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Symbolbild: Antivirale Medikamente können gegen verschiedene Pockenkrankheiten helfen.

© imago

Antivirales Medikament: Virologe empfiehlt Tecovirimat gegen Affenpocken

Forschende blicken in einer neuen Studie auf Affenpocken-Fälle zurück – eine Patientin bekam Tecovirimat. Ein deutscher Virologe hat eine klare Meinung dazu.

Kaum verbreiten sich die Affenpocken in Europa und außerhalb, suchen Wissenschaftler:innen bereits nach einer Behandlung der Infektionskrankheit. Einen Hinweis zu einer möglichen Therapie liefert nun eine neue Studie im Fachmagazin „The Lancet Infectious Diseases“.

Ein Forschungsteam um den Tropenmediziner Hugh Adler vom ‚Liverpool University Hospitals NHS Foundation Trust‘ untersuchte den Krankheitsverlauf von sieben Affenpocken-Erkrankten in Großbritannien im Zeitraum zwischen August 2018 und September 2021.

Drei Infizierte nahmen im Krankenhaus wöchentlich 200 Milligramm des antiviralen Medikaments Brincidofovir ein. Die Behandlung musste vorzeitig nach ein beziehungsweise zwei Dosen beendet werden, weil sich Leberwerte der Patient:innen nach der Einnahme erhöhten. Weitere drei Infizierte nahmen keine Medikamente ein.

Die siebte Patientin wurde mit Tecovirimat behandelt. Die Dosierung: 600 Milligramm, zweimal täglich für zwei Wochen. Die Frau zeigte nach Angaben der Forschenden keine unerwünschten Nebenwirkungen, war weniger infektiös und mit zehn Behandlungstagen im Krankenhaus schneller wieder gesund als die anderen sechs Patient:innen. Sie lagen zwischen 13 und 35 Tage im Krankenhaus.

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„Allerdings können wir nicht sagen, ob das ein Ergebnis der Behandlung mit Tecovirimat war“, räumen die Forschenden in ihrer Studie ein.

Tecovirimat wirkt gezielt gegen Pockenviren

Gerd Sutter, Professor und Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärte dem Tagesspiegel: „Tecovirimat ist ein hochwirksames Medikament gegen verschiedene Arten von Pockenviren – das ist bereits lange bekannt.“

Trotz der sehr geringen Fallzahl bestätige die Studie bisherige präklinische und klinische Daten zum Präparat. „Ich halte Tecovirimat zur Behandlung von Affenpocken für ein besonders empfehlenswertes Medikament“, sagte der Wissenschaftler.

Gerd Sutter ist Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Tierärztlichen Fakultät der LMU.
Gerd Sutter ist Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Tierärztlichen Fakultät der LMU.

© Ludwig-Maximilians-Universität München

Durch die enge genetische Verwandtschaft verschiedener Pockenviren könne Tecovirimat auch gut gegen Affenpocken helfen. Weil das Mittel laut Sutter zudem sehr gezielt gegen Pockenviren wirkt, würden unerwünschte Nebenwirkungen eher selten auftreten.

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„Brincidofovir hingegen hemmt die Virusverbreitung, indem es Fehlbausteine in infizierte und gesunde Körperzellen einschleust.“ Das sei ein weniger gezielter Mechanismus und dadurch würden Nebenwirkungen häufiger auftreten.

Auch im Tierreich wirken die Mittel

Große Studien mit tausenden Patient:innen wie bei möglichen Covid-19-Medikamenten erwartet der Virologe nicht, weil die Zahlen bei den Affenpocken-Infektionen voraussichtlich sehr viel geringer ausfallen würden als bei der Corona-Pandemie.

Beide Medikamente, Brincidofovir und Tecovirimat, sind in Großbritannien zur Behandlung gegen verschiedene Pockenkrankheiten zugelassen. Bei der Affengattung der Makaken hat Tecovirimat die Zahl der Pusteln und Bläschen infolge der Krankheit ähnlich stark reduziert wie bei der Patientin in der Lancet-Studie. Bei den Tieren war das Affenpocken-Virus ebenfalls schneller nicht mehr im Blut und in den oberen Atemwegen nachweisbar.

