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Schwerelos mag es zugehen, aber ein lockerer Job ist Raumfahren nicht. Auch bezüglich Arbeitskleidung gelten strenge Vorschriften. Und Spaziergänge, wie hier Esa-Astronaur Luca Parmitano 2014 einen unternimmt, sind nie Freizeitgestaltung.

© picture alliance/dpa/Nasa

Ein Job mit ziemlich weiten Dienstreisen: Europäische Weltraumagentur sucht Besatzung

Die Esa sucht ab März wieder Astronauten, und das explizit „m/d/w“. Wer es schafft, fliegt vielleicht zum Mond.

Wer schon immer mal die Erde von oben sehen oder zum Mond fliegen wollte, hat nun wieder Chancen, diesen Traum wahr werden zu lassen. Die Europäische Raumfahrtagentur Esa sucht erneut Bewerber für den Job als „Astronaut (m/w/d)“. Die Ergänzung in Klammern ist hier nicht nur pro forma, sondern sehr bewusst gesetzt. Denn dieses Mal erklärt die Esa die Diversität zu einem besonders wichtigen Punkt im Auswahlprozess.

Offenbar soll die kommende Auswahlrunde anders enden als die letzte. Da wurden im Frühjahr 2009 Alexander Gerst und vier weitere Männer präsentiert, sowie eine Frau, Samantha Cristoforetti aus Italien. 2015 kam noch Matthias Maurer zum hinzu, der Ende dieses Jahres erstmals ins All fliegen soll. Er wäre der zwölfte Deutsche da oben. Eine deutsche Astronautin hingegen wird man vorerst nicht im Orbit erleben. Die private Initiative „Die Astronautin“, die das ändern will, hat es bisher nicht geschafft, das nötige Geld für ein Ticket aufzutreiben.

Die neue Bewerbungsrunde beginnt am 31. März und geht bis zum 28. Mai. Es folgt ein sechsstufiger Auswahlprozess, der im Oktober 2022 beendet sein soll. Weitere Einzelheiten dazu will die Esa am Dienstagmittag in mehreren Online-Pressekonferenzen erläutern.

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Texas, Russland oder sonstwohin

Ulrich Walter flog selbst 1993 ins All. Seit 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU München. Er ist in der Branche bestens vernetzt, kennt die Auswahlprozeduren gut. „Es wird wirklich alles überprüft“, sagt er, „gesundheitliche Fitness, Belastbarkeit, persönliche Integrität, Loyalität gegenüber der Esa, kann der Bewerber bei öffentlichen Auftritten überzeugen, und so weiter.“

Die Männer und Frauen müssten überzeugend darlegen, dass sie den Job unbedingt wollen. Wer nicht so recht wisse, ob er für ein halbes Jahr zur Nasa nach Houston oder nach Russland ins Sternenstädtchen oder sonstwohin gehen würde, werde gleich aussortiert. „Diese Bereitschaft betrifft nicht nur einen selbst, auch die Familie muss das unterstützen“, sagt er. Die Debatte darum, den Frauenanteil zu erhöhen, kennt Walter. Er unterstützt das Ziel, es sei „sinnvoll und nicht zum Nachteil der Männer.“

Rückblende: 2008 bewarben sich 9199 Personen, 8400 erfüllten alle formalen Kriterien, der Frauenanteil lag bei 16 Prozent. „Am Ende blieben 22 Personen übrig, von denen jede geeignet war“, erinnert sich Walter. Dann habe der damalige Esa-Chef Jean-Jacques Dordain ein zusätzliches Kriterium eingeführt, nämlich, welches Land wie viel Geld an die Esa zahle. Wenig überraschend waren dann Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien unter den letzten sechs vertreten.

Der künftige Esa-Chef Josef Aschbacher, so Walter, könnte jetzt aber am Schluss als persönliches Kriterium ein bestimmtes Geschlechterverhältnis fordern. „Die 20 oder 30 Personen, die es bis dorthin geschafft haben werden, sind alle super, jede weitere Auswahl hat keinen Einfluss auf die Qualität.“ Walter würde es gern sehen, wenn dieses Mal mehr Frauen berufen und auch budgetmäßig kleinere Esa-Länder stärker berücksichtigt würden.

