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Fieberkontrolle eines Flugreisenden mit Hilfe einer Wärmebildkamera. Damit soll die Verbreitung von Seuchen wie Sars oder Ebola verhindert werden.

© REUTERS

Seuchenprävention am Flughafen: Aufklärung statt Aktionismus

Mit Fieberkontrollen von Flugpassagieren vermitteln Behörden eine trügerische Sicherheit vor Seuchen.

Kaum ist man am Flughafen einer asiatischen Großstadt angekommen, trifft man auf streng blickende Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes, die hinter Gesichtsmasken versteckt mit Wärmebildkameras die Passagiere ins Visier nehmen. Poster zu aktuellen Seuchen fordern den Reisenden auf, sich zu melden, wenn er dieses oder jenes Krankheitsanzeichen hat. Medizinische Untersuchungsräume sind in kaltes Neonlicht getaucht: Hier möchte man sich nicht als potenzieller Träger einer Infektionskrankheit „outen“.

Grenzkontrolle für Viren

Mit dem „border screening“, so der internationale Fachausdruck, wollen die Gesundheitsbehörden verhindern, dass gefährliche Krankheitserreger ins Land gelangen. Infektiöse Passagiere sollen bereits am Flughafen erkannt, umgehend isoliert und behandelt werden. Systematische Gesundheitskontrollen an Flughäfen suggerieren überdies, dass die Behörden das Gefahrenpotenzial erkannt haben und alles tun, um die Bürger zu schützen.

Drei Infektionsepidemiologen der Curtin-Universität in Perth, Westaustralien, analysierten nun im Fachblatt „Emerging Infectious Disease“, wie erfolgreich systematische Gesundheitskontrollen an Flughäfen während der Grippe-Pandemie von 2009 und der Sars-Pandemie von 2002 in ausgewählten Ländern waren. Bei der Einreise wurden die Passagiere visuell beurteilt, die Gesichtstemperatur mittels Infrarotthermometern gemessen und/oder vom Reisenden selbst ausgefüllte Fragebögen beurteilt.

2009 verbreitete sich das Grippevirus H1N1 von China aus innerhalb weniger Wochen im asiatischen und pazifischen Raum. Auf allen Kontinenten waren die Gesundheitsbehörden alarmiert, in einigen Ländern entschied man sich für Einreisekontrollen mittels berührungsloser Gesichtstemperaturmessung.

Keine Krankheitsanzeichen, aber trotzdem schon infektiös

Allerdings sind Menschen, die sich mit Influenza angesteckt haben, bereits in der Inkubationszeit infektiös – also wenn noch keine Krankheitsanzeichen vorliegen. Hat ein Passagier aber kein Fieber, kann er am Flughafen auch nicht erkannt werden. Viele Reisende passierten die Gesundheitskontrolle, obwohl sie das Influenza-Virus in sich trugen, belegen die australischen Forscher. In Singapur beispielsweise wurden von den ersten 116 im Land identifizierten Influenza-Patienten nur 15 (12,9 Prozent) am Flughafen erkannt. In Japan waren es nur 6,6 Prozent. Die Erfolgsraten in Australien und Neuseeland waren ähnlich niedrig.

Bei Sars war die Ausgangslage günstiger. In der Inkubationszeit werden in der Regel keine Viren ausgeschieden, und Sars-Patienten haben oft hohes Fieber, wenn sie einen Arzt aufsuchen. Trotzdem war die Effektivität der Einreisekontrollen gering. In Kanada beispielsweise wurden in dieser Zeit fünf Patienten identifiziert. Kein Einziger war am Flughafen erkannt worden.

Von hundert Verdächtigen hatten nur zwei die Grippe

Dem Versagen liegt eine infektionsepidemiologische Gesetzmäßigkeit zugrunde: Die Voraussagekraft einer diagnostischen Methode wie der Messung der Gesichtstemperatur hängt nicht nur von der Empfindlichkeit der Untersuchungsmethode, sondern auch von der Häufigkeit der Erkrankung in der betreffenden Gruppe ab. Entsprechend betrug die statistische Maßzahl, der positive prädiktive Wert, der Gesichtstemperatur für die Erkennung von Reisenden mit Influenza nur zwei bis drei Prozent. In der Praxis bedeutet das, dass von Hundert mittels Infrarotthermografie „aussortierten“ Reisenden nur zwei bis drei Grippe hatten. Alle anderen hatten aus anderen Gründen ein warmes Gesicht.

Die australischen Wissenschaftler resümieren deshalb, dass diese Art der Einreisekontrolle die Bevölkerung schlecht vor der Einschleppung einer Seuche schützen kann. Die Kontrollen verursachen hohe Kosten und binden medizinische Kapazitäten, die bei einer Epidemie anderswo dringend gebraucht werden.

Flyer statt Fieberthermometer

Stattdessen schlagen die Forscher vor, moderne Kommunikationsmedien intelligent zu nutzen. Gesundheitsbezogene Warnungen könnten bereits in der Landephase im Flugzeug auf Monitoren angezeigt werden. Direkt nach der Ankunft sollten die Passagiere eine SMS oder andere elektronische Textbotschaften erhalten, in denen sie über die betreffende Seuche aufgeklärt werden. Gleichzeitig bekommen sie Informationen, an wen sie sich bei Krankheitsanzeichen wenden können, beispielsweise Kontaktadressen Englisch sprechender Ärzte oder spezialisierter Krankenhäuser. Bei der Passkontrolle verteilte Flyer könnten die digitalen Informationen ergänzen und dem Reisenden das Gefühl vermitteln, dass er im Fall des Falles in guten Händen ist. Untersuchungen während der Cholera-Epidemie in Haiti in 2010 haben belegt, dass man so ein gesundheitsorientiertes Verhalten von ankommenden Flugreisenden fördern kann.

Hermann Feldmeier

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