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Ferdinand Piech ist im Alter von 82 Jahren gestorben.

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Zum Tod von Ferdinand Piëch: Mit lapidaren Sätzchen konnte er Managerkarrieren beenden

Mit dem Ehrgeiz der Ingenieure und dem Machtbewusstsein der Eroberer führte Piëch VW an die Weltspitze. Seinen letzten Kampf konnte er nicht mehr ausfechten.

Wie viele Leben hat Ferdinand Piëch? Diese Frage stellte sich oft in den vergangenen Jahrzehnten. Als Vorstandsvorsitzender von Volkswagen überlebt er in den 1990er die Affäre um Industriespionage seines Vertrauten José López. Ein Jahrzehnt später erschütterte der Skandal um Lust- und Luxusreisen den Konzern, Personalvorstand Peter Hartz kam ebenso vor Gericht wie Betriebsratschef Klaus Volkert.

Piëch überlebte. Als später eine Allianz um Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den VW-Großaktionär Niedersachsen, damals vertreten von Ministerpräsident Christian Wulff, den inzwischen auf dem Stuhl des Aufsichtsratsvorsitzenden sitzenden Piech stürzen wollte, bekam das den Angreifern schlecht. Piëch wehrte alle Attacken ab und bestimmte beinhart das Geschehen im Konzern, der unter ihm und seinem Nachfolger Martin Winterkorn zum größten Fahrzeughersteller der Welt wurde. Jetzt ist der geniale Autoingenieur gestorben. Wie seine Ehefrau Ursula mitteilte, hinterlässt er 13 Kinder aus verschiedenen Beziehungen.

Pischetsrieder als Opfer

„Ein ganz schwieriger Mensch“, sagt ein langjähriger VW-Aufsichtsrat über Piëch. Wenn das mal keine Untertreibung ist. Mit speziellen Äußerungen, meist über Medien verbreitet, hat er Politik gemacht, Karrieren zerstört und Machtkämpfe entschieden. Zum Beispiel 2006, als er einem Journalisten beiläufig sagte, als Vorstandschef von VW könne man nicht gegen die Arbeitnehmer agieren.

Das lapidare Sätzchen bedeutete das Ende von Bernd Pischetsrieder, der dann an der Vorstandsspitze durch Winterkorn ersetzt wurde. Pischetsrieder hatte sich mit Wulff und Wiedeking verbündet, um den Alten loszuwerden. Pischetsrieder überlebte das Manöver nicht und Wiedeking war ein paar Jahre später fällig. Wulff legte sich nie wieder mit Piëch an.

Freundschaft mit Martin Winterkorn

Piëch war Anfang der 1990er Jahre vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und IG Metall-Chef Klaus Zwickel nach Wolfsburg geholt worden, weil sie ihm die nötige Härte zur Sanierung des Traditionsunternehmens zutrauten. Mit Hilfe von Peter Hartz, der die Vier-Tage-Woche einführte, kappte er Kosten ohne zu kündigen, um dann mit einem beispiellosen Expansionskurs und Zukäufen diverser Auto-, Motorrad- und Lkw-Marken Volkswagen zu einem Weltreich mit mehr als 100 Fabriken, einem Dutzend Marken und einer halben Million Mitarbeiter zu machen. An Piëchs Seite über viele Jahre: Martin Winterkorn. Die beiden PS-Freaks hatten sich in den 1980er Jahren bei Audi kennen- und schätzen gelernt. Winterkorn, zehn Jahre jünger als Piëch, folgte diesem erst an die Spitze der VW-Tochter Audi und 2007 dann auf den Posten des Konzernchefs in Wolfsburg.

VW wird Weltmarktführer

Mit dem technologischen Ehrgeiz der Ingenieure, dem Machtbewusstsein der Eroberer und der Durchsetzungskraft der Diktatoren führten die beiden Volkswagen an die Weltspitze. Unerbittlichkeit, Kampfgeist und ein Schuss Genialität zeichneten den Konstrukteur Piëch aus. Möglicherweise trugen auch Misstrauen und Verfolgungswahn zum Aufstieg bei. „Weil man sich nicht verlassen kann“, sei er zum Alleingang verdammt, hat er einmal gesagt.

