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Mindestens 1000 Meter Abstand soll es geben zwischen Windrad und Wohnhäusern.

© dpa

Windkraft in der Flaute: Die Zukunft liegt in der Luft

Ohne mehr Windstrom wird das nichts mit dem Klimaschutz. Ein Kommentar zum Streit in der Koalition.

Der Mann des Jahres in der deutschen Wirtschaftspolitik ist der Wirtschaftsminister. Nein, nicht Peter Altmaier, sondern Jörg Steinbach. Der ehemalige Präsident von TU Berlin und BTU Cottbus-Senftenberg verantwortet seit einem guten Jahr die brandenburgische Wirtschaftspolitik und hat die Zeit genutzt, um Tesla in die Mark zu holen. Steinbach hat eine besondere Leidenschaft, die beim Werben um Tesla hilfreich war: Wasserstoff. Genauer: grüner Wasserstoff, der aus sauberer Energie hergestellt wird. Am liebsten würde der promovierte Chemiker an jeder Windmühle einen Elektrolyseur anschließen, der den Strom in Wasserstoff wandelt. Damit das Wasserstoffgeschäft wirtschaftlich wird, braucht es indes viel mehr grünen Strom. Auch von Windrädern. Steinbach will den Ertrag der brandenburgischen Windanlagen im nächsten Jahrzehnt um 50 Prozent erhöhen. Das klappt aber nur, wenn die Windräder näher an Häuser heranrücken oder im Wald stehen.

Der Wind hat fast die Kohle eingeholt

Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung geht Richtung 50 Prozent und soll bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Der Wind produziert derzeit deutlich mehr Strom als die Sonne und liegt hinter der Kohle auf dem zweiten Platz der wichtigsten Energieerzeuger. In wenigen Jahren sollte der Wind die Kohle abgelöst haben – eigentlich. Denn aufgrund von Regulierungen und Widerständen gegen die Verspargelung der Landschaft und die Vögel tötenden Rotoren werden kaum noch Windräder aufgestellt. Wenn künftig ein Mindestabstand von einem Kilometer bis zum nächsten Wohnhaus eingehalten werden muss, dann sinkt womöglich sogar die Menge des Windstroms. Denn die alten Anlagen, die heute innerhalb des Ein-Kilometer-Radius stehen, dürften nicht durch leistungsfähigere ersetzt werden. Die von Unstimmigkeiten und Irrlichtereien geprägte Energiewende würde um ein weiteres Paradaxon ergänzt.

Auf der Suche nach Akzeptanz

Altmaier geht es mit dem Abstand um Akzeptanz. Die Menschen fragen sich zu Recht, was sie noch alles schlucken sollen neben den permanent steigenden Strompreisen. Doch der Argwohn Richtung mancher Windbarone, die mit ihren Mühlen reich geworden sind, könnte aufgelöst werden mithilfe neuer Modelle: Kommunale Windräder unter Beteiligung der Bürger oder von Genossenschaften aufgestellt sehen nicht mehr ganz so furchtbar aus, wenn der Profit des Windes vor Ort bleibt. Die Betroffenheit fühlt sich dann ganz anders an.

Wasserstoff ist der Zukunftsstoff

Wichtiger noch für die Akzeptanz ist jedoch eine Aufladung der Energiewende mithilfe des Wasserstoffs. Altmaier ist da ganz eng bei seinem Potsdamer Kollegen Steinbach, wenn er von einem Schlüsselrohstoff für die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft spricht. Das Potenzial ist riesig: Auf Wasserstoff basierende synthetische Kraftstoffe treiben Flugzeuge und Züge, Schiffe und Kraftfahrzeuge an. Mithilfe von Wasserstoff könnte sogar die bislang extrem schmutzige Stahlindustrie CO-2-frei werden. Wasserstoff ist per Pipeline oder Schiff gut zu transportieren und kann die Abhängigkeit von Lieferanten fossiler Energieträger reduzieren. Aus Sonnenstrom erzeugter Wasserstoff aus Marokko anstatt Erdöl aus Saudi-Arabien. Das kling märchenhaft, ist aber technisch möglich. Bis Ende des Jahres will Altmaier die Wasserstoffstrategie der Regierung vorlegen. Ohne mehr Windstrom kann er das gleich bleiben lassen.

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