zum Hauptinhalt
Graslandschaften in Ostafrika sind artenreiche und produktive Ökosysteme mit einem natürlicherweise lockeren Baumbestand.

© University of Liverpool/Kate Parr

Aufforstung in Afrika: Flächenprogramm bedroht Savannen

Bäume anzupflanzen, kann überbeanspruchtes Land wieder nutzbar machen. Doch in Afrika könnten fehlgeleitete Aufforstungsprogramme wertvolle Ökosysteme zerstören.

In Afrika sollen Bäume gepflanzt werden, um übernutzte Landstriche wieder in einen nachhaltiger produktiven Zustand zu versetzen. Sehr viele Bäume. Die African Forest Landscape Restoration Initiative (AFR100) sieht vor, bis zum Jahr 2030 mehr als 100 Millionen Hektar Land aufzuforsten.

Zwar soll dabei darauf geachtet werden, dass offene, nicht bewaldete Ökosysteme nicht durch das Anpflanzen von Waldlandschaften umgewandelt werden. Trotzdem findet rund die Hälfte der Projekte in Savannen und Graslandschaften statt, warnen Forschende jetzt. Die Konzentration auf Aufforstung und falsche Klassifizierungen könnten alte, intakte Savannen-Ökosysteme zerstören.

Gefährdete Graslandschaften

In einem Beitrag für die Zeitschrift „Science“ berichten Forschende um Catherine Parr von der University of Pretoria und der University of Liverpool, dass international geförderte, pauschale Aufforstungsprogramme in einigen der Gebiete mehr schaden als nutzen könnten. 52 Prozent der für Baumpflanzungsprojekte vorgesehenen Fläche liegen in Savannen und Graslandschaften, weil diese häufig fälschlich als „Wald“ klassifiziert wurden.

„Wir müssen handeln, um eine Situation zu vermeiden, in der wir die Savanne vor lauter Bäumen nicht mehr sehen und diese wertvollen Graslandschaften unwiderruflich verloren gehen“, schreiben die Autorinnen. Zudem würden für die Aufforstung fast 60 Prozent nicht-einheimische Baumarten verwendet. Ähnliche Entwicklungen könnten nach Einschätzung des Teams auch in Indien oder Brasilien zu erwarten sein.

Aufforstungen sind international als Maßnahme für den Klimaschutz anerkannt, da angepflanzte oder renaturierte Wälder der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen können. Programme sollen Waldlandschaften dort wiederherstellen, wo sie zuvor zerstört worden waren. Dabei werden jedoch Gebiete bereits als Waldfläche definiert, wenn Baumkronen zehn Prozent der Fläche bedecken.

In die Analyse gingen 35 Länder ein, die sich im Rahmen der AFR100-Initiative zur Renaturierung und Wiederherstellung von 133 Millionen Hektar Waldfläche verpflichtet haben. Insgesamt gibt es in diesen Ländern 176 Millionen Hektar degradierte Waldflächen. Zu diesen Ländern zählen auch acht Staaten, die aktuell über keine Waldflächen verfügen. Insgesamt 18 der 35 untersuchten Länder führen mehr potenziell mit Bäumen bepflanzbare Landfläche auf, als eigentliche, ursprüngliche Waldflächen vorhanden sind. Knapp ein Fünftel der Flächen ist verteilt auf die acht Länder, in denen überhaupt kein Wald zu finden ist. Insgesamt seien weitgehend natürliche Savannengebiete etwa der Fläche Frankreichs für Aufforstung vorgesehen, sagt das Team um Parr.

Verbesserte Lebensumstände

„In der Praxis ist es nicht einfach, eine klare Grenze zwischen den Biomen Wald und Savanne zu ziehen“, sagte Sven Günter vom Thünen-Institut in Hamburg dem Science Media Center Deutschland. Es gebe eine Übergangszone mit mehr oder weniger lockerem Baumbestand. Die Autorinnen kritisierten zu Recht, dass die gängigen Walddefinitionen auf einfach messbaren Eigenschaften, aber nicht auf ökosystemaren Zusammenhängen basierten, sagt Günther. „Diese komplexen Prozesse ohne teure und aufwendige Verfahren abzubilden und den Anwendern zur Verfügung zu stellen, ist noch Aufgabe der Forschung.“

Als Erfolgsgröße für Aufforstungsprogramme könnten anstelle von Flächenvorgaben die Umweltdienstleistungen und verbesserten Lebensumstände für die lokale Bevölkerung definiert werden, schlägt Günther vor. „Das erfordert einen Paradigmenwandel, weg von top-down basierten Ansätzen hin zu einer partizipativen und ökologisch fundierten Planung.“

„Wenn wir jetzt auf dieses Problem aufmerksam machen, haben wir noch Zeit, diese Bedrohung zu beseitigen und sicherzustellen, dass nicht bewaldete Systeme angemessen wiederhergestellt werden“, wird Parr in einer Mitteilung der Universität Liverpool zitiert. „Die Wiederherstellung von Ökosystemen ist notwendig und wichtig, aber sie muss auf eine Weise erfolgen, die für jedes System angemessen ist.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false