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Bei der Zementherstellung wird mehr Kohlendioxid ausgestoßen als vom weltweiten Flugverkehr.

© Uwe Anspach/dpa

Die klimaschädliche Gier nach Zement: Klimakiller Beton

Kaum ein Neubau kommt ohne Beton aus. Doch die Herstellung verursacht jährlich Milliarden Tonnen CO2. Jetzt wird an Alternativen geforscht.

Beton hat schon lange ein schlechtes Image. In jüngerer Zeit ist noch ein weiteres Argument hinzugekommen: Er belastet das Klima. Daher wird intensiv daran geforscht, alternative Materialien wie Holz zu verwenden – oder den Beton klimafreundlicher zu machen.

Das eigentliche Problem ist der Zement. Ein graues Pulver, das mit Wasser vermengt ein gutes Bindemittel für Sand und Kies ergibt. Härtet die Mischung aus, ist sie so stabil, dass sie – etwa bei Autobahnen – täglich Tausende Autos trägt oder im Zusammenspiel mit Stahl Hochhäuser und Brücken ermöglicht, die jahrzehntelang stehen.

Doch bei der Zementherstellung, weltweit sind es gut vier Milliarden Tonnen im Jahr, entsteht viel Kohlendioxid: 2,8 Milliarden Tonnen, rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das liegt vor allem am Calciumoxid, das dafür benötigt wird. Gewonnen wird es aus Kalkstein, der im Wesentlichen aus Calciumkarbonat (CaCO3) besteht. Dieser wird gebrannt, wodurch CO2 frei wird und das ersehnte Calciumoxid (CaO) übrig bleibt.

Doch das ist nur die eine Hälfte der Emissionen. Bei dem Prozess werden der Kalkstein und weitere Inhaltsstoffe gemahlen und auf mehr als 1400 Grad Celsius erhitzt. Die dabei entstehenden Zementklinker werden erneut zerrieben und beispielsweise mit Gips versetzt. Um diese hohen Temperaturen zu erreichen, werden oft fossile Rohstoffe verbrannt, was die Klimawirkung verdoppelt.

Ein neuer Ansatz kommt vom MIT

Weltweit wird daran geforscht, die Zementproduktion klimafreundlicher zu machen. Einen neuen Ansatz stellen jetzt Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Fachjournal „PNAS“ vor. Anstatt das Calciumkarbonat zu erhitzen, geben sie es in eine Elektrolysezelle. Dort wird mittels Ökostrom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten und „nebenbei“ zugefügtes Calciumkarbonat in Calciumhydroxid umgewandelt. Letzteres lässt sich für die Zementherstellung nutzen, wobei aus der Zelle zusätzlich Wasserstoff und ein Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid strömt. Diese Gase ließen sich für weitere Prozessschritte nutzen, was die Effizienz erhöhe, schreibt das Team um Leah Ellis. Im günstigsten Falle könne die elektrochemische Zementherstellung ausschließlich mit Ökostrom betrieben werden.

Das Verfahren sei durchaus geeignet, vom Labor- zum Industriemaßstab zu wachsen, meint Dietmar Stephan, Professor am Fachgebiet Baustoffe und Bauchemie der TU Berlin. „Da es sich aber um einen völlig neuen Ansatz handelt, würde das Jahrzehnte dauern und damit weder kurz- noch mittelfristig zur Entlastung der CO2-Emissionen beitragen.“ Obendrein müsste hierfür zusätzlich Elektroenergie aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, die im Zuge der Energiewende ohnehin stark gefordert sind, den bestehenden Bedarf zu decken.

Ein weiteres Manko: „Die Forscher gehen von einem reinen Ausgangsstoff aus, den es in der Realität aber nur selten gibt.“ Zwar ließen sich die Rohstoffe entsprechend aufbereiten, doch das bedeute zusätzlichen Aufwand und Kosten.

"Eine Patentlösung gibt es nicht"

„Eine Patentlösung, die Zement schnell und effektiv klimafreundlich macht, wird es nicht geben“, sagt der TU-Forscher. „Es werden vielmehr verschiedene Schritte sein, die den Kohlendioxidausstoß verringern helfen.“ Eine Option besteht darin, den Anteil an Calcium im Bindemittel – mithin die klimaschädliche Umwandlung von Calciumkarbonat – zu verringern und etwa Gesteinsmehl, Vulkanasche oder Flugasche aus der Kohleverbrennung als Zusatzstoffe zu verwenden. „Zumindest wenn sie gut verfügbar sind“, schränkt Stephan ein. „Durch das Zurückfahren der Kohleverstromung in Deutschland fällt weniger Steinkohlen-Flugasche an, sodass es schon jetzt zu Engpässen kommt.“

Auch Reststoffe aus der Kaolin- und Aluminiumproduktion ließen sich nutzen, wie kürzlich Forscher der Universität Halle um Herbert Pöllmann gezeigt haben. Aber auch sie weisen darauf hin: „Die industriellen Reststoffe reichen nicht aus, um den globalen Zementbedarf zu decken.“

Kommt die Lagerung von Kohlendioxid wieder?

Und der dürfte in den nächsten Jahren noch deutlich steigen. Schätzungen zufolge wird sich bis 2060 die Zahl der Gebäude verdoppeln. Im Schnitt entsteht in den kommenden vier Jahrzehnten alle 30 Tage einmal New York City zusätzlich, haben Forscher ausgerechnet.

Im Schnitt entsteht in den kommenden vier Jahrzehnten einmal alle 30 Tage New York City zusätzlich.
Im Schnitt entsteht in den kommenden vier Jahrzehnten einmal alle 30 Tage New York City zusätzlich.

© Johannes EISELE / AFP

Damit rückt eine zweite Option in den Fokus: das Abtrennen und unterirdische Einlagern von Kohlendioxid, „Carbon Capture and Storage“ (CCS). Diese Idee wurde vor allem bekannt als Möglichkeit, Kohlekraftwerke klimafreundlicher zu machen. Aus technologischer und geowissenschaftlicher Perspektive ist sowohl das Abtrennen als auch der unterirdische Einschluss des Klimagases machbar.

Politisch gewollt ist es hierzulande aber nicht. Ob sich die Stimmung ändert, wenn die Klimaschutzverpflichtungen härter werden und CCS nicht mehr mit den unerwünschten fossilen Energieträgern in Zusammenhang gebracht wird, wird sich zeigen. Die Zementindustrie forscht jedenfalls längst daran, per CCS „sauberer“ zu werden. Nach Ansicht der EU muss die Mehrzahl der Zementfabriken auf dem Kontinent damit ausgerüstet werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Im EU-Projekt „Leilac“ (Low Emissions Intensity Lime And Cement) werden derzeit Verfahren zum Abtrennen des CO2 entwickelt. Im Sommer gelang es in einer Versuchsanlage in Belgien, Kohlendioxid mit einem Reinheitsgrad von mehr als 95 Prozent aus dem Prozess abzuscheiden.

Parallel dazu wird die unterirdische Lagerung vorbereitet. So hat am 5. September Heidelberg-Cement mit dem norwegischen Energiekonzern Equinor eine Absichtserklärung unterzeichnet. Demnach soll ab 2023 Kohlendioxid aus dem Zementwerk Brevik in leere Öl- und Gasfelder unter der Nordsee gebracht und dort dauerhaft gespeichert werden – immerhin rund 400 000 Tonnen pro Jahr.

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