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Shaodong Fan (links) hat "Renafan" von 20 Jahren mit Renate Günther gegründet.

© Georg Moritz

Pflegedienstleister Renafan: "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns"

In zwei Jahrzehnten hat sich Renafan zu einem der größten Pflegedienstleister Deutschlands entwickelt. Doch große Herausforderungen kündigen sich an - deshalb will Geschäftsführer Shaodong Fan Nachwuchs aus China holen.

Als er anfing, sagten Shaodong Fan alle Bekannten, in der ambulanten Pflege lasse sich kein Geld verdienen – zum Glück hat er nicht auf die Skeptiker gehört. "Wir haben bewiesen, dass man dort, wenn man optimiert, doch ein ertragreiches Geschäft führen kann", sagt er heute. Vor 20 Jahren gründete er zusammen mit Renate Günther das Unternehmen Renafan mit einem ersten Pflegestützpunkt in Berlin-Tegel. Das aus ihrem und seinem Namen zusammengesetzte Kunstwort steht für einen der größten ambulanten Pflegedienstleister Deutschlands. Mit einem Umsatz von zuletzt 80 Millionen Euro landet Renafan nach Schätzungen von Pflegedatenbank.com bundesweit auf Platz drei und in Berlin auf Platz eins.

Längst bietet das Unternehmen nicht mehr nur ambulante Pflege an. Auch stationäre Pflege, Intensivpflege, betreutes Wohnen sowie Fahrdienste und andere Hilfen für Menschen mit Behinderung gehören inzwischen dazu. Regelmäßig hat Renafan in seiner Geschichte auch größere Übernahmen gestemmt. Entsprechend lesen sich die aktuellen Zahlen: Fast 3000 Mitarbeiter kümmern sich an mehr als 50 Standorten um mehr als 4600 Kunden. Neben Berlin ist das Unternehmen in Hamburg, München, Hannover, Bremen und weiteren Städten aktiv. Über allem steht eine Holding, zu der elf Tochtergesellschaften gehören.

Pflegeleistung nach individuellen Kundenwünschen

Shaodong Fan, heute alleiniger Geschäftsführer, verfolgt dabei durchaus einen eigenen Ansatz. "Qualität in der Pflege heißt für mich, dass wir die Leistung nach individuellen Wünschen ganzheitlich zum Kunden bringen. Qualität heißt die Vereinigung von Körper, Geist und Seele", sagt er. Vielen Menschen hierzulande seien die Begriffe "Seele" oder "ganzheitliche Pflege" in ihrer Bedeutung nicht bewusst. "Hier haben wir leider noch einen weiten Weg vor uns."

Im Management verfolgt Fan ebenfalls seine eigene Philosophie. "Gerade in dynamischen Zeiten gilt für mich: Das Ziel bestimmt den Weg." Hierzulande heiße es dagegen häufig, der Weg sei das Ziel. Prozesse würden beschrieben und protokolliert, und wenn sich plötzlich etwas ändere, gehe es nicht mehr vorwärts. Fan macht keinen Hehl daraus, dass für ihn bei der Betreuung von Menschen das Individuum mit seinem ganz konkreten Bedarf im Mittelpunkt steht – und keine starre Checkliste.

Der Physiker und die Krankenschwester

Renate Günther ist ausgebildete Krankenschwester, Shaodong Fan Physiker. Die beiden lernten sich in der Hauskrankenpflege kennen, wo er neben seinem Studium jobbte. An der deutschen Universität habe er Methoden gelernt, das logische Denken und freie Gestaltung zu realisieren, sagt Fan. "Physik heißt nicht auswendig lernen, sondern die Zusammenhänge verstehen. Das kann man dann leicht auf andere Bereiche übertragen." Renate Günther ist zwar noch immer Gesellschafterin und hat auch ein kleines Büro, doch aus dem operativen Geschäft hat sie sich schon vor fast zehn Jahren zurückgezogen. "Sie kommt und passt auf mich auf, trinkt einen Kaffee mit mir, und ich erzähle ihr, was passiert", erzählt Fan. "Sie gibt mir immer noch viel Input für die Unternehmensentwicklung."

Eine der größten Herausforderungen im personalintensiven Pflegebereich ist es, Fachkräfte zu sichern und zu gewinnen. Fan macht eine einfache Rechnung auf: Jeder Mitarbeiter schaffe einen bestimmten Umsatz mit seiner Leistung. Wenn der Umsatz in einem Jahr um zehn Millionen Euro wachse, wie viele neue Mitarbeiter brauche man dann? "Ich habe gesagt: Wir müssen rekrutieren. Jetzt haben wir eine Agenda 2020", sagt Fan und freut sich über die Parallele zur Agenda 2010 von Gerhard Schröder.

Fan ist Visionär und Detailfanatiker

Neue Mitarbeiter kamen zuletzt aus Kroatien, aus Bosnien, bald sollen die ersten aus Ungarn kommen. Gleichzeitig fängt das Unternehmen an, selbst mehr auszubilden. In der eigenen Akademie, die bislang Fort- und Weiterbildungen anbietet, sollen in einer neu gegründeten Berufsschule im kommenden Jahr Altenpfleger ihren Beruf lernen. Für Flüchtlinge ist Fan ebenfalls offen. "Wir prüfen die Möglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen."

Das Ziel der Agenda 2020: In dem Jahr sollen 220 Menschen einen Job bei Renafan bekommen. Gerhard Schröder habe seine Agenda den Kopf gekostet, bei ihm werde das anders, sagt Fan und lacht. Einen weiteren Baustein seines Plans bringt er gerade in seiner Heimat China auf den Weg. An einer Pflegeschule sollen Deutschklassen eingerichtet sowie ein Praktikum in Deutschland verpflichtend in die Ausbildung integriert werden. So soll den Azubis die Arbeit hierzulande nahegebracht werden. Der Chef weiß um die Bedeutung des Fachkräfteproblems. "Ich glaube, ein wesentlicher Teil unseres Erfolgs wird darauf basieren, dass wir diese Recruiting-Vorhaben erfolgreich umsetzen."

Fan sieht sich als Visionär und zugleich als leidenschaftlichen Detailfanatiker. Auf die Frage, wie viel er delegiere, antwortet er: "Ich bin CEO, COO und gerade dabei, den CFO abzugeben."

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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