Diese elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r).
Diese elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r).

© dpa

Das antivirale Medikament Brincidofovir erhöhte die Überlebenschancen für Erdhörnchen mit fortgeschrittener Affenpockeninfektion in einer anderen Untersuchung von 14 Prozent auf 29 Prozent.

Forschende präsentieren Einzelfälle

Drei der sieben untersuchten Patient:innen bekamen die Affenpocken in Großbritannien: ein Krankenhausmitarbeiter infizierte sich in der Klinik, eine erwachsene Person sowie ein Kind steckten sich an einem in Nigeria infizierten Patienten an. Die anderen Vier infizierten sich nach einer Reise in Nigeria. Die Forschenden konnten das Affenpocken-Virus im Blut und in den oberen Atemwegen nachweisen. 

Weil die Zahl der untersuchten Affenpocken-Fälle in der Studie zu klein ist, haben die Wissenschaftler:innen keine Analyse durchgeführt, sondern präsentieren die klinischen Daten der einzelnen Patient:innen in tabellarischer Form. Zu den Angaben zählen unter anderem das Ursprungsland der Infektion, wie sich die Bläschen und Pusteln auf den Körper der Erkrankten verteilt haben und die Zahl der Behandlungstage im Krankenhaus.

„Unsere Studie liefert erste Erkenntnisse für den Einsatz von antiviralen Medikamenten gegen Affenpocken bei Menschen“, teilte der Leitautor Hugh Adler mit. „Obwohl der jüngste Ausbruch mehr Patienten im Vereinigten Königreich betroffen hat als zuvor, haben sich Affenpocken unter Menschen nicht sehr stark verbreitet, und das Risiko für die Gesundheit in der Bevölkerung ist gering.“

RKI hält Gefahr in Deutschland für gering

Bis Samstag, den 21. Mai berichtete die Weltgesundheitsorganisation von 92 bestätigten Affenpocken-Infektionen in Deutschland und in elf weiteren Mitgliedsstaaten, in denen normalerweise keine Affenpocken-Ausbrüche vorkommen. Solche Länder bezeichnen Expert:innen als „nicht-endemisch“. 28 weitere Verdachtsfälle mussten zum Zeitpunkt der Erhebung noch überprüft werden.

Dieses Bild aus dem Jahr 1997 entstand während einer Untersuchung eines Affenpockenausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo (DRC).
Dieses Bild aus dem Jahr 1997 entstand während einer Untersuchung eines Affenpockenausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo (DRC).

© dpa

Im Mai meldeten die Gesundheitsbehörden erstmals Fälle von Affenpocken in Deutschland. Expert:innen des Robert Koch-Instituts (RKI) kommentierten die Situation am Dienstag auf der Webseite wie folgt: „Das Besondere an diesen Fällen ist, dass die Betroffenen zuvor nicht – wie sonst in der Vergangenheit – in afrikanische Länder gereist waren, in denen das Virus endemisch ist (West- und Zentralafrika), und dass viele Übertragungen offenbar im Rahmen von sexuellen Aktivitäten erfolgt sein könnten.“ Dabei infizierten sich laut Einschätzung auffällig viele Männer, die Sex mit anderen Männern hatten.

Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering ein, heißt es weiter.

Ein Verdacht auf Affenpocken liegt laut Weltgesundheitsorganisation vor, wenn zum einen ein unerklärlicher akuter Hautausschlag und zum anderen mindestens eines der folgenden Symptome auftritt: über 38,5 Grad Fieber, geschwollene Lymphknoten, Muskel- und Gliederschmerzen, Rückenschmerzen oder Kraftlosigkeit. 

Gefährlich könnte das Affenpocken-Virus laut EU-Gesundheitsbehörden vor allem für Kleinkinder, Schwangere und immungeschwächte Menschen werden. Bisherige Fälle verliefen oftmals mild. Todesfälle an oder mit Affenpocken sind der Weltgesundheitsorganisation in nicht-endemischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Spanien nicht bekannt.

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