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Berlins Schulen sind wegen der Pandemie auf Lernmanagementsysteme angewiesen.

© imago images/Westend61

Studium unter Corona: Einsam, aber nicht verloren

Studierende diskutieren mit dem Bundespräsidenten ihre Lage in der Corona-Pandemie. Sie sehen Chancen, aber leiden unter Geldnot. Und mehrfach unter Isolation.

„Wer hätte gedacht, dass meine Generation mal den Computer gegen die Wand werfen würde?“ Es ist eher ein Seufzer als eine Frage, die Willi Stieger von seinem PC aus ins Berliner Schloss Bellevue schickt. Stieger, Fach Interdispziplinäre Russlandstudien, ist einer von fünf Studierenden, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und First Lady Elke Büdenbender an diesem Dienstag zum virtuellen Gespräch geladen hatten, um sich über ihre Lage zu informieren: Wie hat Covid-19 in ihr Leben eingegriffen, was hat sich verschlechtert, was lief im vergangenen Jahr gut?

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Das Bild vom PC-Wurf fasst beides treffend zusammen, wie sich im Gespräch herausstellt: Da ist die Einsamkeit vor dem Bildschirm, die auch die kennen, die wie Stieger in einer Beziehung oder WG leben, und die mehr als eine persönliche ist: „Ein großer Teil von Wissenschaft ist der Austausch mit Menschen, und der fehlt gerade sehr“, sagt Isabella Montini. Die Brasilianerin studiert im 5. Semester Sozialwissenschaften an der HU.

Auch zurück nach Hause zu müssen, ist belastend

Dabei sieht sie als Wissenschaftliche Hilfskraft gelegentlich die Kolleginnen und Kollegen an der Uni und ist dankbar für ihre Wohngemeinschaft. Aber auch dort, sagt sie, „sitzt man die ganze Zeit vor dem PC“, über den inzwischen praktisch alles Studieren läuft, für alle. Einige ihrer Landsleute mussten wegen der Pandemie wieder zurück nach Brasilien, in die Elternhäuser – wo einige jetzt der Zeitverschiebung wegen um drei Uhr aufstünden, um sich in ihre Berliner Vorlesungen einzuschalten.

Einsamkeit und Überforderung, zurück zu den Eltern: Der ebenfalls eingeleadene Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde sieht ein Mehr an Depression als Folge. Der Bedarf an Sprechstunden steigt, die die Studierendenwerke – ebenfalls meist digital – verstärkt anbieten.

Die Studierenden drücken auch ganz praktische Existenzsorgen, für die Meyer auf der Heyde Zahlen hat. Mehr als ein Drittel sind auf Jobs neben dem Studium angewiesen, von denen haben wiederum 20 Prozent ihre Arbeit in der Pandemie verloren. Besonders hart trifft es die internationalen Studierenden. Sie machen 36 Prozent derer aus, die durch Corona in „bittere bis prekäre“ (so Meyer auf der Heyde) Lebensverhältnisse gerieten – das ist das Doppelte ihres Anteils an den Studierenden in Deutschland.

Optimismus überwiegt

Auch einen von Steinmeiers Gästen traf es: Ole Meißner, der an der Berliner Beuth-Hochschule Veranstaltungstechnik studiert, also auf ein Feld will, dem Corona besonders zugesetzt hat, war fünf Monate ohne Job. Er fand ein neues Feld: Seine Erfahrung und sein Wissen waren in der Architektur gefragt. Auch andere Chancen der Krise – oder Möglichkeiten, ihr zu trotzen – werden benannt. Die digitale Lehre habe sich sehr verbessert, sagt Meißner. Jacqueline Niemitz, HU-Studentin der Bildungswissenschaften, nutzt das ausgefallene dänische Auslandssemester, um ihre Masterarbeit vorzuziehen, Willi Stieger kann sein russisches durch eines in Slowenien ersetzen.

Als „verlorene Generation“ sehen sich Steinmeiers Gäste nicht, der Optimismus überwiegt auf Nachfrage des Präsidenten. Immer vorausgesetzt, wie Jan Hollander sagt, Medizinstudent an der Charité, „dass der Spuk bald ein Ende hat“.

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