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Das Universitätsgebäude «Holzlaube» der Freien Universität in der Fabeckstraße.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / dpa/Jens Kalaene

Ein Rest kolonialen Grauens: Neue Knochenfunde an der Freien Universität Berlin

An der FU wurde die Herkunft von Menschenknochen in einer Sammlung untersucht: Zwei Gebeine stammen aus der rassisch motivierten Sammlung eines Kolonial-Anthropologen.

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An Provenienzforschung kommt heute kaum eine Kunstsammlung vorbei, basierten doch westliches Wissen und Kultur bis ins 20. Jahrhundert hinein auf der Ausbeutung kolonialer Gebiete. Ebenso sollte geprüft werden, auf welchen Wegen so manche wissenschaftliche Lehrsammlungen an die Universitäten gelangten – dies zumindest dachte sich die Biologiestudentin Vanessa Hava Schulmann angesichts der Sammlung menschlicher Gebeine (Human Remains), die die Zoologie der FU Berlin umfasst. Und stieß dort ein Projekt an, dessen Arbeit und Erkenntnisse die Universität jetzt bekannt machte.

Die Zoologische Lehrsammlung am Institut für Biologie besteht vor allem aus nicht-menschlichen Präparaten. Dass sie auch menschliche Überreste enthalte, sei insofern nicht überraschend, als die Humanbiologie zur Allgemeinen Biologie gehöre und eine lange Geschichte habe, heißt es auf der Projektwebsite. Bei älteren Beständen ist nicht auszuschließen, dass diese auf eine Weise erworben wurden, die der heutigen Ethik widerspricht.

Im November 2021 begann Schulmann, mit einem Team von Dozent:innen des Instituts die Human Remains der FU-Sammlung zu untersuchen: darunter 20 Schädel, Kiefer-Fuß-, Hand- und Schenkelknochen sowie mehrere fast vollständig erhaltene Skelette. Bei einigen sei „aufgrund der Dokumentation und des Erscheinungsbilds ein Unrechtskontext nicht auszuschließen“, befand das Provenienzteam.

Einen Oberarmknochen und einen Unterkieferknochen konnte die Gruppe mithilfe des Provenienzforschers Andreas Winkelmann von der Medizinischen Hochschule Brandenburg als Teile der Sammlung Felix von Luschans identizifieren, die der Arzt und Anthropologe um 1900 für das „Königliche Museum für Völkerkunde“ in Berlin zusammenstellte, dem 1873 gegründeten Vorläufer des Ethnologischen Museums.

6300
Schädel umfasste Luschans rassenideologische Sammlung

Die sogenannte „S-Sammlung“ ist der FU zufolge 1925 auf die Berliner Universitäten verteilt und einst für menschenverachtende Rassenforschung genutzt worden. Sie habe 6300 menschliche Schädel umfasst, knapp 5500 seien noch in Berlin erhalten. Die beiden besagten Knochen aus FU-Besitz seien im Juli vergangenen Jahres ans Museum für Vor- und Frühgeschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben worden, das die Herkunft menschlicher Gebeine der Luschan-Sammlung wissenschaftlich aufarbeitet.

Weitere der untersuchten Gebeine könnten aus der Anatomischen Sammlung der FU stammen, so der Befund. Aber auch medizinische Kontexte seien nicht immer ganz unproblematisch: Körperspenden könnten in der Vergangenheit unter ethisch fragwürdigen Umständen erlangt worden sein, hält das Team fest. Hier werde noch weiter geforscht.

Die FU beschäftigt sich mit den jetzt vorgestellten Funden nicht zum ersten Mal mit Fragmenten, die Verbindungen zur Kolonialzeit oder auch zu NS-Verbrechen haben könnten. Seit 2015 wurden auf dem Campus in Dahlem mehr als 16.000 Knochen ausgegraben, die höchstwahrscheinlich zu Resten der Sammlung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie gehören. Diese Ausgrabungen waren unabhängig von dem am Dienstag präsentierten Provenienzforschungsprojekt.

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