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Groß und hell sollen moderne Arbeitsorte sein und mehr an ein Wohnzimmer erinnern als an ein Großraumbüro.

© Getty Images/iStockphoto

Schöner schuften: Wie das Büro von morgen aussieht

Büros erinnern immer mehr an Lofts oder Hotels. Mitarbeiter buchen sich morgens einen Raum, checken ein, besprechen sich später in der Lounge. Was erstmal gut klingt, gefällt nicht jedem.

Ein junger Berater fragt den Mann an der Rezeption nach einem freien Zimmer. Er braucht eines für sich allein, bucht es, checkt ein und liest an seinem Laptop erstmal ein paar E-Mails. Man könnte meinen, der Berater befindet sich gerade in einem Hotel. Hat gleich einen wichtigen Kundentermin. Doch das hat er nicht. Er ist bei Accenture in Berlin, seinem Arbeitgeber, und beginnt seinen Tag so wie immer.

Die Art, wie sich Büros verändern, haben Unternehmen wie Accenture, Apple, Google und Microsoft in den vergangenen Jahren vorgegeben. Deutsche Konzerne wie BMW, Adidas und Siemens sind ihnen nach und nach gefolgt. Mittlerweile heißt es ständig bei Neueröffnungen: Die Mitarbeiter haben keinen fest zugeteilten Arbeitsplatz mehr, mit ihrem Kalender, ihren Urlaubsbildern, ihrer Kaffeetasse. So auch die Commerzbank, die in Berlin vor ein paar Wochen an den Lützowplatz umzog.

Seinen Arbeitsplatz muss man sich buchen

Stattdessen buchen sich Mitarbeiter morgens einen freien Platz vor Ort, über eine App oder ein Computerprogramm. Sitzen mal neben dem, mal neben jenem Kollegen. Haben die Beschäftigten tatsächlich noch Dokumente aus Papier, können sie ihre Unterlagen in einem Schrank oder Rollcontainer verstauen, den sie hin und her schieben. Abends muss der Tisch dann wieder leer und sauber zurückgelassen werden.

Immer mehr Menschen arbeiten hierzulande in Büros. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft ist der Anteil seit 2013 um 9,6 Prozent auf rund 7,8 Millionen gestiegen. Für die Zukunft rechnen die Wissenschaftler mit einem weiteren Anstieg – vor allem in München und Berlin. Eine Studie des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt ergab kürzlich, dass 58 Prozent in Einzel- oder Zweierbüros sitzen, 36 Prozent in Gruppenbüros und sechs Prozent in Großraumbüros. Zumindest noch.

Zum Telefonieren in die Telefonzelle

Schmale Korridore und enge Räume weichen immer öfter großen, hellen, wandlosen „Open-Space-Konzepten“. Für mehr Austausch, mehr Ideen. Eine weitere Tendenz ist, dass die Beschäftigten – ähnlich wie in ihrer Wohnung – verschiedene Räume für verschiedene Tätigkeiten nutzen können: Gruppenarbeitsbereiche für die Teamarbeit, Sitzecken mit Lounge-Möbeln und Bistro-Tischen für das lockere Meeting, Begegnungsorte zum Kennenlernen, Konzentrationszonen für die Einzelarbeit in Stille – sogar richtige Telefonzellen für das vertrauliche Gespräch.

So wie das „Office“ ins „Home“ gerückt ist, gleicht so manches Büro bereits einem schick eingerichteten Loft. Was macht es da, wenn man etwas länger bleibt?

Für diese Entwicklung werden etliche Gründe genannt: Da ist das Silicon Valley als Innovationstreiber. Die Technik, die das Arbeiten von überall aus möglich macht. Der Nachwuchs, der vor der Entscheidung steht: hippes oder schnarchiges Unternehmen. Und da ist die Kostenersparnis. In konventionellen Büros sind Tische oft unbenutzt, da Mitarbeiter zu Hause arbeiten, beim Kunden sind, Urlaub haben. Bei neuen Büros kalkulieren die Unternehmen von vornherein weniger Tische ein und mieten somit auch weniger Fläche an. In seiner neuen Deutschland-Zentrale in München hat Microsoft beispielsweise vor zwei Jahren 1100 Arbeitsplätze für 1900 Mitarbeiter aufstellen lassen. Bei Accenture kommen sieben Beschäftigte nur noch auf einen Platz. Experten schätzen, dass sich die Raumkosten durch die flexiblerer Nutzung um bis zu 60 Prozent reduzieren lassen.

