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Stammzellforschung: Die Uhr des Lebens zurückdrehen

Mit dem Durchbruch der US-Stammzellforscher rückt der Traum vom Jungbrunnen für jedermann näher.

Forscher klonen einen menschlichen Embryo aus einer Hautzelle. Was bedeutet das?

Das größte Wunder ist, dass es überhaupt funktioniert: die Uhr des Lebens zurückzudrehen. Nicht nur die Haut altert mit den Jahren, auch das Erbgut verändert sich. Ganz am Anfang, als Embryo, bestehen wir aus Urzellen. Stammzellen. Einige lernen zu denken: Sie entwickeln sich in Nervenzellen, bilden das Gehirn. Andere formen Herz, Nieren, Leber.

Dabei ist jede Stammzelle mit dem gleichen Erbgut ausgestattet. Sie wird zur Leber- oder Herzzelle, indem einige ihrer Gene (eben leber- oder herzspezifische Gene) biochemisch stillgelegt, andere aktiviert werden – ähnlich wie ein und derselbe Text eine andere Bedeutung bekommt, wenn unterschiedliche Leser mit einem Leuchtstift unterschiedliche Stellen markieren.

Der Traum der Stammzellforscher ist es, diese Markierungen zu löschen und alte, erwachsene Zellen (das heißt ihren steuernden Kern: ihre Gene) in ihren embryonalen Ursprungszustand zurückzuversetzen. Wenn das gelingen würde, dann wäre der eigene Körper für jeden von uns eine Quelle für Ersatzgewebe.

Wissenschaftler verfolgen hauptsächlich zwei Wege zu diesem Ziel. Die erste ist die „Dolly“-Methode (mit ihr wurde das Klonschaf Dolly geschaffen). Bis jetzt klappte das beim Menschen nicht.

Jetzt jedoch meldet das Team um Andrew French vom kalifornischen Unternehmens Stemagen in La Jolla einen Durchbruch: Die Forscher haben erstmals einen menschlichen Embryo geklont.

Sie gingen folgendermaßen vor (siehe Bild oben, ganz rechts): Sie nahmen zuerst eine Eizelle und entfernten das Erbgut. Als Nächstes kam der Spender ins Spiel, der im wahren Leben der Patient wäre. Ihm – es war ein Mann – entnahmen sie Hautzellen. In diesen Hautzellen lagert das „gealterte“ Erbgut des Mannes. Die Forscher nahmen dieses Erbgut und schleusten es in die „genetisch geleerte“ Eizelle. Und nun geschah das Wunder: Aus der Eizelle entwickelte sich ein Embryo mit bis zu 70 Zellen. Noch gelang es dem Forscherteam nicht, aus dem Embryo die begehrten Stammzellen zu gewinnen. „Daran arbeiten wir derzeit“, sagen sie. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch dies gelingen wird.

Das Wunder ist, dass sich das gealterte Genom aus der Haut des Mannes, sobald es in die Eizelle geschleust wird, offenbar wie von selbst verjüngt. Hierfür sorgen Moleküle im Zellsaft der Eizelle: Sie löschen die Markierungen. Die Zelle vermehrt sich – und es bilden sich Stammzellen mit dem Erbgut des Mannes. Diese Stammzellen wiederum lassen sich, das zeigen andere Experimente, zum Beispiel in Zellen verwandeln, die rhythmisch zucken: in Herzzellen. Mit ihnen ließe sich abgestorbenes Herzgewebe des Mannes ersetzen – ohne die Gefahr einer Abstoßungsreaktion.

Neben dieser klassischen Methode, die nun mit dem Durchbruch der Kalifornier ein gutes Stück verfeinert worden ist, gibt es noch einen anderen, zweiten Weg zur maßgeschneiderten Stammzelle. Pionier dieser Methode ist der Japaner Shinya Yamanaka (siehe Bild oben, Mitte).

Yamanakas Weg geht so: Der Forscher nimmt eine Hautzelle und knüpft sich das darin gealterte Erbgut ganz gezielt vor. Er tut das, indem er versucht, die Wirkung des Zellsafts zu imitieren. Die Moleküle im Zellsaft entfalten ihre verjüngende Wirkung letztlich, weil sie auf bestimmte Gene des gealterten Erbguts wirken. Sie schalten zum Beispiel die spezifischen „Hautgene“ ab. Dafür werden solche Gene angeschaltet, die in einer embryonalen Stammzelle eben üblicherweise aktiv sind. So verwandelt sich die Hautzelle in eine Stammzelle.

Also schleust der Japaner mithilfe von Viren Gene in die Hautzelle, die ihrerseits an den Knöpfen einiger Gene drehen. Das gealterte Erbgut der Hautzelle schaltet daraufhin auf „Embryonalprogramm“. Das Erbgut verjüngt sich, als befände es sich im Saft einer Eizelle. „Der Grad der Verjüngung ist aber nicht so stark wie bei der Klonmethode“, sagt der Stammzellforscher Jürgen Hescheler von der Universität Köln. Der Vorteil ist: Für diese Methode braucht man keine Eizellen und umgeht die ethisch umstrittene Embryonenbildung. Der Nachteil ist: Yamanaka braucht für seine Verjüngungskur – eventuell gefährliche – Viren und Extragene. Bislang.

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