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Spannung vor dem Abflug: Die Vorderbeine des Spinnenmännchens (links) sind bei der Paarung angewinkelt.

© Shichang Zhang

Der Sprung des Spinnenmanns: Katapultgelenke retten Spinnen vor Partnerinnen

Weibliche Spinnen fressen nach der Paarung bisweilen ihre Partner. Männchen einer Art haben sich einen spektakulären Fluchtweg erschlossen.

Gottesanbeterinnen tun es und auch die Weibchen einiger Käferarten, aber vor allem Spinnen sind dafür bekannt: Sexueller Kannibalismus ist eine Fortpflanzungsstrategie. Das Weibchen frisst das Männchen nach oder auch schon während der Paarung auf. „Er“ konnte sich noch fortpflanzen und „sie“ erhält Energie und Nährstoffe für die Eierproduktion. Die Leib- und Leben-Investition des Männchens dient also auch seiner erfolgreichen Fortpflanzung.

Doch noch besser für ihn und den Fortbestand seiner Gene wäre es, mehr als einmal Gelegenheit dazu zu haben. Er könnte mehr Nachkommen hervorbringen, was die Evolution geeigneter Verhalten und Körpermerkmale zur Flucht nach der Paarung begünstigen sollte.

Einen besonderen Mechanismus haben die Männchen der Spinnenart Philoponella prominens entwickelt, berichtet jetzt ein internationales Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Current Biology“. Nach der Besamung katapultiert er sich mit seinen Vorderbeinen in Sicherheit. Ihr entgeht damit eine Mahlzeit, aber seine Fähigkeit zum Blitzabflug könnte der weiblichen Spinne immerhin als Hinweis darauf dienen, einen fitten Paarungspartner ausgewählt zu haben.

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Superschnelle Flucht vorm Kannibalismus

Ein Forschungsteam um Shichang Zhang von der Hubei-Universität in Wuhan, China, hat die Partnerwahl bei dieser Spinnenart untersucht. Die Tiere leben eher spinnenuntypisch in Gemeinschaften von bis zu 300 Individuen in einem Netzkomplex mit vielen einzelnen Netzen darin. „Wir haben beobachtet, dass die Paarung mit einem Katapultflug endet, der so schnell ist, dass herkömmliche Kameras die Details nicht klar aufzeichnen können“, sagt Zhang.

Mit hochauflösenden Videokameras ermittelte das Team eine durchschnittliche Geschwindigkeit der sich katapultierenden Spinnenmännchen von etwa 65 Zentimetern pro Sekunde. Einige brachten es fast auf 90. Sie beschleunigten mit durchschnittlich etwa 200 Sekundenmetern pro Sekunde, was in etwa dem Antritt eines Radrennprofis entspricht. Die Spinnen erreichen damit höhere Werte als Raketen, Achterbahnen und Flugzeuge bei Kunstflugmanövern.

Die Männchen nutzen dazu einen bislang nicht beschriebenen Mechanismus. Sie klappen ein Gelenk ihrer zwei Vorderbeine um und pressen sich mit den angewinkelten Beinen gegen das Weibchen. Für dieses Gelenk sind im Spinnenbein keine Streckmuskeln angelegt, es baut sich aber ein hydraulischer Druck auf, der zum plötzlichen Aufklappen führt, wenn sich das Spinnenmännchen löst, erklären die Forscher.

In der Tierwelt gibt es weitere Beispiele für solche Schnappmechanismen, für die langsam Energie gespeichert wird, die dann extrem schnelle Bewegungen erlaubt, ähnlich wie beim Betrieb eines Katapults. Gottesanbeterinnen etwa nutzen sie für den Beutefang mit ihren Vorderbeinen. Schnappkieferameisen lassen ihre Kiefer auch zuschnappen, um Beutegreifern wegzuspringen. „Über solche superschnellen Aktionen als Mittel zum Ausweichen vor sexuellem Kannibalismus wurde jedoch noch nicht berichtet“, schreiben die Forschenden.

Auswahl passender Partner

Nach 155 beobachteten Paarungen sprangen fast alle Männchen auf diese Weise vom Weibchen ab und überlebten. Nur drei Männchen machten keine Fluchtversuche. Sie wurden von den Weibchen gefangen und gefressen. Genau so erging es auch Spinnenmännchen, bei denen die Wissenschaftler den Absprungmechanismus mit einem feinen Pinsel blockierten. Bei 30 Versuchen wurden alle von den Weibchen gefressen. Diese Ergebnisse deuteten klar daraufhin, dass das Katapultverhalten eine entscheidende Komponente des männlichen Paarungsverhaltens sei. Die Strategie, dem Biss der Spinnenfrau zu entgehen, habe sich unter dem starken Raubdruck der Weibchen – ihrem sexuellen Kannibalismus – entwickelt.

„Die Weibchen nutzen dieses Verhalten möglicherweise, um die Qualität eines Männchens während der Paarung zu beurteilen“, vermutet Zhang. Wenn ein Männchen das Katapultieren nicht beherrsche, töteten sie es. Wenn ihm die spektakuläre Flucht wiederholt gelingt, die Tiere paaren sich bis zu sechs Mal,  akzeptieren sie ihn damit als Partner.

In zukünftigen Studien will das Team die Rolle der Katapultierfähigkeit für den Paarungserfolg der Männchen untersuchen.

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