Ein Herzensprojekt

Claudia Kessler, Gründerin der Initiative „Die Astronautin“, fordert noch mehr: „Ich bin für eine 100-Prozent-Frauenquote, um endlich einen Ausgleich zu schaffen." Von 37 Europäern, die bisher im All waren, seien gerade drei weiblich. „Und am liebsten würde ich viele Esa-Mitgliedsstaaten vertreten sehen, die noch niemanden im Astronautenkorps haben, etwa aus Osteuropa.“

Kessler kennt die Esa. Sie hatte sich für die Nachfolge des scheidenden Generaldirektors Johann-Dietrich Wörner beworben, gewählt wurde bekanntermaßen Aschbacher. Sie weiß, dass derartige Wünsche schnell im politischen Getriebe der Agentur zerrieben werden.

Das träfe wohl ebenso ihre dritte Forderung: Astronauten sollten grundsätzlich nur einmal fliegen und dann Platz machen für die nächsten. So gäbe es mehr Persönlichkeiten, die in ihren Ländern und insbesondere bei Frauen für Raumfahrt und Technologie im Allgemeinen werben. Die zusätzlichen Ausbildungskosten, sagt sie, seien gering gegenüber den Flugkosten.

Ihr Herzensprojekt „Die Astronautin“ möchte Kessler weiterführen. Die zwei Kandidatinnen, die Meteorologin Insa Thiele-Eich und die Astrophysikerin Suzanna Randall, würden auf dem Trainingsstand gehalten. Der Plan, eine von ihnen als Wissenschaftsastronautin für eine Kurzmission auf die Internationale Raumstation (ISS) zu schicken, bleibe bestehen. Rund 50 Millionen Euro muss sie dafür auftreiben.

Zusätzlich hat sie Aschbacher eine Kooperation angeboten. Denn es werde, falls jetzt Frauen ausgewählt würden, „noch bis Ende der Zwanzigerjahre dauern, ehe die kommenden Astronautinnen der Esa einsatzbereit sind“.

Dienstreisen zum Mond

Bei der Agentur ist man gerade sehr bemüht, bei der neuen Bewerbungsrunde ja keine Fehler zu machen. Die Esa ermutige Frauen ausdrücklich dazu, sich zu bewerben, heißt es in einer Mitteilung. „Diversität“, steht dort zu lesen, „ist für die Weltraumagentur von größter Wichtigkeit“.

David Parker, Esa-Direktor für Astronautische und Robotische Exploration, geht noch weiter, wenn er sagt, „sämtliche Gruppen unserer Gesellschaft abzubilden“ sei ein Bestreben, „das wir sehr ernst nehmen“. Dabei solle „die Diversität nicht nur auf die Herkunft, das Alter, den Hintergrund oder das Geschlecht unserer Astronautinnen und Astronauten abzielen, sondern eventuell auch auf Menschen mit körperlichen Behinderungen“. Er wolle diesen „Traum wahr werden lassen“ und starte deshalb parallel zur Rekrutierung neuer Astronautinnen und Astronauten ein „Parastronaut Feasibility Project“, um die Möglichkeiten zu evaluieren.

Wer sich bewirbt und es bis ins Finale schafft, hat in jedem Fall reizvolle Jobperspektiven. Es geht um Flüge zur ISS und, da sich die Esa am Mondprogramm der Nasa beteiligt, etwa ab 2030 auch um Dienstreisen zum Mond. Das Gehalt ist gut, aber nicht überirdisch. Je nach Alter, Erfahrung und Position liegt es zwischen etwa 5000 und 9000 Euro im Monat plus Zuschlägen. Aber man kann im Orbit ja auch nicht groß shoppen gehen. Dafür gibt es ein Zimmer mit Ausblick, für das Weltraumtouristen schon Millionen bezahlt haben.

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