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Vorlesen gilt als wichtiger Impuls für die Entwicklung von Kindern, sowohl für Lesekompetenz als auch für die Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen.

© imago images/Shotshop

Damit Kinder ihr volles Potenzial entfalten können: Vorlesen als Schlüsselressource

Die Vorlesestudie 2021 schreibt Kitas eine besondere Rolle bei der Entwicklung der Kinder durch Vorlesen zu. Eltern lesen oft nicht vor, hier bestehe Unterstützungsbedarf.

Den Kindertagesstätten kommt eine außerordentliche Rolle beim Vorlesen für Kinder zu. Neben der Familie sind Kitas das wichtigste Lernumfeld für Kinder vor der Schulzeit, heißt es in der aktuellen Vorlesestudie 2021 der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutsche Bahn Stiftung.

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Während zu einem sehr hohen Prozentsatz an den Kitas Kinder mindestens täglich Impulse durch Geschichten erhalten (91 Prozent), geben 41 Prozent der befragten Pädagogen allerdings an, dass es um das Vorlesen im Elternhaus nicht gut bestellt ist.

Ein Zugang zur Welt der Phantasie

Die Studie, die am Mittwoch vorgestellt wurde, entstand in Zusammenarbeit mit dem Umfragezentrum Bonn (uzbonn), geleitet wurde sie von Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Befragt wurden dazu 507 pädagogische Fachkräfte aus Einrichtungen, die repräsentativ für Kitas in Deutschland sind.

Für die Studie wurde unter anderem untersucht, wie Vorlesen im Kita-Alltag verankert ist, wie die Kinder bis sechs Jahre selbst zum Vorlesen stehen und wie Kita-Fachkräfte die Vorlesesituation in den Familien wahrnehmen. 

„Der Zugang zur Welt der Phantasie durch Vorlesen ist ein wichtiger Grundstein für die weitere kindliche Entwicklung und die Ausbildung einer guten Lesekompetenz“, sagte Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit-Verlagsgruppe. Es gehe darum, die Gedanken fliegen zu lassen, sagte er zur Vorstellung der Studie. Er selbst lese Kindern am liebsten aus dem „Nesthäkchen“ vor.

Studienleiterin Ehmig bezeichnete das Vorlesen als wichtigen Impuls für die Entwicklung der Kinder, für die Lesekompetenz, aber auch für Persönlichkeitsentwicklung und soziale Kompetenzen. Vorlesen könne Kinder auch beruhigen und trösten. Positiv am Vorlesen sei zudem, dass es immer eine zweiseitige Angelegenheit ist, an dem Vorleser und Zuhörer beteiligt sind und auch über das Gehörte sprechen.

Vielen Kindern wird zu Hause nicht vorgelesen

Da zu wenigen Kindern zu Hause vorgelesen wird, sei es eine Aufgabe, Eltern dazu zu motivieren. Das gelinge nur teilweise, so Ehmig. Den Kitas komme dabei die Rolle als „Schlüsselakteur in der Leseförderung“ zu. Als Idealfall bezeichnete die Philologieprofessorin von der Universität Mainz, wenn das Vorlesen für Kinder zum Alltag wird. 

Die digitalen Medien sollte man dabei nicht verteufeln, schließlich könne auch von einem Bildschirm vorgelesen werden. „Das ist eine wichtige Erfahrung, die Kinder schon früh machen können“, so Ehmig. Kinder sollten sehen, dass es verschiedene Quellen für Geschichten gibt. „Die sollten wir nicht gegeneinander ausspielen“, sagte Ehmig.

An den Kitas wird den Kindern in den meisten der Fällen aus herkömmlichen, gedruckten Büchern vorgelesen. Digitale Medien spielen bisher eine untergeordnete Rolle, sind auch nur in jeder zweiten Kita verfügbar. Zu 88 Prozent haben die Kinder laut der Studie uneingeschränkten Zugang zu Büchern, digitale Geräte können sie hingegen nur selten alleine nutzen. 

