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Hausen

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Harald zur Hausen: Der Virenjäger

Vom Außenseiter zum Gewinner: Kollegen bemitleideten ihn, nun ist Harald zur Hausen Medizin-Nobelpreisträger. Er bewies, dass Viren Krebs verursachen können - und machte seine Erkenntnisse auch noch zu einer konkreten Arznei.

Die Hippies zogen draußen an ihm vorbei, damals in den 1960er-Jahren – Harald zur Hausen, Nachwuchsforscher am Institut für Mikrobiologie in Düsseldorf, interessierte sich nicht für sie. Was ihn, den jungen Mediziner, Ende zwanzig, dagegen zutiefst faszinierte, war eine Idee, die damals kaum einer verfolgte, ja die viele als absurd abtaten: Es war die Idee, dass auch Viren Krebs auslösen können.

Heute, nach einer langen wissenschaftlichen Odyssee, nach so manchem Rückschlag und viel Widerstand, hat der Heidelberger Forscher für seine Entdeckungen einen Medizin-Nobelpreis bekommen. Heute ist klar: Ja, Viren können Krebs verursachen. Schätzungsweise 15 Prozent der weltweiten Krebsfälle gehen auf Viren zurück, die meisten davon auf Papillomaviren. Sie verursachen hauptsächlich Gebärmutterhalskrebs, wie zur Hausen nachgewiesen hat.

Bis dahin jedoch war es ein langer Weg. Eine entscheidende Wendung nahm seine Laufbahn als zur Hausen, Sohn eines Westfalen und einer Lettin, eines Tages von einer Einladung aus Philadelphia hörte: Die Virologen Werner und Gertrude Henle, Experten für das zu den Herpesviren gehörende Epstein- Barr-Virus, hatten ans Düsseldorfer Institut geschrieben, auf der Suche nach einem jungen Forscher. Der Institutsdirektor hatte den Brief weggeschmissen, erwähnte ihn jedoch im Gespräch mit zur Hausen. Dieser, eine Chance witternd, eilte zum Müllkorb: „Ich fischte den Brief heraus und ging nach Philadelphia.“ Die Henles entdeckten einerseits grundlegende Mechanismen von Virusinfektionen, andererseits hatten sie die Praxis und die Patienten nicht aus den Augen verloren: „Von der Petrischale zur Anwendung“ – so lautete ihre Maxime, die sich zur Hausen für seine weitere Karriere zur Brust nahm.

1969 kehrte er nach Deutschland zurück, gelangte über Stationen in Würzburg und Freiburg ans Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg, wo er 1983 Direktor wurde. Inzwischen hatte er sich auf den Papillomerreger spezialisiert, und in seinem Labor entdeckte man in Gebärmutterhalskrebsgewebe immer mehr Varianten dieses Virus.

Dennoch, was seine zentrale Hypothese betraf, blieben seine Kollegen skeptisch. Man bemitleidete ihn gar ob seiner Verbissenheit. Noch 1987 sagte ihm der Erfinder der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, Albert Sabin, es sei doch allen klar, „dass Viren nichts mit Krebs zu tun haben“. Pharmafirmen, die zur Hausen kontaktierte („ich bin damals regelrecht Klinken putzen gegangen“), gaben sich ebenfalls desinteressiert – zunächst.

Erst im Laufe der 1990er-Jahre, als sich zur Hausens Verdacht nicht nur im Labor, sondern auch anhand von Patienten bestätigte, wendete sich das Blatt.

Heute, nach gut 30 Jahren Forschung, gibt es bereits mehrere Impfstoffe gegen das Virus. Damit hat sich zur Hausen den Forschertraum schlechthin erfüllt: Er bewies nicht nur, dass er mit seiner Idee recht hatte, sondern durfte auch miterleben, wie aus ihr eine konkrete Arznei wurde, die Tausende von Menschen das Leben rettet. Mittlerweile ist zur Hausen 72 und verbringt seinen Tag nach wie vor im Labor. Ob er sich mit dem Preisgeld – eine halbe Million Euro – einen Wunsch erfüllen wird? „Für mich kam die Entscheidung so überraschend, dass ich noch gar nicht darüber nachgedacht habe.“

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