lassen. „Die Datenlage zu Risiken und Nutzen einer möglichen Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen ist derzeit noch so unzureichend, dass man keine Empfehlung abgeben kann“, sagte Reinhardt der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Schon gar nicht darf die Teilnahme am Präsenzunterricht von einer Impfung abhängig gemacht werden. Dies wäre nichts anderes als eine Corona-Impfpflicht durch die Hintertür.“

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Auch Intensivmediziner sehen eine Impfung junger Menschen skeptisch, aber aus anderen Gründen: „Kinder erkranken häufig asymptomatisch oder im Verlauf harmlos und haben deshalb derzeit bei knappen Impfstoffkapazitäten keine dringliche Indikation für eine Impfung“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Florian Hoffmann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Im Sinne der Intensivbettenkapazitäten haben erwachsene Patienten bei der Impfung also weiterhin höchste Priorität, da diese ein relevantes Risiko eines intensivpflichtigen Verlaufs haben.“

[Lesen Sie mehr: "Fake" vom Amt: Berliner Gesundheitsverwaltung sagt Impftermine ab, die gar nicht ausfallen sollten (T+)]

Der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner wirbt dagegen für Impfungen von Kindern in Deutschland. „Ich glaube, da wäre ein bisschen mehr Mut angesagt“, sagte der Chefarzt der München Klinik Schwabing der „Augsburger Allgemeinen“. „Man hat gelernt, dass die neuen Varianten auch bei Kindern grassieren.“ Zudem gebe es auch bei Kindern schwere Erkrankungsbilder. Der Münchner Chefarzt hatte Anfang 2020 die ersten Corona-Patienten in Deutschland behandelt. Er sagte, dass eine Impfkampagne für Kinder auch für den sicheren Unterricht an den Schulen sinnvoll sei. Die Impfstoffe seien „insgesamt sehr, sehr sicher“, betonte Wendtner.

So reagieren die Lehrer auf den Impfgipfel

Die Lehrer zeigten sich enttäuscht, dass der Beschluss des Impfgipfels nicht mit einer Priorisierung und einer Impfkampagne speziell für Jugendliche verbunden wurde. „Der Deutsche Lehrerverband bezweifelt, ob die auf dem Impfgipfel vorgestellten Beschlüsse nennenswerte positive Auswirkungen für den Schulbetrieb im nächsten Schuljahr haben werden“, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger dem Redaktions-Netzwerk Deutschland.

„Die wohl in nächster Zeit nicht erfolgende allgemeine Impfempfehlung der Stiko wird viele, wenn nicht sogar die Mehrheit der Eltern davon abhalten, dieses Impfangebot für ihre Kinder wahrzunehmen, kritisierte der Lehrerverbandschef. Offensichtlich glaube ja auch die Bundesregierung nicht an den schnellen Erfolg ihres Impffahrplans, sonst hätte sie dazu eine umfassende Impfkampagne gestartet, sagte Meidinger.

So werten die Kommunen den Impfgipfel

Der Deutsche Städtetag warnte vor zu hohen Erwartungen. Grundsätzlich sei es eine gute Sache, Schülerinnen und Schülern die Impfung zu ermöglichen, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Der Impfstoff ist aber im Moment so knapp, dass er gerade einmal für die Zweitimpfungen reicht.“ Man müsse klar und ehrlich sagen, dass es noch Wochen dauere, bis jeder geimpft werden könne, der das wolle. „Denn enttäuschte Hoffnungen kosten Vertrauen.“

Das sagt die Opposition zum Impfgipfel

Die Grünen haben nach dem Impfgipfel vom Donnerstag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeworfen, vorherige Ankündigungen zu Impfangeboten an Kinder und Jugendliche nicht einhalten zu können. Dies sei „ein richtiges Problem fürs Vertrauen“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Freitag den Sendern RTL und n-tv. Sie verwies auf Aussagen Spahns, wonach zusätzlicher Impfstoff für Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen würde.

Göring-Eckardt verwies in diesem Zusammenhang auch auf vorherige Äußerungen von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), der für die Zeit ab Mai „unfassbar viel Impfstoff“ angekündigt habe. „Das ist jetzt nicht der Fall und das ist eine Enttäuschung“, sagte die Grünen-Politikerin. Mit Blick auf die Kinder und Jugendlichen verlangte sie, zumindest müssten jetzt alle mit Vorerkrankungen, die ein Risiko für schwere Krankheitsverläufe hätten, sehr schnell ein Impfangebot bekommen.

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Die FDP kritisierte die Entscheidung. Insbesondere CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn dürfe nicht einfach über Einwände der Impfkommission hinweggehen, sagt der stellvertretende Fraktionschef Michael Theurer der „Augsburger Allgemeine“ einem Vorabbericht zufolge. Politische Entscheidungsträger, „dürfen sich nicht über die Wissenschaft hinwegsetzen und mit vorschnellen Entscheidungen Fakten schaffen“, so Theurer. „Angesichts des kurzen Erfahrungszeitraums der Anwendung der Corona-Impfstoffe bei Erwachsenen ist hinsichtlich der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen größte und höchste Sorgfalt erforderlich.“

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Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete den Impfgipfel in den Zeitungen der Funke Mediengruppe als „Gipfel der Enttäuschung“. „Dass bis heute nicht alle Risikopersonen geimpft sind und ein Angebot an die mittelalte Generation fehlt, ist eine bittere Nachwirkung des Beschaffungsdebakels“, kritisierte er.

Aus Sicht der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe reicht die voraussichtliche Impferlaubnis für Jugendliche ab zwölf Jahren nicht aus. „Wir brauchen auch Öffnungsperspektiven jenseits der Impfung von jungen Menschen, denn es wird noch lange dauern, bis alle geimpft sind, und trotzdem möchten auch junge Menschen zurück ins normale Leben“, sagte Karin Böllert am Freitag im RBB-„Inforadio“. Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe warteten auf Corona-Verordnungen, wie sie in einigen Bundesländern schon vorlägen, die Teststrategien als Grundlage für Öffnungen vorsehen.

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