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Der deutsche Export ist in Folge der Corona-Krise dramatisch eingebrochen.

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Wirtschaft erholt sich nur langsam: Das DIW fordert zusätzliche Investitionen

Das Konjunkturpaket kann den Wirtschaftseinbruch nur leicht abfedern. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fordert deshalb von der Politik mehr Engagement.

Von Carla Neuhaus

Die deutsche Wirtschaft wird sich wohl nicht so schnell von der Coronakrise erholen wie bislang angenommen. „Wir müssen realisieren, dass die Einschnitte schmerzlich sind und der Neustart nur sehr langsam vonstattengehen wird“, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Um 9,3 Prozent dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr einbrechen, prognostiziert das Institut.

Das vom Kabinett beschlossene Konjunkturprogramm kann den Absturz demnach zwar abfedern - aber nicht verhindern. Selbst wenn alle Maßnahmen von Mehrwertsteuersenkung bis Familienbonus umgesetzt würden, läge der Wirtschaftseinbruch laut DIW in diesem Jahr noch immer bei 8,1 Prozent.

Im kommenden Jahr könnte das Wachstum laut DIW zwar wieder zwischen drei bis 4,3 Prozent liegen. Das reicht aber bei Weitem nicht, um die Verluste der Coronakrise auszugleichen. Statt eines V-förmigen Verlaufs der Krise, also eines starken Einbruchs und einer schnellen Erholung, geht das DIW deshalb nun von einem U-förmigen Verlauf aus, bei dem sich die Erholung hinzieht.

„Es wird lange dauern, bis die deutsche Wirtschaft die Verluste durch die Corona-Krise ausgeglichen haben wird“, sagt DIW-Forscher Claus Michelsen.

Eine zweite Welle hätte verheerende Folgen

Dabei setzt auch das voraus, dass es zu keiner zweiten Welle an Infektionen kommt. Denn deren Folgen wären verheerend. „Dies würde dann beinahe zwangsläufig eine große Zahl von „Unternehmen in die Insolvenz treiben und noch drastischere Auswirkungen auf den Arbeitsmärkten haben“, schreiben die DIW-Forscher.

Der Neustart wird nur langsam vonstatten gehen, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher.
Der Neustart wird nur langsam vonstatten gehen, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher.

© dpa

Wie schlimm eine zweite Welle die deutsche Wirtschaft treffen würde, hat gerade erst die OECD durchgerechnet. Ohne einen zweiten heftigen Corona-Ausbruch prognostiziert sie für das vierte Quartal eine Erholung von 16,9 Prozent – käme es hingegen zur zweiten Welle, würde die deutsche Wirtschaft im selben Zeitraum stattdessen um 19,4 Prozent einbrechen. „Ein solches L-Szenario könnte sich zu einer Banken- und Staatsschuldenkrise ausweiten“, schreiben die Wissenschaftler.

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Dabei sind die Folgen der Coronapandemie schon jetzt heftig. Gerade Deutschland ist durch die starke Abhängigkeit vom Export enorm getroffen. Das liegt auch daran, dass vor allem Länder, in die deutsche Unternehmen viele Waren verkaufen, unter einem besonders starken Virusausbruch leiden: etwa die USA, Großbritannien, Italien und Spanien.

Eine halbe Million Menschen dürfte ihren Job verlieren

Und während im vergangenen Jahr noch ein starker Binnenkonsum die Exportschwäche zum Teil kompensieren konnte, fällt auch der derzeit aus. Aufgrund der Unsicherheit, der steigenden Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit halten sich Konsumenten zurück und geben sehr viel weniger Geld aus als vor der Krise.

Auch Unternehmen kaufen derzeit kaum neue Maschinen, weil sie nicht wissen, was noch auf sie zukommt oder ihnen schlicht das Geld dafür fehlt.

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Eine halbe Million Menschen dürften deshalb in Deutschland in diesem Jahr ihre Arbeit verlieren, prognostiziert das DIW. Insgesamt wären damit dann gut 2,7 Millionen Menschen ohne Job. Die Arbeitslosenquote würde so auf sechs Prozent steigen.

Die starke Abhängigkeit vom Export ist derzeit ein Problem für die deutsche Wirtschaft.
Die starke Abhängigkeit vom Export ist derzeit ein Problem für die deutsche Wirtschaft.

© imago images/blickwinkel

Nach Ansicht der DIW-Forscher wird das Konjunkturpaket deshalb nicht reichen, um diese Krise zu überwinden. Mit Maßnahmen wie der Mehrwertsteuersenkung oder dem Familienbonus konzentriert sich die Bundesregierung auf Instrumente, die den Konsum kurzfristig ankurbeln.

Das gehe in die richtige Richtung, reiche aber langfristig nicht, meint DIW-Forscher Michelsen. „Wir reden schon seit geraumer Zeit über Dekarbonisierung, Digitalisierung, Infrastruktur oder bessere Bildung“, sagt er. „Hier hat Deutschland viel nachzuholen.“

Das DIW fordert Investitionen in Höhe von 192 Milliarden Euro

Um die deutsche Wirtschaft langfristig zu stärken, fordert das DIW deshalb ein umfangreiches Investitionsprogramm in Höhe von 192 Milliarden Euro. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf „Investitionen in Schlüsseltechnologien, innovative Gründungen, effektive Bildungssysteme, umweltschonende Infrastrukturen und kommunale Daseinsvorsorge“ liegen.

Laut DIW könnte das die Wirtschaft so stark ankurbeln, dass in den nächsten zehn Jahren 800.000 neue Jobs geschaffen werden könnten. „Zusätzliche Investitionen zahlen sich langfristig aus und steigern die Einkommen dauerhaft“, sagt Michelsen. „Damit hinterlassen wir zukünftigen Generationen nicht nur eine wettbewerbsfähigere und nachhaltigere Wirtschaftsstruktur – wir erleichtern mit höherem Wachstum auch den Schuldenabbau.“

Zumal sich ein Teil des Investitionsprogramms laut DIW selber tragen würde. Denn weil mehr Menschen einen Job hätten, die Firmen mehr produzieren könnten, würden auch die Steuereinnahmen steigen. Von den 192 bekäme der Staat so 93 Milliarden Euro zurück.

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