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Zwei im Zentrum. Ein Paar von „Roten Zwergen“, umhüllt von Staub. Daraus könnten Planeten entstehen. Diese Konstellation fanden Astronomen 350 Lichtjahre von uns entfernt.

© Abb.: David A. Aguilar (CfA)

Astronomie: Doppelsterne: Geburt als Drillinge

Störungen schleudern einen Stern in eine weite Bahn – die beiden anderen rücken untrennbar eng zusammen.

Von Rainer Kayser, dpa

Etwa die Hälfte aller Sterne bilden Doppelsysteme: Zwei Sterne, gemeinsam aus einer großen Gaswolke geboren, die sich gegenseitig umkreisen. Doch manche Doppelsterne fallen aus dem Rahmen. Ihre Abstände sind sehr viel größer als die Gaswolken, aus denen sich Sterne typischerweise bilden. Wie können solche Systeme entstehen? Eine mögliche Antwort darauf wäre, dass die beiden Sterne erst später zueinanderfinden. Solche Vorgänge sind möglich, wenn aus einem größeren Wolkenkomplex entstandene Ansammlungen von Sternen sich im Verlauf von Jahrmillionen auflösen.

In jüngster Zeit sind Astronomen jedoch bei vielen der weiten Doppelsterne darauf gestoßen, dass es sich in Wahrheit um Dreifachsysteme handelt. Ein Beispiel dafür ist unser nächster Nachbarstern Proxima Centauri, der mit Alpha Centauri ein weites System mit dem 15 000-fachen Abstand Erde–Sonne bildet. Alpha Centauri selbst ist wiederum ein enger Doppelstern mit einem mittleren Abstand von 24 Erdbahnradien. Solche hierarchischen Dreifach-Systeme sind mit der Einfang-Hypothese nicht zu erklären.

Die Beobachtungen brachten den dänischen Astronomen Bo Reipurth von der Universität Hawaii und seinen finnischen Kollegen Seppo Mikkola von der Universität Tartu aber auf eine andere Idee: Vielleicht entstehen diese Systeme zunächst als Sternen-Drilling aus einer gemeinsamen Gaswolke. Die beiden Forscher haben deshalb die Bahnbewegungen von 180 000 solchen Triplets von ihrer Geburt in einer dichten Gaswolke bis zu einem Alter von 100 Millionen Jahren simuliert.

Die jetzt im Fachblatt „Nature“ vorgestellten Ergebnisse der Computersimulationen zeigen, dass gegenseitige Bahnstörungen in 90 Prozent der Fälle dazu führen, dass einer der drei Sterne vollständig aus dem System hinausgeworfen wird. Zurück bleibt also ein normaler Doppelstern. In den verbleibenden zehn Prozent bildet sich jedoch ein stabiles, hierarchisches System heraus: Ein Mitglied des Dreifachsterns wandert sehr weit nach außen, während die Bahnen der beiden anderen noch enger werden.

„Das Schrumpfen der Bahnen dieser beiden Sterne liefert die Energie für das Hinausschleudern des dritten Sterns“, schreiben Reipurth und Mikkola. „Aus der Entfernung sehen die beiden Sterne dann wie ein einzelner Stern aus.“ Bei ihren Computersimulationen sind die beiden Forscher zunächst davon ausgegangen, dass alle drei Sterne die gleiche Masse besitzen. Weitere Berechnungen müssen nun zeigen, ob auch bei unterschiedlichen Sternmassen solche hierarchischen Dreifach-Systeme entstehen.

Und natürlich muss mit hoch auflösenden Beobachtungen überprüft werden, ob tatsächlich bei allen weiten Sternenpaaren ein verkapptes Dreifachsystem vorliegt. Bisherige Untersuchungen zeigen bei 30 Prozent, dass einer der beiden Sterne wiederum ein enger Doppelstern ist, aber das ist nur eine untere Grenze. Je weiter die Sterne entfernt sind, desto schwieriger ist es selbst mit den größten Teleskopen, die wahre Natur enger Doppelsterne zu entlarven.

Und in einigen Fällen könnte die Suche sogar vergebens sein. „Unsere Simulationen berücksichtigen nicht, dass sich die Umlaufbahnen nach der Entstehung eines hierarchischen Systems weiter entwickeln können“, berichten Reipurth und Mikkola. Da der Prozess unmittelbar nach der Sternengeburt abläuft, ist das junge System noch in eine Scheibe aus Gas und Staub eingehüllt. Das könne, vermuten die Forscher, dazu führen, dass das enge Paar sich auf einer Spiralbahn immer weiter aufeinander zu bewegt und schließlich miteinander kollidiert und zu einem einzigen Stern verschmilzt. Obwohl das System ursprünglich aus drei Sternen entstanden ist, könne es sich also zu einem echten weiten Paar aus nur noch zwei Sternen entwickeln. In diesen Fällen kann einzig eine genaue Untersuchung der Beschaffenheit der Sterne Aufschluss über ihre Entwicklungsgeschichte geben.

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