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Update

Digital gegen die vierte Welle: Leopoldina fordert Stärkung der digitalen Pandemiebekämpfung

Pandemien können nur bekämpft werden, wenn die Bevölkerung Maßnahmen mitträgt. Dazu sollte sie digitale Werkzeuge haben, fordert die Leopoldina.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat „Ansatzpunkte für eine Stärkung digitaler Pandemiebekämpfung“ benannt.

Fünfzehn Autorinnen und Autoren fordern in einem am Montag veröffentlichtem Diskussionspapier digitale Werkzeuge, die die Kontaktverfolgung automatisieren, den Gesundheitsämtern Arbeit abnehmen und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Daten unterstützen. Dazu gehören Werkzeuge wie die Corona-Warn-App, die Luca-App, Wearables und die Digitalisierung der Prozesse in den Gesundheitsämtern.

„Wir befinden uns gerade in einer gefühlten Ruhephase, wissen aber, dass durch neue Virus-Varianten und saisonale Effekte weitere Wellen zu erwarten sind“, sagte Thomas Lengauer, Mitglied des Leopoldina-Präsidiums dem Tagesspiegel. Die Zwischenzeit sollte genutzt werden, um die Bewältigung dieser Wellen vorzubereiten, so der Informatiker und Mitverfasser.

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Hohe Nutzungsraten verbessern die Warnfunktion

Das Diskussionspapier wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, da sich die Delta-Variante des Coronavirus zunehmend verbreitet und in Deutschland eine vierte Welle des Infektionsgeschehens erwartet wird. Der Einsatz digitaler Werkzeuge werde auch vorläufig notwendig bleiben, da ungeklärt ist, wie lange Geimpfte und Genesene immun sind, schreiben die Wissenschaftler:innen.

Die Bekämpfung der Pandemie könne nur effektiv gelingen, wenn Bürgerinnen und Bürger aktiv mitwirken. Digitale Werkzeuge seien wichtige Instrumente, um die Bevölkerung einzubinden. „Voraussetzung ist allerdings, dass sie Vertrauen in diese Werkzeuge hat, diese rechtskonform entwickelt und eingesetzt werden und man sie entsprechend bedienen kann“, heißt es in dem Papier.

„Es hat zum Teil an Engagement gefehlt, sowohl, was die Verfügbarmachung von Funktionalität angeht, als auch was die Aufklärung und Bewerbung der Hilfsmittel betrifft“, sagt Lengauer. Dabei seien hohe Nutzungsraten wichtig, etwa der Corona-Warn-App: „Eine Verdopplung der Nutzungsrate kann die registrierten Risikokontakte und entsprechenden Warnungen vervierfachen“, erklärt Lengauer.

Über die Datenspendefunktion der App seien Daten eingegangen, die zeigen, dass die Warnungen tatsächlich Infizierte in großer Zahl frühzeitig erreichen. „Dies war bisher nicht gegeben und sollte unbedingt besser kommuniziert werden“, sagt Lengauer. Es gebe Hinweise darauf, dass die automatisierten Warnungen ähnlich wirksam sein könnten wie die Kontaktaufnahme durch die Gesundheitsämter.

Bessere Daten für die Forschung

Für die Forschung reichen Qualität, Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der zu Versorgungszwecken erhobenen Daten häufig nicht aus. Daher sollten wöchentlich repräsentative, randomisierte Teststichproben in einer Größenordnung von etwa 100.000 Personen oder Haushalten als Datengrundlage für Forschungsprojekte erhoben werden, um das epidemiologische Geschehen und die Testpraktiken besser interpretieren zu können. Idealerweise sollten solche Daten europaweit in einheitlicher Form erhoben werden.

Die Infektiosität des Erregers sollte in repräsentativen Modellprojekten, zum Beispiel in Firmen oder bei Großveranstaltungen, untersucht werden. So könnten für die Übertragung wichtige Faktoren wie Abstand, Belüftung, Lautstärke beim Sprechen und weitere gemessen und die Übertragungen nachvollzogen werden. Die Übertragungswege besser zu verstehen kann helfen Risiken zu verringern und auch zu beurteilen, wie angemessen Kontakteinschränkungen sind.

Datenschutzkonforme Instrumente, Dienste und Verfahren sollten zügig entwickelt und aufgebaut werden, um mit entsprechender Einwilligung oder gesetzlicher Legitimation auch personenbezogene Daten für Forschungszwecke zu erheben und wissenschaftlich zielgerichtet auszuwerten.

Vorbereitung auf die nächste Pandemie

Die Digitalisierung der Gesundheitsämter und ihre Einbindung in die automatisierte Infektionskettennachverfolgung sollte „mit Nachdruck“ vorangetrieben werden. Dazu gehören die technische Aufrüstung vor Ort, einheitliche Schnittstellen in den verwendeten Softwaresystemen und Schulungen für das Personal. Zudem sollte benannt werden, genau welche Daten die Gesundheitsämter erheben sollen, um das Infektionsrisiko besser einschätzen zu können.

Bürgerinnen und Bürger sollen sich in Geschäften, in der Gastronomie und bei öffentlichen Veranstaltungen bundesweit digital registrieren können, bis die epidemische Lage besser ist. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Strategie für Einsatz und Weiterentwicklung der digitalen Helfer kontinuierlich abzustimmen.

Der konsequente Ausbau digitaler Werkzeuge sei zum erfolgreichen Management der Corona-Virus-Pandemie ebenso erforderlich wie für die Vorbereitung auf eine nächste Pandemie.

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