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Die Einen haben immer mehr, und die Anderen kommen nicht vom Fleck oder fallen sogar zurück. Deutschland driftet weiter auseinander.

© imago/Ralph Peters

Vermögensverteilung in Deutschland: Zerrissenes Land

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer – und das gilt nicht nur für private Haushalte, sondern für ganze Regionen. Der Osten kommt nicht an den Westen ran.

Die Lebensverhältnisse in Deutschland driften zunehmend auseinander. Nach neuen Zahlen der Bundesbank wird das sichtbar anhand der Vermögensverteilung. Danach besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte rund 60 Prozent des gesamten Nettovermögens. Das ist deutlich mehr als im Durchschnitt der 19 Euro-Länder. Und in einem aktuellen „Disparitätenbericht“ kommt die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) der SPD zu dem Ergebnis, dass bestehende Ungleichgewichte größer werden und sich die Gegensätze vor allem zwischen Ost und West, aber auch zwischen Nord und Süd verschärfen. „Deutschland driftet weiter auseinander“, heißt es in dem Bericht. Von dem im Grundgesetz festgeschriebenen Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse sei die Bundesrepublik weit entfernt. „Die Gewinnerregionen stehen immer besser da, während Verliererregionen einem zunehmenden Abwärtstrend unterliegen.“

Ingolstadt ist reich, Eisenach arm

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Arbeitskraft ist Ingolstadt, wo Audi seinen Unternehmenssitz hat, die reichste – und Eisenach in Thüringen die ärmste Stadt des Landes. Überhaupt haben sich der Osten und der Westen 25 Jahre nach der Einigung weiter voneinander entfernt. „Das Durchschnitts-BIP liegt in Westdeutschland um 26,6 Prozent höher als in den östlichen Ländern“, heißt es in dem Disparitätenbericht. Die Kluft wird vertieft durch Wanderungsbewegungen und die Demografie. Gut ausgebildete, jüngere Menschen wandern in prosperierende Regionen – vorne liegen Baden-Württemberg und Bayern –, weil es dort bessere Jobs und höhere Einkommen gibt. „Zudem finden sie dort oftmals auch attraktiver Infrastrukturen in den Kommunen vor.“ Dem stehen die Gebiete gegenüber mit hoher Arbeitslosigkeit, überschuldeten privaten Haushalten sowie Kinder- und Seniorenarmut. „Diese Verliererregionen liegen vornehmlich in Ostdeutschland“, schreibt die Ebert-Stiftung.

Im Schnitt besitzt jeder 214 000 Euro

Dabei lag das durchschnittliche Finanz- und Sach-Vermögen nach einer neuen Untersuchung der Bundesbank 2014 mit netto 214 500 Euro relativ hoch und 19 000 Euro höher als 2010. Allerdings sind die Spannen der Vermögensverteilung sehr groß. Der Mittelwert liegt bei im internationalen Vergleich niedrigen 60 400, der Wert der oberen zehn Prozent bei mindestens 468 000 Euro, wobei die Bundesbank die Superreichen außen vor lässt. Die Haushalte mit Immobilien- und Wertpapierbesitz konnten ihr Vermögen in den vergangenen Jahren deutlich erhöhen.

Der die Vermögensungleichheit darstellende sogenannte Gini-Koeffizient stand hierzulande 2014 bei hohen 76 Prozent, in der Eurozone sind es im Schnitt 69 Prozent, in Italien nur 61 Prozent. Während in Deutschland die vermögendsten zehn Prozent der Haushalte etwa acht Mal so viel besitzen wie Haushalte in der Mitte der Skala – 468 >000 Euro zu 60 440 – liegt dieser Wert im Euro-Raum bei fünf.

Ungleichheit tut gut, meinen Ökonomen

Auch mit Hilfe des Gini-Koeffizienten hatte die OECD unlängst einen negativen Effekt der Ungleichheit in Deutschland auf das Wachstum ermittelt. Eine aktuelle Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der Wirtschaft (IW) bestätigt zwar den Zusammenhang – aber nur in Volkswirtschaften mit einem niedrigen Bruttoinlandsprodukt. In solchen Ländern seien die ärmeren Bevölkerungsschichten meist von Bildung ausgeschlossen und das Gesellschaftssystem insgesamt instabil. „Für Industrienationen wie Deutschland ist der Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum hingegen eher positiv, weil Ungleichheit die Anreize für Unternehmertum und Innovation steigert“, schreibt das IW.

Nach Erhebungen der Bundesbank haben die Haushalte ihr konservatives Anlageverhalten trotz der niedrigen Zinsen nicht verändert. Nur zehn Prozent der ärmeren Haushalte hätten 2014 direkt Aktien besessen. Bei den oberen 20 Prozent sei es dagegen fast ein Drittel gewesen. Der Anteil der Haushalte, die zumindest Investmentfonds besitzen, ist zwischen 2010 und 2014 sogar von 17 auf nur noch 13 Prozent geschrumpft.

Der Schuldenstand ist moderat

Immerhin hat die Bundesbank in ihrer Studie aber kein gravierendes Verschuldungsproblem festgestellt. Zwar hätten 2014 rund 45 Prozent der Haushalte Schulden gehabt. „Den meisten Verbindlichkeiten standen entsprechend hohe Vermögenswerte gegenüber“, schreibt die Bank. „Die Schuldentragfähigkeit scheint für die Mehrzahl der verschuldeten Haushalte gegeben gewesen zu sein.“ Alles in allem befragten die Bundesbanker 9259 Menschen ab einem Alter von 16 Jahren über ihr Vermögen und ihre Schulden.

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