Das klingt schlüssig – und ein Mix aus lebhaften und ruhigen Räumen ist immerhin besser als permanent im unliebsamen Großraumbüro zu sein, in dem ständig geredet und gehustet wird. Selbst der Erfinder dessen, der im Jahr 2000 verstorbene US-Industriedesigner Robert Propst, meinte am Ende seines Lebens, er habe „kahle Rattenlöcher“ geschaffen, in die „Menschen hineingestopft werden“ – und entschuldigte sich.

Nicht für jeden ist das Konzept geeignet

Für jemanden, der viel unterwegs ist, im Büro nur einen Laptop braucht, mag der Verlust vom eigenen Schreibtisch wahrlich nicht groß sein. Für ein Team, das stets in der gleichen Konstellation zusammenarbeitet oder für eine Mitarbeiterin, die dicke Aktenordner wälzt, wahrscheinlich schon. Die Unternehmen sagen: Den Älteren falle die Umstellung schwerer. Die Jüngeren, die mit Tablet und Smartphone aufgewachsen sind, wünschten sich sogar eine solche Flexibilität. Unterm Strich sei das Desk-Sharing ein Erfolg. Es fördere die Kreativität – und deswegen auch die Produktivität.

Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation haben hingegen herausgefunden: Das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern sei bei einer festen Sitzordnung etwas besser. Betriebsärzte meinen: Menschen seien zufriedener, wenn sie ihrem Arbeitsplatz eine persönliche Note geben könnten. Arbeitspsychologen sprechen von „emotionalen Kosten“ – von „Verbindlichkeits- und Bindungsverlusten“. Der Berliner Feng-Shui-Berater Peter Fischer findet, dass Rollcontainer gar gegen „menschliche Bedürfnisse verstoßen“ würden. „Wir sind territoriale Wesen und haben gern unsere gleichen Plätze – bei der Arbeit, abends am Esstisch, sogar im Doppelbett“, sagt er.

Das Arbeiten im Büro soll gesünder werden

Was für Unternehmen zur Zeit noch eine große Rolle spielt, ist das Thema Gesundheit. Mittlerweile ist jeder zweite verkaufte Tisch nach Angaben des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt einer, der sich zum stehen und sitzen verstellen lässt. Manche Stühle sind mit Sensoren ausgestattet, die dem Mitarbeiter über ein PC-Programm mitteilen, wann es mal wieder an der Zeit ist, aufzustehen und sich zu bewegen.

Wie sich Büroräume künftig entwickeln, skizziert Franz Kühmayer, Experte für die moderne Arbeitswelt beim Zukunftsinstitut. Neben dem Trend, dass Büros an Wohnungen oder Hotels erinnern, nennt er mehr Grün, mehr Natur, mehr Böden aus Holz. „Als Gegenpol zu all den Bildschirmen und technischen Geräten“, erzählt er. Viele Personalverantwortliche pilgern gerade nach London, zur neuen Europa-Zentrale des Finanzunternehmens Bloomberg. Gebaut vom Stararchitekten Lord Norman Foster, gekürt zum nachhaltigsten Gebäude der Welt. Dort werden die Toiletten mit aufgefangenem Regenwasser versorgt. Schauen die Mitarbeiter nicht auf einen Monitor, dann auf Glas, Aquarien und Wasserfälle. Brauchen sie Ruhe, gehen sie in den Wellnessbereich.

Entscheidend ist die Kultur

Bunte Möbel und hübsche Pflanzen nutzen jedoch nichts, wenn die Unternehmenskultur nicht stimmt. Diskutieren zwei Mitarbeiter in der Lounge über ein Projekt, muss der Vorgesetzte einordnen können, dass sie gerade arbeiten und nicht stundenlang tratschen. Ein kritischer Blick würde zu einer Atmosphäre von Druck und Missverständnissen führen. Die Mitarbeiter davon zu überzeugen, wie sinnvoll flexible Arbeitsplätze sind, ist außerdem schwer möglich, wenn der Chef stets im Einzelbüro sitzt, weil es da so schön geordnet ist und er gern einen Platz nur für sich und seine Sachen hat. Bei Accenture und Bloomberg muss sich beispielsweise jeder jeden Morgen einen Platz oder Raum buchen. Ohne Ausnahme.

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