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Brennende Häuser in einer Videoinstallation zum Gedenken an den deutschen Überfall auf Polen 1939.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Diskussion um Denkmal für polnische NS-Opfer: Nur ein Museum kann der deutschen Besatzungs- und Vernichtungspolitik gerecht werden

Ein Denkmal für die osteuropäischen Opfer der deutschen Besatzer? Über die komplexe Frage der Kollaboration kann nur ein Museum aufklären. Ein Gastbeitrag.

In Deutschland wird zurecht die Errichtung eines Denkmals oder Museums für die durch die deutschen Besatzer ermordeten und verfolgten Polen oder Osteuropäer diskutiert. Es ist zu hoffen, dass diese Debatte vielschichtig verlaufen und kritisch geführt wird und dass es zur Errichtung eines Museums oder Denkmals kommen wird, das möglichst wenige Opfergruppen deutscher Besatzungs- und Vernichtungspolitik auslassen wird.

Da ich die Debatte mit Interesse verfolge und seit über vier Jahren an einer Monografie über die polnische Kollaboration mit den deutschen Besatzern arbeite, möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, der für den weiteren Verlauf der Diskussionen über die Errichtung des Denkmals oder Museums relevant sein könnte.

Den Verfolgten und Ermordeten gebührt ein Gedenken in Berlin

Es steht außer Frage, dass Millionen von Osteuropäern, die von den Besatzern unterdrückt, verfolgt und ermordet wurden oder als Zwangsarbeiter nach Deutschland geschickt wurden, eine empathische und würdevolle Erinnerung in Berlin verdienen. Wie der Historiker Martin Aust betonte, gehen die Zahlen der Opfer aus den jeweiligen Ländern in die Millionen, weshalb die Errichtung eines zentralen Denkmals für alle Opfer oder mehrerer Denkmäler für die jeweiligen Nationalitäten in Betracht gezogen werden sollte. Der Historiker Stephan Lehnstaedt wies zu Recht darauf hin, dass ein Museum geeigneter wäre als ein Denkmal, um über die Besatzungszeit zu informieren und die Vergangenheit vielschichtig zu beleuchten.

Ein Porträtfoto von Grzegorz Rossoliński-Liebe, Historiker an der FU Berlin.
Grzegorz Rossoliński-Liebe arbeitet als Historiker an der Freien Universität Berlin.

© Privat

Forschungen über die Kollaboration während der deutschen Besatzung, die auch intensiv durch das von Barbara Engelking geleitete Warschauer Zentrum zur Erforschung des Holocaust (Centrum Badań nad Zagładą Żydów) und auch von anderen Historikerinnen und Historikern durchgeführt werden, zeigen, dass die Grenze zwischen Opfer und Täter im besetzen Osteuropa keinesfalls immer klar war. Die Vorstellung, dass Opfer der deutschen Besatzung eine Gruppe von Menschen waren, die man von der Gruppe der Mittäter und Kollaborateure scharf trennen kann, ist falsch und sollte bei der Konzeptualisierung eines Museums oder Denkmals berücksichtigt werden.

Die Besatzer dabei unterstützt, ein Ghetto zu errichten

Nehmen wir als Beispiel einen Bürgermeister, der die deutschen Besatzer dabei unterstützte, ein Ghetto in seiner Stadt zu errichten, sich dafür einsetzte, dass die Kommunalverwaltung von der Versorgung des Ghettos mit Strom und Wasser profitiert, Gewinn bei der Verteilung oder Vermietung der „verlassenen“ jüdischen Häuser und Wohnungen machte und auch Pferdewagen organisierte, um die Juden aus dem Ghetto zu den Deportationszügen zu befördern. War der Bürgermeister ein Opfer oder Täter der deutschen Besatzung, wenn ihn die Gestapo nach der Aussiedlung der Juden wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit dem Widerstand ins Konzentrationslager schickte oder erschoss?

Dieses Beispiel ist keine Ausnahme, sondern ein biographisches Verhaltensmuster, das sich auf einen Teil nichtjüdischer Polen, Ukrainer, Litauer und anderer Bewohner des durch NS-Deutschland okkupierten Osteuropa beziehen lässt.

Dabei handelte es sich nicht nur um Beamte und Angestellte wie die Bürgermeister, Vögte, Bahnwächter oder Polizisten, sondern um einen Teil „gewöhnlicher“ Polen, Ukrainer oder Litauer, die sich während der Besatzung keineswegs immer positiv oder „neutral“ gegenüber ihren jüdischen Nachbarn verhielten. Selbst wenn nur wenige aktiv mit den deutschen Besatzern kollaborierten, sahen viele stillschweigend der Verfolgung und Ermordung ihrer jüdischen Nachbarn zu, von der sie in der Regel profitierten.

Was ein Denkmal alleine nicht leisten kann

Da in vielen polnischen, litauischen und ukrainischen Städten Juden über 30 Prozent der Bevölkerung ausmachten, haben wir es hier mit einem Aspekt des Zweiten Weltkrieges zu tun, den wir bei der Debatte über ein Denkmal oder Museum für polnische oder osteuropäische Opfer der deutschen Besatzung nicht aus den Augen verlieren sollten. Schließlich sollte betont werden, dass nur ein Museum beziehungsweise eine Gedenkstätte die Komplexität der Besatzung vermitteln kann. Ein Denkmal allein kann das nicht leisten.

Grzegorz Rossoliński-Liebe

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