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Für den Ausbau der Erneuerbaren braucht man Fachkräfte.

© DPA/DPAWEB

Regierung fehlt Überblick über Fachkräftebedarf: Wie viele Klima-Jobs braucht Deutschland?

Die Bundesregierung verfolgt ambitionierte Klimaziele. Doch sie weiß wenig darüber, wie viel Fachkräfte sie dafür braucht und wie man sie ausbildet.

Von Jakob Schlandt

In ihrem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung ziemlich genau festgelegt, wie stark einzelne Wirtschaftssektoren ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 senken sollen. Im Gebäudebereich etwa sind es 66 bis 67 Prozent im Vergleich zu 1990, in der Energiewirtschaft 61 bis 62 Prozent.

Die Transformationsaufgabe ist gewaltig. Kann der Arbeits- und Ausbildungsmarkt dafür in den kommenden zehn Jahren die notwendigen Fachkräfte liefern? „Wenn die Bundesregierung mit so schwacher Intensität an die Sache herangeht wie bisher, wird sie das nicht schaffen“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Zickenheiner. Seine Skepsis beruht auf der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage seiner Fraktion. Sie bat um Auskunft zum Fachkräfte- und Ausbildungsbedarf für den Klimaschutz bis 2030 insgesamt und für einzelne Sektoren.

In der Antwort, die Tagesspiegel Background vorliegt, bleibt das Bundesarbeitsministerium über weite Strecken relativ vage. Es schreibt von einem „Arbeitskräftepotenzial“ zwischen 307000 und 427000, das vor allem im Bau- und Ausbaugewerbe, bei elektrischen Ausrüstungen, im verarbeitenden Gewerbe und im Bereich „Handel und sonstige Dienstleistungen“ entstehe. Doch ob dieser Personalbedarf gedeckt werden kann, lässt das Ministerium unter Verweis auf eine wissenschaftliche Folgeabschätzung offen. Die Frage sei nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen.

Es gibt lediglich "Anzeichen für einen Fachkräftemangel"

Ebenso wenig Aufschluss gibt es über den kommenden Fachkräftebedarf der Energiewirtschaft im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs, des Umbaus der Netze und der Sicherung der Energieversorgung: „Eine energiewendebezogene Angabe kann nicht gemacht werden“, heißt es. Eine Studie von 2018 enthalte „Anzeichen für Fachkräftemangel“, insgesamt seien Berufsgruppen mit Energiewendebezug und der jeweilige Energiewendeanteil ihrer Tätigkeiten schwer vollständig zu erfassen.

Wie viele junge Menschen müssen im Klimabereich ausgebildet werden? Auch das ist offen.

© imago/photothek

Bei der Frage der Grünen nach dem Fachkräftbedarf des Gebäude- und Heizungssektors verweist das Ministerium auf das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung, auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und auf den Dialogprozess „Roadmap Energieeffizienz 2050“ des Bundesumweltministeriums. Darin beschäftigt sich eine von sechs Arbeitsgruppen mit dem Fachkräfte- und Qualifikationsbedarf. Sie hat bisher zwei Mal getagt und versucht nach eigenen Angaben, Schlüsselberufe in einzelnen Sektoren zu identifizieren, den jeweiligen Bedarf zu erfassen und ebenso Prioritäten für das künftige Vorgehen zu setzen.

Der Grünen-Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer ist all das zu wenig. Das Ambitionsniveau des Ministeriums bei Fachkräften für den Klimaschutz wirke „eher bescheiden, stellenweise fehlt es ganz“, sagt sie über die Antwort des Arbeitsministeriums. „Es wird ein Mangel an Umsetzungskapazität eingeräumt, aber es gibt keine zielgerichteten Maßnahmen, nicht einmal die Absicht, zügig den Bedarf zu quantifizieren.“

Praktiker sehen Handlungsbedarf

Ihr Fraktionskollege Zickenheiner befürchtet im Gebäudesektor darüber hinaus ein unheilvolles Zusammentreffen von großen Ressourcen und begrenzten Möglichkeiten: „Viel Fördergeld für energetische Gebäudesanierung auszuschütten, ohne dass es ausreichend Fachkräfte zur Umsetzung der Aufträge gibt, bedeutet, dass die Preise steigen werden. Das ist der falsche Weg“, warnt der Abgeordnete aus Baden-Württemberg.

Auch Praktiker sehen dringenden Handlungsbedarf. Der Deutschland-Chef des dänischen Wärme- und Kältetechnikherstellers Danfoss, Ole Møller-Jensen, forderte im vergangenen Jahr eine „Energie- und Digitalisierungs-Ausbildungsoffensive“. Ohne „massive Investitionen in eine die angepasste Ausbildung von mehr Handwerkern“ werde es keinen klimaneutralen Gebäudebestand geben.

Auch wenn Kernkraftwerke abgeschaltet sind, braucht man für ihren Rückbau weiterhin Experten.

© imago stock&people

Christian Noll, der Chef der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff), mahnt bessere Rahmenbedingungen für solche Investitionen an: „Die Klima- und Effizienzziele stehen seit langem im Raum. Sie sind politisch aber noch nicht so zuverlässig unterfüttert, dass Unternehmen sich dafür entscheiden, dafür zusätzliche Fachkräfte auszubilden.“ Junge Menschen wie auch die Betriebe bräuchten mehr Sicherheit, um diesen Weg zu gehen. Zudem seien die Auftragsbücher vieler Handwerksbetriebe derzeit so gut gefüllt, dass gerade kleinere Anreize bräuchten, „jetzt trotzdem in Weiterbildung zu investieren, um für die Aufgaben der nächsten Jahre gerüstet zu sein“.

Auch zum Fachkräftebedarf für die Bewirtschaftung des Waldes äußert sich das Arbeitsministerium. Zickenheimer sieht es als Generationenaufgabe an, die Wälder durch forstlichen Umbau widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. „Hier geht die Bundesregierung in ihrer Antwort überhaupt nicht auf den klimabedingten Veränderungsbedarf ein“, ärgert sich Zickenheiner. „Es geht doch nicht nur darum, Stellen nachzubesetzen – es muss darum gehen, zusätzliche aufzubauen.“ Zum entsprechenden Personalbedarf schreibt das Ministerium: „Für den Bereich Forst ist keine bundesweite Quantifizierung des zusätzlichen zukünftigen Bedarfs bekannt.“

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