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Eduard Mühle, Präsident der Europa-Universität Viadrina, spricht im November zur Eröffnung vom Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies., das sich mit der Geschichte und Kultur, Politik und Gesellschaft der Ukraine und Polens beschäftigen wird.

© dpa/Patrick Pleul

Deutschland, Polen, Ukraine: Forschung für eine gemeinsame Zukunft

An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt gibt es ein neues Forschungszentrum: Es wird sich mit der Geschichte, Kultur und Politik der drei Länder zwischen Rhein und Dnipro beschäftigen.

Mit der Entstehung des Zentrums für polnische und ukrainische Studien wird die Brücke über die Oder zwischen Frankfurt und Słubice zu einem Symbol der Verbundenheit nicht nur mit Polen, sondern auch mit der Ukraine. Schließlich sind die 717 Kilometer zwischen der östlichsten deutschen Universität und der nächstgelegenen ukrainischen Universität in Lwiw eine relativ kurze Entfernung.

Tatsächlich lag hier, an der Viadrina, bereits einige Jahre vor der russischen Invasion große wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf der Ukraine. Damals war dies noch lange kein genereller Trend. Seit 2017 bietet das Sprachzentrum der Viadrina einen ukrainischen Sprachkurs an. Und zur gleichen Zeit eröffnete die Universität den ersten Lehrstuhl für ukrainische Geschichte in Deutschland. Er wurde von Andrii Portnov geleitet. Der Historiker ist jetzt Co-Direktor des ukrainisch-polnischen Zentrums, zusammen mit seiner polnischen Kollegin Dagmara Jajeśniak-Quast, die das Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien an der Viadrina leitet.

Die ukrainische Forschung hat in Frankfurt mit der zentralen Universitätseinrichtung ein neues Niveau erreicht. Im Gegensatz zu anderen Projekten mit ukrainischem Schwerpunkt ist das VCPU als dauerhaftes Institut angelegt und ist damit einzigartig in Deutschland.

Zusammenarbeit zwischen drei Ländern

Laut Viadrina-Präsident Eduard Mühle soll sich eine trilaterale Kooperation zwischen der Ukraine, Polen und Deutschland entwickeln, „um in der Verflechtungsgeschichte, in der Verwobenheit der Geschichten und Gesellschaften die jeweiligen Gesellschaften zu verstehen“.

Kleine Flaggen der Ukraine und Polen sowie ein Anstecker der Europa-Universität Viadina sind bei der Eröffnung des Forschungszentrums zu sehen.
Kleine Flaggen der Ukraine und Polen sowie ein Anstecker der Europa-Universität Viadina sind bei der Eröffnung des Forschungszentrums zu sehen.

© dpa/Patrick Pleul

Die Region zusammen zu betrachten, erscheint jedem, der sie kennt, nur logisch. Und dennoch scheint das Vorhaben kühn: So konzentrieren sich zum einen transregionale Studien üblicherweise auf deutsch-russische oder deutsch-polnische Beziehungen. Zum andern sind die ukrainisch-polnischen Beziehungen grundsätzlich recht angespannt. In mancher Hinsicht ähneln sie den ebenso komplizierten Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Bei beiden spielen Differenzen, was die aktuelle politische Agenda betrifft, wie auch historische Konflikte und nationale Kränkungen eine Rolle. Doch je komplexer die Probleme sind, desto wichtiger ist es, sie zu analysieren, sagt die Co-Direktorin und Wirtschaftswissenschaftlerin Jajeśniak-Quast. 

Fachübergreifende Studien

Das Zentrum legt den Schwerpunkt auf historische und kulturelle Studien, hat aber einen fächerübergreifenden Ansatz. Denn es sind alle drei Fakultäten der Viadrina beteiligt: Kulturwissenschaften, Jura und Wirtschaft.

Jajeśniak-Quast denkt bereits über die wirtschaftlichen Aussichten nach, wenn die Ukraine Mitglied der EU wird: Wie wird sich dies auf die Beziehungen zu Polen auswirken und wird es nicht zu einem weiteren Spannungspunkt werden? „Sobald die Ukraine Mitglied der Europäischen Union wird, werden 70 Prozent aller Transfergelder direkt ins Land gehen und Polen auf ersten Blick verlieren.“ Auf den zweiten Blick dürfte dieser Markt, der in der Ukraine entsteht, für polnische Firmen und Investoren so viel bieten, dass auch Polen am Ende davon profitiere.

Portnov will sich in seiner Forschung am Zentrum nicht ausschließlich auf ukrainische Geschichte konzentrieren, bemerkt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Die Vergangenheit sollte auf jeden Fall in einem zeitgenössischen europäischen Kontext erforscht werden“.

An den Herausforderungen der Gegenwart kommt man am Ende auch hier nicht vorbei. Portnov sagt zum Krieg: „Wir alle – Deutsche, Polen, Ukrainer – haben uns in einer neuen historischen Realität wiedergefunden. Vielleicht hat noch nicht jeder verstanden, wie sehr sich die Welt verändert.“ In dieser neuen Realität ergreift die Viadrina die Chance, sich als ein führendes modernes Zentrum für Zentral- und Osteuropastudien zu profilieren.

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