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Studierende und Schüler bei einer Klimastreik-Demo im Herbst 2019 in Berlin.

© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Position zum Studierendenparlament: Die Hochschuldemokratie ist tot

Unter acht Prozent Wahlbeteiligung: Das Studierendenparlament wählen zu wenige, es braucht neue Formen der Teilhabe, schreibt unser Gastautor.

Die neuen Wahlen zum Studierendenparlament (Stupa) an der Freien Universität haben erneut gezeigt, was vielen schon lange klar war: Die sogenannte Hochschuldemokratie ist klinisch tot, auf dem Totenschein eine Wahlbeteiligung von kümmerlichen 7,62 Prozent vermerkt.

Vor gut zehn Jahren waren es noch über elf Prozent. Bundesweit sinken die Wahlbeteiligungen kontinuierlich, an vielen Hochschulstandorten liegen die Werte mittlerweile im einstelligen Bereich.

Im Dezember diskutierten Vertreterinnen aus Journalismus und Unigremien die Frage, warum es denn so schlimm um die studentische Mitbestimmung bestellt ist. Am Ende kam herum, dass alle Parteien – Abgeordnete, Hochschulleitung, kritische Beobachter – etwas zu bemängeln haben, aber die Fehler und den Handlungsbedarf jeweils bequem bei den anderen verorten.

Die wichtigen Entscheidungen träfen immer noch Hochschulleitung und Professorinnen, während andererseits die studentischen Vertreter intransparent handeln. Ach ja, und dann sind da noch die Studentinnen, die einfach nicht zur Wahlurne schreiten wollen.

Ich wage es nicht zu schätzen, welcher Anteil der Studis weiß, was der Asta überhaupt ist. Wenn nun der erleuchtete Teil dieser Studis herausfinden möchte, wer in diesem Exekutivgremium die Entscheidungen trifft, können sie das nicht, denn die vollständigen Namen der Mitglieder werden nicht veröffentlicht!

Doch damit nicht genug: Es gibt keine Berichte über die Beschlüsse des Studierendenparlamentes, außer die spärlichen Protokolle, die für Unbeteiligte kaum verständlich sind. Im vergangenen Semester war ebenjenes Stupa teilweise nicht beschlussfähig, da weniger als dreißig von sechzig Mitgliedern anwesend waren. Selbst die Abgeordneten haben bisweilen Wichtigeres zu tun.

Ein Porträtbild von Leon Holly.
Leon Holly, unser Gastautor, studiert an der Freien Universität Berlin und schreibt für "Furios".

© Bernd Wannenmacher

Die Frage wirft sich also von selbst auf: Ergibt es Sinn, das Modell der Repräsentation von der staatlichen Ebene in leichter Abwandlung auf die Hochschulen zu übertragen, wenn zwar auf dem Papier ein bisschen Demokratie ist, aber letztendlich niemand hingeht? (Nichtbeachtung und Desinteresse sind immerhin die schmerzhafteste Form der Ablehnung.) Viele Studentinnen und Studenten sehen ihre Hochschulbildung offenbar als angenehme Dienstleistung und sind im Großen mit der Lehre zufrieden.

[ Der Autor studiert an der FU im Master Nordamerikastudien und schreibt bei der Studentischen Campuszeitung „Furios“, wo der Text als Erstes erschienen ist.]

All diese Beobachtungen sollen keineswegs bedeuten, dass studentische Teilhabe nicht benötigt wird – zumal an der FU, die teilweise von Studenten gegründet wurde. Nach den vielen Schulstreiks hat mit leichter Verspätung auch an der FU die Klimabewegung Einzug gehalten, die „Fridays for Future“-Hochschulgruppe organisierte eine Klimastreikwoche und eine eigene Ringvorlesung.

Es sind solche herausragenden Themen, die viele Studentinnen ergreifen und politisieren. Der Protest wirkt: Die Hochschulleitung hat bereits den Klimanotstand ausgerufen und möchte bis 2025 klimaneutral werden, woran sie künftig gemessen werden kann.

Natürlich spricht auch bei „Fridays for Future“ eine lautstarke Minderheit, doch sie genießt allgemeine Sympathien und trifft ihre Beschlüsse in den Vollversammlungen durch Mehrheitsentscheid. Solch gemeinsames Handeln auf der untersten Ebene ist womöglich effektiver und allemal transparenter als das jetzige System der Repräsentation – selbst wenn mancher Pseudorepräsentant uns weiterhin überzeugen möchte, dass eine Demokratie ohne selbstbewussten Demos möglich ist.

Leon Holly

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