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Viele Frauen berichteten davon, Symptome ihrer Depression zu verstecken, weil sie befürchteten, als „schlechte Mutter“ beurteilt zu werden.

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Einsamkeit der Mütter: Warum Mutterwerden zu Depressionen führen kann und was dagegen hilft

Die Geburt eines Kindes führt häufig dazu, dass der Kontakt zu Freunden und Kolleginnen verloren geht. Die Einsamkeit ist ein Weg in eine psychische Erkrankung, doch eine Studie benennt Auswege.

Die Geburt eines Kindes ändert so gut wie alles, vor allem im Leben der Mütter. Der große Umbruch kann auch dazu führen, dass der Kontakt zum eigenen Netzwerk, zu Freunden, Arbeitskolleginnen, Peers, verloren geht. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift „BMC Psychiatry“ legt nahe, dass vor allem die Zeit rund um die Geburt für Frauen ein großes Risiko birgt, Depressionen zu entwickeln.

Depressionen kommen in der Perinatalperdiode häufig vor. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet damit den Zeitraum von der abgeschlossenen 22. Schwangerschaftswoche bis zum siebten Lebenstag des Kindes. Je nach Quelle in der Fachliteratur fängt die Spanne auch schon früher an und reicht bis über das erste Jahr des Kindes hinaus.

Klar ist, dass viele Frauen weltweit von perinataler Depression betroffen sind – eine von sechs Frauen in der Schwangerschaft, und eine von fünf in den ersten drei Monaten nach der Geburt, schreibt das Team des University College London (UCL) von der Abteilung für Psychiatrie in seiner aktuellen Arbeit.

Wenn Frauen früh in der Schwangerschaft verstehen, wie häufig Einsamkeit vorkommt und dass es in Ordnung ist, solche Gefühle zu empfinden, könnte dies Auswirkungen perinataler psychischer Erkrankungen verringern.

Sonia Johnson, Professorin für Sozialpsychiatrie am University College London

Auch wenn in vielen Studien berichtet wurde, dass Einsamkeit ein wichtiges Merkmal von perinataler Depression ist, so wurde die Wechselwirkung bislang nicht untersucht. Das britische Forschungsteam wollte das ändern und ist zwei Fragen nachgegangen: Welche Erfahrungen mit Einsamkeit machen Frauen mit perinataler Depression? Und was hilft und was verschlimmert die Einsamkeit?

Dafür werteten die Wissenschaftler:innen in einer Meta-Synthese 27 Studien aus vier Kontinenten, die Berichte von 537 betroffenen Müttern einschlossen.

Angst vor Stigma kann zu Selbstisolation und einem Rückzug aus dem eigenen Sozialleben führen.

© Getty Images / Maria Korneeva

„Wir wissen, dass Depression und Einsamkeit oft miteinander verbunden sind – das eine kann zum anderen führen – und dies gilt möglicherweise besonders für perinatale Depression“, sagt Hauptautorin und Medizinerin Katherine Adlington.

Was sie und ihre Kolleg:innen in der systematischen Analyse herausfanden: Viele Frauen berichteten davon, Symptome ihrer Depression zu verstecken, weil sie befürchteten, als „schlechte Mutter“ beurteilt zu werden. Das führte oft zu Selbstisolation und einem Rückzug aus dem eigenen Sozialleben.

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von sechs Schwangeren ist von perinataler Depression betroffen.

Manche berichteten von einem plötzlichen Gefühl der emotionalen Entfremdung nach der Geburt, von ihrem Baby, ihrem früheren Leben vor der Schwangerschaft sowie von anderen Müttern. Andere sprachen über ein Missverhältnis zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Unterstützung durch ihren Partner, ihre Familie und ihr soziales Netzwerk.

Die Angst vor Stigma und Verurteilung verstärkt laut der Forschenden die Einsamkeit, die wiederum die Depression bei den werdenden oder gerade gewordenen Müttern befeuere – und umgekehrt.

Langfristig wird auch das Kind beeinflusst

Zu weiteren Symptomen einer perinatalen Depression zählen anhaltende Traurigkeit, ein Gefühl der Leere, Hilflosigkeit, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit, Müdigkeit sowie Schlafprobleme. Sie kann nicht nur die Lebensqualität der (werdenden) Mütter beeinträchtigen, sondern auch den Umgang mit dem Kind verändern. Das wiederum kann sich langfristig negativ auf die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes auswirken.

Depressionen kommen in der Perinatalperdiode häufig vor. Häufig ist damit die Spanne von der abgeschlossenen 22. Schwangerschaftswoche bis zum siebten Lebenstag des Kindes gemeint.

© dpa/Felix Heyder

Die Untersuchung gab auch Aufschluss über mögliche Lösungen. „Wir haben herausgefunden, dass auch Fachkräfte im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Frauen zu helfen, sich in ihren Erfahrungen mit Einsamkeit gehört und bestätigt zu fühlen“, sagt Sonia Johnson, Professorin für Sozialpsychiatrie und leitende Studienautorin.

Mütter ermutigen, soziale Bindungen aufzubauen

Menschen, die mit werdenden Müttern arbeiten, etwa in Geburtsvorbereitungskursen oder -beratungen, sollten sich deshalb über die Bedeutung des Themas bewusst werden. Es sei wichtig, die Frauen zu ermutigen, gute soziale Beziehungen aufzubauen und diese zu pflegen. Auch eine verstärkte Unterstützung durch die Familie und Peers könne helfen, negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zu verringern.

Die Frauen berichten zudem, dass die Unterstützung durch andere Mütter, die ebenfalls unter perinataler Depression litten, hilfreich gewesen sei. Gespräche mit Müttern, denen es scheinbar gut ging, verstärkten dagegen ihr Gefühl der Einsamkeit.

„Wenn Frauen schon früh in der Schwangerschaft verstehen, wie häufig Einsamkeit vorkommt und dass es in Ordnung ist, solche Gefühle zu empfinden, könnte dies ein wichtiger Weg sein, um die Auswirkungen perinataler psychischer Erkrankungen zu verringern“, so Johnson.

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