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Im Charité-Bettenturm gab es hohen Besuch aus Israel.

© imago, freepik/Montage: Tagesspiegel/Schuber

Neue Kooperation der Charité: Was das deutsche Gesundheitswesen von Israel lernen kann

Digitale Patientenakten, Telemedizin, künstliche Intelligenz – israelische Kliniken sind weiter als deutsche. Doch Tel Avivs Experten setzen auch auf Berlins Charité.

Vollkommen digitale Patientenakten, via Handy-App erreichbare Ärzte, Krankenkassen, Apotheken sowie im ganzen Land kein Impfausweis in Papierform – Israel gilt deutschen Experten seit Jahren als gesundheitspolitischer Pionier.

Die israelische Bevölkerung ist mit im Schnitt 30 Jahren zwar deutlich jünger als die deutsche mit fast 45 Jahren. Doch auch im jüdischen Staat fehlen inzwischen Pflegekräfte und Ärzte, während der Bedarf wächst.

Israel passt sein Gesundheitssystem der alternden Gesellschaft auch dadurch an, dass möglichst viele Aufgaben durch Computer erledigt werden. In Berlin sprachen darüber nun Yitshak Kreiss, Chef des Sheba Medical Center in Ramat Gan bei Tel Aviv, und Heyo Kroemer, der Vorstandsvorsitzende der Charité.

Wir haben das Potenzial für echte Durchbrüche.

Yitshak Kreiss, Generaldirektor des Sheba Medical Center in Israel

„Deutschland und Israel stehen vor den gleichen Herausforderungen, wie wir mit weniger Personal mehr Ältere versorgen können“, sagte Kreiss. „Um Innovationen nicht nur in Israel allein zu erproben, suchen wir internationale Partner – und mit der Charité haben wir einen exzellenten Partner gefunden.“

Vorbild in der Digitalisierung

Anders als in Deutschland sind in Israel längst Video-Sprechstunden üblich. Mit telemedizinischer Hilfe werden Patienten angeleitet, sich selbst zu untersuchen. Und in Israel lief die Corona-Impfkampagne von der Einladung bis zur Bestätigung digital ab – während die Deutschen mit zerfledderten Impfheftchen hantierten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte Israel auf der Tagung der Weltgesundheitsorganisation WHO in Tel Aviv letzten November ein „Vorbild in der Digitalisierung“.

Und dennoch setzt Sheba-Chef Kreiss auch auf die Charité: „Wir werden in den nächsten Jahren von Daten, Erfahrungen und Innovationen unserer beiden Kliniken profitieren, wir haben das Potenzial für echte Durchbrüche.“

Mit fast 10.000 Beschäftigten und 2000 Betten ist das Sheba Medical Center das größte Krankenhaus Israels. Samt Tochterfirmen arbeiten an der Charité circa 21.000 Beschäftigte, mit 3100 Betten ist sie Europas größte Universitätsklinik.

Im November 2022 unterzeichneten Kreiss und Kroemer in Ramat Gan ein „Memorandum of Understanding“, in dem sie sich für einen Innovationstransfer zwischen ihren Institutionen aussprechen, insbesondere in den Neurowissenschaften, der Radiologie und der Long-Covid-Forschung.

Auch angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs geht es zunehmend darum, Krankheitsrisiken zu prognostizieren, personalisierte Präventionen anzubieten und die Wirkung von Therapien besser zu verstehen. Dafür sind vergleichbare Daten nötig.

Künstliche Intelligenz in der Medizin

In Deutschland ist das schwierig, wenngleich sich dahingehend einiges ändert. Noch liegen Patientenakten oft in Papierform vor, die Systeme der fast 100 Krankenkassen sind nicht immer kompatibel, strenge Regularien machen es den Kliniken schwer, Informationen auszutauschen.

Für Israels Gesundheitsstrategen rückt neben Datenauswertung und Telemedizin die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) in den Fokus. Schon seit Jahren erkennt Software viele Tumore genauer als Onkologen dies tun. Daran, digitale Bilder noch besser auszuwerten, forschen in Israel diverse Med-Tech-Start-ups.

Sheba-Chef Kreiss verweist in dem Zusammenhang auf Schlaganfälle, die im Westen zu den häufigsten Todesursachen zählen, hohe Kosten verursachen und oft nur unzureichend behandelt werden. KI-gestützt könnten Hirnscan-Bilder viel effizienter analysiert werden.

Yitshak Kreiss war Chef-Chirurg der israelischen Armee und ist Experte für medizinische Katastrophenhilfe. Heyo Kroemer ist Pharmakologe und leitete die Göttinger Hochschulmedizin, bevor er zur Charité kam.

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