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, l.) holte Ferdinand Piech Anfang der 1990er Jahre nach Wolfsburg. Hier ein Bild aus dem Jahr 1999.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, l.) holte Ferdinand Piech Anfang der 1990er Jahre nach Wolfsburg. Hier ein Bild aus dem Jahr 1999.

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Nach dem frühen Tod des Vaters wurde Ferdinand ins Internat gesteckt. Als „Hausschwein“ sei er aufgezogen worden, und im Dickicht der Autoindustrie müsse er sich nun als „Wildschwein“ durchschlagen. Ständig auf der Hut vor einem Jägersmann. Vorsichtsmaßnahmen waren schon früh angeraten in der Industriellendynastie Porsche/Piëch. „Es konnte zu einem Karriereknick führen, wenn ich mal jemanden aus der Familie zu knapp begrüßte.“

Piëch brachte Audi auf Mercedes- und BMW-Niveau

Es hat dann wohl geklappt mit dem Grüßen. Doch entscheidend für den Aufstieg des brillanten Technikers war er schon selbst. In rund 20 Jahren bei Audi machte Piëch aus dem Beamtenauto eine schnittige Marke mit Allrad und vollverzinkter Karosserie, die von den damaligen Weichenstellungen bis heute profitiert und Mercedes und BMW einholte. Weil er als Audi-Chef erfolgreich war, bekam Piëch 1993 den Chefposten bei Volkswagen. Schwacher Absatz, zu hohe Kosten, miserable Abläufe und Überkapazitäten machten VW zu schaffen. Im ersten Quartal 1993 schrieb Europas größter Autohersteller einen Verlust von 1,25 Milliarden Mark. Knapp zehn Jahre später, im Frühjahr 2002, verabschiedete sich Piëch mit einem Milliardengewinn in den Aufsichtsrat. Und wurde als Automanager des Jahrhunderts gefeiert.

Bentley statt Rolls-Royce

Seinen Nachfolger hatte er nach einem einfachen Kriterium ausgesucht. „Er muss besser sein als ich.“ Tatsächlich war Bernd Pischetsrieder einmal besser als Piëch, nämlich im Bieterwettstreit zwischen BMW und VW um Rolls-Royce/Bentley im Jahr 1998. Am Ende gewann zwar Piëch gegen den damaligen BMW-Chef Pischetsrieder, weil er enorm viel Volkswagen-Geld für die Luxusmarken ausgab. Doch Pischetsrieder hatte trickreich die Markenrechte an Rolls-Royce für BMW gesichert, für VW blieb Bentley. Piëch war beeindruckt und holte Pischetsrieder zu VW, nachdem der wegen des Rover-Desasters bei BMW gefeuert worden war. „Mir ist einer lieber, der woanders einmal vom Pferd gefallen ist. Dann kann das bei uns nicht passieren“, begründete Piëch seine Personalentscheidung, die er später mit dem Abschuss Pischetsrieders korrigierte.

"Ein Mann mit psychopathischen Zügen"

Ein Dutzend Vorstände ließ er über die Klinge springen. „Entweder es stimmen die Zahlen, oder ich will neue Gesichter sehen.“ Lange gefackelt hat er nie. „VW neigt dazu, traurig zu sein, in Lethargie zu verfallen. Meine Haltung war immer: Die Mitarbeiter muss man fordern.“ Also hat er seine Leute unter Dampf gehalten. Die Entwicklung des Oberklasseautos Phaeton war ein Kraftakt, ebenso die Integration von Piëchs Erwerbungen Bentley, Bugatti und Lamborghini.

Vor allem die Manager hatten eine schwere Zeit. Denn vier Fünftel der Probleme bei VW, aber auch in der Wirtschaft insgesamt, führte Piëch auf Managementfehler zurück. Kein Wunder, dass sich Führungskräfte in einem Brief an den damaligen Aufsichtsratschef Klaus Liesen beschwerten, VW werde „von einem Mann mit psychopathischen Zügen geführt“.

Die ehemaligen VW-Chefs Martin Winterkorn (l.) und Ferdinand Piech (hier bei der Hauptversammlung 2008) schätzten sich viele Jahre lang gegenseitig. In der Diesel-Affäre kam es zum Bruch.
Die ehemaligen VW-Chefs Martin Winterkorn (l.) und Ferdinand Piech (hier bei der Hauptversammlung 2008) schätzten sich viele Jahre lang gegenseitig. In der Diesel-Affäre kam es zum Bruch.

