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Eine junge Frau arbeitet in einem Forschungslabor, sie gleicht Ergebnisse auf dem Display eines Tablets ab.

© imago images/Cavan Images

Nach der Bundestagsdebatte über Wissenschafts-Jobs: Damit Hanna bleiben kann

Mehr Dauerstellen sind schon heute möglich, wenn Unis sich fokussieren, meint unser Kolumnist. Die Debatte um Befristungen dürfe jetzt nicht ausfransen.

Nachdem #IchbinHanna es auch in den Bundestag geschafft hat, ist jetzt ein Scheidepunkt erreicht. Um die Debatte um Befristungen und Kettenverträge in der Wissenschaft am Leben zu erhalten, bräuchte es die nächste Eskalationsstufe.

Doch welche kann, welche sollte das sein? Parlamentarisch ist die Legislaturperiode im Bund gelaufen. Bleibt daher als Steigerung nur eine noch größere Empörungswelle, die nach den jüngsten Äußerungen der Bundesbildungsministerin im Bundestag bereits anzurollen scheint?

In Bezug auf die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sagte Anja Karliczek (CDU) während der Aktuellen Stunde am Donnerstag, diese könne man nicht vornehmen, „wenn in den Hochschulen überhaupt gar nichts im Moment stattfindet“. Mit dem letzten Halbsatz sehen viele Kommentatoren auf Twitter und anderswo ihren großen Einsatz für Lehre und Forschung seit Beginn der Pandemie entwertet.

Worum es Karliczek, so fair sollte man sein, mit ihrer zweifellos ungeschickten Formulierung nicht ging. Doch bietet sie all dem angestauten Frust damit die nächste Gelegenheit zur Entladung.

[Was sie bezüglich der Dauerstellen von den Ländern und den Hochschulen erwartet, hatte Karliczek unlängst in einem Statement gegenüber dem Tagesspiegel erklärt]

Zu wünschen wäre, dass die Diskussion über die Karrierechancen von Wissenschaftlern mit Nachdruck und fokussiert fortgesetzt würde. Für mich sollten dabei folgende Aspekte im Mittelpunkt stehen. Erstens: Schluss mit dem Pseudovorwurf, den #IchbinHanna-Verfechtern gehe es darum, in Freibiermanier Dauerstellen für alle zu fordern.

Schluss mit den perspektivlosen Kettenverträgen

Es geht darum, mehr Vollzeit-Verträge mit angemessener Laufzeit für Doktorandinnen für Doktoranden zu erreichen und ein Ende perspektivloser Kettenverträge bei den Postdocs. Dass letzteres auf mehr Dauerstellen hinauslaufen muss, ist richtig und notwendig. Aber auch hier sicher nicht für jede und jeden.

Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
Unser Kolumnist Jan-Martin Wiarda. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

© Privat

Zweitens: Der Bund hat eine wichtige Rolle bei der Hochschulfinanzierung, die Länder aber haben eine zentrale. Es ist zu einfach, wenn viele Wissenschaftsminister immer nur auf den Bund zeigen, der in der Tat bereits viel Geld in die Hochschulen pumpt.

Die Länder müssen auch selbst die Hochschulen in ihren Haushalten priorisieren. Mehrere tun es ja auch längst schon, Baden-Württemberg zum Beispiel, Hessen oder auch Berlin. Anderswo darf in der Coronakrise jetzt auf keinen Fall auch noch das verstärkte Sparen an den Wissenschaftsbudgets anfangen.

Drittens: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nicht nur der „Sündenbock“, als den Karliczek es darstellt. Der Bund hat sehr wohl eigene Möglichkeiten (und die Verantwortung!), als Gesetzgeber einen Rahmen für bessere Beschäftigungsbedingungen zu schaffen – und die an sich sinnvolle Sonderbefristungsmöglichkeit für die Wissenschaft mit mehr Auflagen für die Hochschulen zu verbinden.

Mehr Geld für die Grundfinanzierung

Dies wird Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein – nachdem die jetzige auch die Chance ausgelassen hat, über die Länder über den Zukunftsvertrag wirklich zu mehr Dauerstellen zu verpflichten. Alle Plädoyers helfen da wenig.

Viertens: Mehr Geld ist, siehe oben, wichtig. Aber mit dem Geld, das den Hochschulen zur Verfügung steht, würde bereits mehr gehen. Indem ein größerer Anteil in die Grundfinanzierung fließt und weniger in Projekte. Bund und Länder sollten und müssen noch einmal diskutieren, was das für die Ausstattung des Zukunftsvertrags im Verhältnis zur DFG bedeutet.

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Und fünftens dürfen sich auch die Hochschulen selbst nicht wegducken oder wahlweise auf Bund und Länder zeigen. Gemeinsam mit der Politik müssen sie verbindliche Antworten finden auf Fragen wie diese: Was genau sollte mehr Planbarkeit nach der Promotion bedeuten?

Welche und wie viele mehr Dauerstellen unterhalb der Professur mit welchen Entwicklungschancen? Und wie lange wären befristete Stellen noch in Ordnung, bevor die Hochschule einem Postdoc einen Tenure Track mit anbieten müsste? Wobei ein echter Tenure Track in der Breite, orientiert an einen transparenten Leistungskatalog, auch bedeuten würde, dass die Quote der Negativ-Evaluationen zunehmen müsste – und das auch so akzeptiert würde. Weshalb auch über diesen Leistungskatalog nochmal gesprochen werden müsste.

Die #IchbinHanna-Debatte ist eine große Chance für die Wissenschaftspolitik. Mit etwas Glück hat sie gerade erst begonnen.

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