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Frauen sind unglücklicher als Männer. Sie kümmern sich neben der Arbeit meist um die Kinder.

© imago images/Westend61

Selbstständige, Frauen, Geringverdiener: Wer zur Zeit besonders unter Stress und Sorgen leidet

Die Corona-Pandemie hat das Arbeitsleben der Deutschen grundlegend geändert. Eine Umfrage zeigt, wen die Krise am härtesten trifft.

Selbständige gehören zu den größten Verlierern der Pandemie. Viele können kaum arbeiten oder gar nicht mehr. Finanzielle Sorgen, die Angst um ihre Existenz, haben bei ihnen im Vergleich zu Angestellten besonders stark zugenommen. Das zeigt, dass viele von ihnen trotz der Hilfspakete zweifeln: Wird es mein Unternehmen in ein paar Wochen noch geben? Wird es den Stillstand überstehen?

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). In die Analyse gingen Aussagen von etwa 6200 Personen zwischen 18 und 65 Jahren ein, die bis zum 5. April den Fragebogen online ausgefüllt haben.

Kurz nachdem in Deutschland Schulen und Kitas geschlossen wurden, wollten Mareike Bünning, Lena Hipp und Stefan Munnes vom WZB herausfinden, welche Auswirkungen die aktuelle Krise auf den Alltag der Menschen in Deutschland, auf ihre Arbeit, ihr Familienleben und Wohlbefinden hat.

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Wie unterschiedlich die Realitäten zur Zeit sind, zeigt sich auch beim Homeoffice. Die Wahrscheinlichkeit, dass Akademiker daheim arbeiten, liegt fast 25 Prozentpunkte über der von Personen mit einem nicht akademischen Berufsabschluss. Wer gerade über den Schreibtisch im Wohnzimmer klagt, verdient eher gut als wenig Geld.

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Hilfe in systemrelevanten Jobs? Von wegen

Was die Sozialwissenschaftlerin Mareike Bünning überrascht hat? Angestellte, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, fühlen sich weniger durch ihren Arbeitgeber unterstützt als solche in nicht-systemrelevanten Berufen. "Man würde doch das Gegenteil erwarten - mehr Vorteile, mehr Anerkennung", sagt sie. Anscheinend hätten die Menschen aber nicht das Gefühl, dass ihre enormen Belastungen angemessen kompensiert werden.

Am wenigsten Hilfe nehmen Beschäftigte in der Produktion, der öffentlichen Verwaltung, in den Bereichen Erziehung und Unterricht sowie Gesundheit und Soziales wahr. Damit einher geht, dass sich Geringverdiener weniger gesehen und umsorgt fühlen als Gutverdiener.

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Noch mehr Ungleichheiten offenbaren sich: Eltern sind im Vergleich zur "Vor-Corona"-Zeiten zwar zufriedener mit ihrem Familienleben als Kinderlose. Mütter sind aber weitaus unglücklicher geworden als Väter. Das liegt womöglich daran, dass sie oft die Hauptlast der Kinderbetreuung zu Hause tragen, den Stift immer mal wieder zur Seite legen, beruflich zurückstecken. Tatsächlich zeigen die Daten: Mütter arbeiten seltener als Väter im selben Stundenumfang wie vorher (minus 6 Prozentpunkte) und häufiger gar nicht (plus 4 Prozentpunkte).

[Frauen halten in Zeiten von Corona in systemrelevanten Berufen den Laden am Laufen. Trotzdem trifft sie Krise besonders. Lesen sie hier unsere Datenanalyse. (Abo)]

Gleichzeitig bangen Frauen mehr um ihren Job. "Wir sehen auch hier einen Müttereffekt", sagt Mareike Bünning, Mitautorin der Studie. "Bleiben die Schulen und Kitas geschlossen, werden sie am ehesten die sein, die nicht arbeiten können - und sie werden den Verlust ihrer Stelle fürchten." Große Ängste durchleben gerade außerdem jene, die ohnehin nur schwer von ihrem Lohn leben können.

Die weibliche Perspektive fehlt in Debatten

Die WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger hat schon vor Veröffentlichung der Studie auf die Vernachlässigung von Frauen hingewiesen. "Es sind insbesondere alleinerziehende Frauen, junge Mütter und junge Familien, die mit der jetzigen Situation gar nicht zurechtkommen", sagte sie dem Tagesspiegel in einem Interview. "Sie haben die Struktur in den Tag zu bringen, müssen Lehrerinnen und Lehrer spielen, die Musikschule, den Sportverein und die Freundeskreise ihrer Kinder ersetzen. Und dann müssen und wollen sie auch noch erwerbstätig sein."

Allmendinger vermisste die weibliche Perspektive auch in der jüngsten Leopoldina-Empfehlung zu möglichen Lockerungen. "Zum einen liegt das Durchschnittsalter der Mitglieder der Leopoldina-Arbeitsgruppe bei über 60 Jahren. Zum anderen haben wir bei den 26 Mitgliedern nur zwei Frauen. Beides spiegelt wider, was die Ad hoc-Empfehlung ausspart", kritisierte sie.

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