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Mit López in den Krieg gezogen

Piëchs Mission war die Rettung der deutschen Autoindustrie, mindestens jedoch von VW. Der Gegner: die asiatischen Autohersteller. Wenn der Krieg verloren geht, „werden auf unseren Stühlen Asiaten sitzen“. Diese Warnung aus den 90er Jahren stammt aus einer Zeit, als Piëch mit dem Kostendrücker und Würger der Lieferanten, José López, VW erfolgreich in Stellung brachte. Als López der Industriespionage bezichtigt wurde, gab es eine jahrelange Auseinandersetzung mit General Motors, dem vorherigen Lopez-Arbeitgeber. Schließlich musste Lopez gehen, VW zahlte 100 Millionen Dollar an GM und kaufte bei dem Konkurrenten für eine Milliarde Dollar ein.

Die Affäre war auch für Piëch eine schwere Schlappe, und sein Kopf wackelte bedenklich. Er überlebte - und damit die deutsche Autoindustrie. Denn „mit einem Abgang des Gespanns Piëch/Lopez würde in Deutschland die englische Krankheit ausbrechen, nicht nur bei VW. Die Gegner hätten erreicht, was sie wollen. Sie hätten einen Krieg gewonnen“, sagte Piëch damals. Er blieb auf Kurs, um das Werk des hochgeschätzten Großvaters zu vollenden. Und zu übertreffen. Ferdinand Porsche hatte Volkswagen eins gegründet. Und schon über den Großvater sagten Mitarbeiter, „wenn der lächelte, dann wurde es gefährlich“.

„Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“

Ferdinand Karl Piëch wurde am 17. April 1937 als drittes Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Ehefrau Louise in Wien geboren. Louise war die Tochter von Ferdinand Porsche, der den VW-Käfer entwickelte und die Grundlage legte für das milliardenschwere Piëch-Porsche-Imperium. Der kleine Ferdinand hat es schwer, er leidet unter der schnöseligen Porsche-Verwandtschaft und darunter, dass er selbst nicht den Namen des verehrten Großvaters trägt. Piëch studiert Maschinenbau in Zürich, arbeitet für Porsche und Audi, wo er Mitte der 1970er Jahre zuständig wird für die technische Entwicklung und 1988 zum Vorstandschef aufsteigt und Martin Winterkorn kennenlernt und fördert.

Eklat im Frühjahr 2015

„Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Mit diesem donnernden Satz versuchte Piëch im Frühjahr 2015 den Vorstandsvorsitzenden abzuschießen. Das Verhältnis zum einstigen Vertrauten war seit September 2013 gestört: Im Umfeld Winterkorns hieß es damals, Piëch sei gesundheitlich angeschlagen und müsste möglicherweise bald ersetzt werden. Diese Spekulationen haben den Alten nachhaltig verärgert. Mit seiner Attacke auf Winterkorn wollte Piëch zwei Ziele erreichen: Die eigene Nachfolge regeln, und zwar mit Porsche-Chef Matthias Müller als Aufsichtsratsvorsitzenden. Und den früheren BMW-Manager Herbert Diess, der erst kurz zuvor nach Wolfsburg gewechselt war, als Winterkorn-Nachfolger platzieren.

Der Dieselskandal

Doch diesmal hatte er sich verspekuliert. Das Präsidium des Aufsichtsrats befand im Frühjahr 2015, „dass das notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist“. Ein Rausschmiss. Piech trat nebst Gattin Ursula aus dem Aufsichtsrat zurück. Und schoss später noch einmal gegen das Wolfsburger Establishment. Alle Aufsichtsräte, die ihn gestürzt hatten - Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Piëchs Vetter Wolfgang Porsche und Betriebsratschef Bernd Osterloh hätten damals, also ein halbes Jahr vor dem offiziellen Betrugsgeständnis, schon von der Dieselmanipulation gewusst. Behauptete Piëch. Der alte Mann in Österreich wollte Rache und würde keine Ruhe geben, da waren sich die Piëch-Kenner sicher. „Ich verstehe, warum der Winterkorn schlecht schläft“, meinte ein früherer Piëch-Mitarbeiter. „Da kommt noch was.“ Es kam nichts mehr.

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