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Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer HIV (Humane Immunschwäche-Viren) Erreger der Immunschwäche-Krankheit Aids. In einem sehr seltenen Fall hat ein weiterer Patient durch eine spezielle Behandlung seine HIV-Infektion offenbar überwunden.

© dpa/Hans Gelderblom/Robert Koch Institut

„Düsseldorfer Patient“ frei von Aids-Viren: Dritte HIV-Heilung durch Stammzellen gelungen

Der „Berliner Patient“ Timothy Brown war der erste, dem HIV-resistente Blutstammzellen ein Leben ohne das Aids-Virus ermöglichten. Aber kommt das Verfahren auch für HIV-Patienten in Frage, die nicht krebskrank sind?

Nehmen Sie es nicht zu schwer“, habe der Arzt gesagt, nachdem er dem heute 53-jährigen Mann seine Diagnose einer HIV-Infektion mitgeteilt hatte, und versuchte ihm Mut zu machen: „Wir werden zusammen erleben, dass HIV geheilt werden kann!“ Er habe das damals als leeres Versprechen abgetan, so erzählt der ehemalige Patient. Nun aber gilt er, nach einer spektakulären Behandlung, als der erst dritte Patient weltweit, der von einer HIV-Infektion geheilt werden konnte – nach dem „Berliner Patienten“ Timothy Rae Brown 2007 und einem 2019 in London Behandelten.

Ausweitung der Therapie für nicht-krebskranke HIV-Infizierte ist erstmal weiterhin unrealistisch.

Jürgen Rockstroh, Uniklinik Bonn

Im Fachblatt „Nature Medicine“ beschreibt das Forschungsteam um Guido Kobbe von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, wie dem 2008 infizierten und 2011 zusätzlich an Blutkrebs erkrankten Patienten 2013 HIV-resistente Blutstammzellen einer Spenderin transplantiert wurden. Wie schon bei den beiden anderen Behandlungserfolgen weckt nun auch der „Düsseldorfer Patient“ Hoffnungen, dass dieser Therapieansatz auch für andere, nicht krebskranke HIV-Patienten ein Weg sein könnte, die Aids-Viren loszuwerden und auf die tägliche Medikamentendosis zur Unterdrückung des Virus zu verzichten.

Portraitfoto von Timothy Brown
Timothy Ray Brown „Berliner Patient“ berühmt gewordene Mann galt als erster HIV-infizierter Mensch als geheilt.

© Michael Reynolds/EPA/dpa

Allerdings gibt es einen Grund, warum es erst bei drei Menschen eine vollständige Vertreibung der HI-Viren gelungen ist: Die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering, in kurzer Zeit einen Spender zu finden, dessen Blutstammzellen einen kompatiblen Gewebetyp haben, und die gleichzeitig eine eher seltene Mutation „Delta-32“ im CCR5-Gen aufweisen, die HI-Viren den Weg in die Blutzellen versperrt. Außerdem ist eine solche Stammzelltransplantation keineswegs risikofrei, da zuvor die körpereigenen Blutstammzellen entfernt und die gespendeten anwachsen müssen. Der Berliner Patient hätte die Prozedur 2007 fast nicht überstanden.

Ein Arzt nimmt bei der Berliner Aids-Hilfe e.V. an dem Finger eines jungen Mannes Blut ab (Archivbild von 2016).

© dpa

Aber könnte man nicht die resistent machende Mutation ins Erbgut der Spenderstammzellen schreiben? Etwa mit Hilfe von gentechnischen Werkzeugen wie der Genschere Crispr/Cas9? Seit Forscher von der resistent machenden Mutation wissen, und spätestens seit der Heilung Timothy Ray Browns, wird an solchen Konzepten gearbeitet. Schon lange bevor an die Crispr-Genschere zu denken war, hatte etwa die kalifornische Firma Sangamo mit anderen („Zinkfinger“-)Genscheren Blutstammzellen verändert und sogar schon 2016 versucht, Patienten damit zu behandeln. Doch auf die Medikamente gegen HIV konnte bislang keiner der so behandelten Patienten verzichten.

Denn das Problem ist nicht allein das Verändern des Erbguts, das funktioniert im Prinzip. Es müsste aber bei mindestens 50 Prozent der Blutzellen das CCR5-Gen verändert werden, um einen therapeutischen Effekt zu erzielen, meint der Genforscher Toni Cathomen vom Universitätsklinikum Freiburg. In dessen Labor sei es mittlerweile zwar möglich, etwa 90 Prozent der CCR5-Genvarianten in Blutstammzellen auszuschalten. Allerdings müsse der Ansatz erst noch im Rahmen einer klinischen Studie in HIV-positiven Lymphompatienten getestet werden.

Auch müssten von diesen veränderten Zellen sehr viele hergestellt werden. Denn die patienteneigenen Blutstammzellen im Knochenmark auszuradieren und durch neue zu ersetzen, wie es bei Krebskranken vor der Stammzelltransplantation nötig ist, um ihr Leben zu retten, würde man bei HIV-Patienten, die aufgrund ihrer antiviralen Therapie nicht unmittelbar um ihr Leben fürchten müssen, nicht riskieren. „Das Risiko, das zurzeit mit einer Stammzelltransplantation verbunden ist, ist meines Erachtens für ‚gesunde‘ HIV-Infizierte deshalb nicht vertretbar“, sagt Cathomen.

Auch Jürgen Rockstroh von der Uniklinik Bonn hält eine Ausweitung des Therapieansatzes bei HIV-Infizierten ohne Krebs für „erstmal weiterhin unrealistisch“. Alle Blutzellen (vom Typ CD4) im Blut eines HIV-Infizierten resistent zu machen, sei „nicht unbedingt für alle Zellen erreichbar, so dass immer ein Reservoir von nicht gentherapeutisch veränderten Zellen verbleibt.“ (mit smc)

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