Anstoß zum Vorlesen kommt oft von Kindern selbst

Die meisten Kitas würden großen Wert darauf legen, alle Altersgruppen anzusprechen. „Es geht darum, dass die Kinder mit dem Vorlesen in der Kita groß werden können“, so Ehmig. Im Mittelpunkt sollten nach Ansicht der befragten Fachkräfte Themen stehen, die für die Kinder aktuell sind. Wichtig sei zudem, dass die Bücher zum pädagogischen Konzept passen.

Deutlich wurde in der Untersuchung auch, dass die Initiative zum Vorlesen oft auch von den Kindern selbst ausgeht. Als Grund dafür nennt die überwältigende Mehrheit der Kita-Fachkräfte den Spaß der Kinder am Vorlesen und ihre Wissbegierde. Der Anstoß zum Vorlesen sei keine Einbahnstraße, so Ehmig. 

Alle befragten Kitas hätten diesen Wunsch der Kinder bestätigt. „Vorlesen ist ein Grundbedürfnis für die Kinder“. Deutlich geworden sei aber auch, dass viele Kinder sich Vorlesen in der Kita wünschen, weil sie es zuhause oft nicht erleben.

Daher gehört auch in neun von zehn Kitas Vorlesen zur Elternarbeit dazu, das heißt, die Familien werden mit Veranstaltungen und auf anderen Wegen darin unterstützt, dass zu Hause vorgelesen wird. 

Der Idealfall ist für die Studienautor:innen, wenn das Vorlesen für Kinder zum Alltag wird.
Der Idealfall ist für die Studienautor:innen, wenn das Vorlesen für Kinder zum Alltag wird.

© Waltraud Grubitzsch/dpa

Dass einem Drittel der Kinder von den Eltern nicht vorgelesen werde, geht den Pädagogen zufolge darauf zurück, dass vor allem digitale Medien und Fernsehen genutzt werden und die Eltern zu wenig Zeit und zu wenig Lust zum Vorlesen hätten. Auch fehle es beispielsweise in Familien mit nicht-deutscher Herkunftssprache an Lesematerial in der eigenen Sprache.

Die Hälfte der befragten Fachkräfte gab zudem an, dass auch Unsicherheit und fehlende Erfahrung beim Vorlesen eine Rolle spielen, hinzu komme teils auch fehlende Lesekompetenz der Eltern. Drei von vier der befragten Pädagogen hätten schon Eltern mit eingeschränkter Lese- und Schreibfähigkeit erlebt. 

Kitas sollen Brücken schlagen

Daher gehe es für die Kitas nun darum, Brücken zu schlagen, sagte Ehmig. „Hier gibt es Unterstützungsbedarf.“  Die Fachkräfte wünschen sich nach Erkenntnis der Forschenden vor allem Buchempfehlungen, Zugang zu Büchern, aber auch mehr zeitliche und finanzielle Ressourcen für diese Aufgabe. 

Hinzu kommt der Wunsch nach Informationsmöglichkeiten und Veranstaltungen für oder mit den Eltern zu dem Thema. Auch die Kooperation mit externen Fachleuten, Fortbildungen und der Zugang zu digitalen Angeboten werden gewünscht.

„Kitas sind vorbildliche Schlüsselakteure in der frühen Leseförderung – sie erreichen fast alle Kinder mit ihren Vorlese-Impulsen“, sagte Sabine Uehlein, Geschäftsführerin Programme der Stiftung Lesen. Es sei vielfach belegt, dass diese Vorlese-Impulse Kindern helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten. „Deshalb sind Familie, Kita und auch alle Akteure in der Freizeit von Kindern dazu aufgefordert, Geschichten für sie erlebbar zu machen. Denn Vorlesen und Lesen muss fester Bestandteil aller Lebensbereiche von Kindern sein“, so Sabine Uehlein.

Da Vorlesen an Kitas organisch verankert ist, komme ihnen als Lernumfeld für Kinder vor der Schulzeit eine so wichtige Rolle zu. Die Elternarbeit der Kita-Fachkräfte sei essentiell, sagte auch Jürgen Kornmann von der Deutschen Bahn AG, um Vorlesen auch für leseferne Familien umsetzbar zu machen. „Diese Arbeit müssen wir unterstützen.“

Am 19. November ist bundesweiter Vorlesetag.

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