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Karl Lauterbach.

© imago images/Christian Spicker

Bis zu 14.000 Corona-Tote weniger: Lauterbach hält Änderung der Impfstrategie für dringend nötig

Um die dritte Corona-Welle aufzuhalten, plädiert SPD-Politiker Lauterbach für ein Aufschieben der zweiten Dosis. Was das bewirkt, zeigt eine Modellrechnung.

Während die Infektionszahlen in Deutschland wieder leicht steigen, wird die Sehnsucht und der Ruf nach Lockerungen immer größer. Öffnungen am Beginn einer dritten Welle? Ist das der richtige Weg oder muss der bisherige Lockdown verlängert werden?

Laut SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ließe sich allein durch eine Verlängerung der bestehenden Maßnahmen der Anstieg der Fallzahlen nicht verhindern. „Es ist ganz klar, dass das exponentielle Wachstum insbesondere der Mutation wie im Lehrbuch abläuft“, sagte Lauterbach dem „Spiegel“. Stattdessen fordert er eine neue Impf- und Teststrategie.

Mit den Forschern Dirk Brockmann, Benjamin Maier (beide von der Humboldt-Universität in Berlin) und Michael Meyer-Hermann (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung) hat Lauterbach eine Simulationsrechnung durchgeführt. Sie modellierten, wie sich die Verlängerung des Zeitraums zwischen der Verabreichung der ersten und der zweiten Impfdosis auf die Anzahl der tödlichen Corona-Fälle auswirkt.

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Ihr Ergebnis: Würde man die zweite Impfdosis erst am Ende des jeweils zugelassenen Impf-Zeitraums verabreichen, könnten schneller mehr Menschen geimpft und so vor einer schweren Erkrankung oder einem tödlichen Verlauf geschützt werden. Mit dieser Strategie könnten Lauterbach zufolge zwischen 8000 und 14.000 Corona-Tote in einer dritten Welle verhindert werden.

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Einmal pro Woche Massentest in Schulen und Betrieben

Zudem plädiert Lauterbach für ein Testprogramm, wonach an Schulen und in Betrieben alle Menschen mindestens einmal pro Woche mithilfe von geschultem Personal einen Schnelltest machen sollen.

Wer ein negatives Ergebnis habe, solle anschließend mit dem Nachweis einen Tag lang in Geschäfte gehen dürfen. Dadurch könnten die Läden zeitnah öffnen, natürlich weiterhin mit Maskenpflicht - gleichzeitig verhindere man aber Ansteckungen, sagte Lauterbach dem „Spiegel“.

Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe forderte Lauterbach, den AstraZeneca-Impfstoff sofort für alle unter 65-Jährigen in den ersten drei Prioritätsgruppen der Impfverordnung zur Verfügung zu stellen. Außerdem solle das Präparat auch bei über 65-jährigen „sofort eingesetzt werden dürfen“.

Sofortige Freigabe von Astrazeneca für alle gefordert

In eine ähnliche Richtung argumentieren auch mehrere Länder-Chefs, die sich für eine Freigabe des AstraZeneca-Impfstoffs für alle Impfwilligen in Deutschland aussprechen. Man könne es sich nicht leisten, „dass Impfstoff herumsteht und nicht verimpft wird, weil Teile der Berechtigten ihn ablehnen“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der „Welt am Sonntag“. In diesem Fall „müssen wir dieses strenge Regiment auflockern und Menschen impfen, die nach der Priorisierung noch nicht an der Reihe wären“.

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) will den Impfstoff von AstraZeneca ebenfalls freigeben: „Bevor er liegen bleibt, impfen, wer will“, sagte Söder der „Bild am Sonntag“. Es dürfe keine Dosis übrig bleiben oder weggeworfen werden. „Wir müssen beim Impfen Tempo machen“, mahnte Söder. Jeder Tag zähle. „Es kann nicht sein, dass einerseits zu wenig Impfstoff vorhanden ist, aber andererseits AstraZeneca in hohen Zahlen nicht verimpft wird.“

Nur wenig Astrazeneca-Impfstoff verabreicht

Bis Donnerstag sollen knapp 1,1 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca nach Deutschland geliefert werden, insgesamt erhöht sich die Liefermenge damit auf fast 3,2 Millionen Dosen, wie aus Zahlen des Gesundheitsministeriums hervorgeht.

Bis einschließlich Sonntag haben nach Zahlen des Robert Koch-Instituts aber nur rund 455.000 Menschen eine Impfung mit Astrazeneca erhalten. Davon sind rund 91.000 Menschen am Samstag und Sonntag geimpft worden.

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums verwies vergangene Woche darauf, dass man auch zwischen den Prioritätsgruppen wechseln könne, ohne die Impfverordnung ändern zu müssen. Sobald alle Menschen in der ersten Gruppe ein Impfangebot bekommen haben, könne man die Menschen in der zweiten Gruppe bedenken. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte die Bundesländer auf, diese Möglichkeit zu nutzen.

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte am Freitagabend im heute journal des ZDF angekündigt, die Empfehlung des Impfstoffs von AstraZeneca überprüfen zu wollen: „Das ist möglich, und das werden wir auch tun.“

Die Stiko hatte den Impfstoff zunächst mangels ausreichender Daten nicht für Menschen ab 65 Jahren empfohlen. Nun werde es „sehr bald zu einer neuen, aktualisierten Empfehlung kommen“ - auch weil im März vermutlich der Impfstoff des US-Herstellers Johnson & Johnson zugelassen sein werde. (mit KNA/Reuters)

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