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Einfach mal den Stecker ziehen: Wer weniger verbraucht, spart Geld.

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Schwarze Liste für Strom- und Gaskunden?: Wenn Verbraucher zu oft wechseln

Daten- und Verbraucherschützer wollen Auskunfteien wie die Schufa stoppen. Doch die sagt: Solche Daten haben wir niemals sammeln wollen.

Wer seine Strom- oder Gaskosten senken will, hat zwei Möglichkeiten: Man kann versuchen, weniger Energie zu verbrauchen. Oder man macht sich auf die Suche nach einem billigeren Anbieter. Wer bereit ist, seinen Lieferanten zu wechseln, profitiert von günstigeren Tarifen, meist kommt noch ein Bonus hinzu.

Doch allzu häufig sollte man das nicht tun, zeigen Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR. Danach planen Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa oder Crif Bürgel Datenpools, die Vertragsdaten von Strom- und Gaskunden speichern. Energieversorger sollen so gezielt Dauerwechsler erkennen und einen Bogen um sie machen können. Denn Versorger sind vor allem an treuen Kunden interessiert, die nicht ständig auf Schnäppchenjagd sind.

Clevere Kunden sollen bestraft werden, sagen Verbraucherschützer

Verbraucherschützer sind empört. „Kunden, die mit Neukundenboni umworben werden und von Wechselangeboten Gebrauch machen, müssen künftig damit rechnen, dafür abgestraft zu werden“, ärgert sich Wolfgang Schuldzinski, Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Sofern in den Datenbanken auch die früheren Vertragslaufzeiten der Verbraucher gespeichert sind und weitergegeben werden, können die Daten dazu verwendet werden, Vielwechsler zu identifizieren und systematisch von attraktiven Bonusangeboten auszuschließen“, warnt auch Marie Barz, Energieexpertin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV).

Mehr Strom fürs selbe Geld: Wer den Lieferanten wechselt, bekommt bessere Tarife.

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Und auch beim Internetdienstleister Check24, der sein Geld mit dem Wechselwillen der Kunden verdient, ist man alles andere als erfreut. Kerngedanke der Liberalisierung der Energiemärkte sei es gewesen, den Verbrauchern über transparente Märkte den Wechsel zu günstigeren Tarifen zu ermöglichen, gibt Sprecherin Dagmar Ginzel zu bedenken. Eine derartige Datenbank sei daher das Gegenteil von verbraucherfreundlich.

Datenschützer haben Bedenken

Doch möglicherweise ist das Thema schon wieder vom Tisch. Am Montag trafen sich Vertreter der Datenschutzbehörden von Bund und Ländern, um im „Arbeitskreis Auskunfteien“ über die Zulässigkeit solcher Datenpools für Strom- und Gaskunden zu beraten. Crif Bürgel und die Schufa hätten dabei versichert, dass bei der – derzeit lediglich geplanten – Verarbeitung von Daten der Energiekunden Rückschlüsse auf eine etwaige Wechselneigung ausgeschlossen sind, hieß es am Dienstag aus dem Arbeitskreis.

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Die Schufa kennt jeder: Doch neben der Schufa-Auskunft für Verbraucher sammelt die Schufa auch Daten für Unternehmen.

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Die jüngsten kritischen Äußerungen der Verbraucherzentralen habe der Arbeitskreis zur Kenntnis genommen und in seine Überlegungen mit einbezogen. In einem ersten Ergebnis sei man einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass „erhebliche Zweifel“ an der Verarbeitung von Positivdaten durch Wirtschaftsauskunfteien im Bereich der Energieversorgungsbranche bestehen. Anders als Negativdaten, die Auskunft über Zahlungsrückstände oder andere Vertragsverstöße des Kunden geben, enthalten Positivdaten quasi neutrale Infos wie etwa Angaben über Vertragslaufzeiten. Eine endgültige Positionierung der Datenschützer soll die gemeinsame Konferenz der Datenschutzbeauftragten bringen, die für den 25. November geplant ist.

Schufa dementiert: Wir haben nie den Versorgerwechsel erschweren wollen

Bei der Schufa weist man Vorwürfe, dass ihre Produktidee Verbrauchern den Wechsel des Energieversorgers verwehren könnte, als „falsch und irreführend“ zurück. Die seinerzeit überlegte Idee eines Datenpools für Energieversorger sei erstens nicht bis zur Marktreife entwickelt worden und zweitens gar nicht geeignet gewesen, eine Aussage darüber zu machen, wie lange ein Verbraucher bei seinem neuen Versorger bleibt. Erst recht habe man keine Aussagen über mögliche Vielwechsler treffen können.

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Die Idee hinter dem E-Pool sei vielmehr gewesen, Verbrauchern auch dann einen günstigen Strom- oder Gasvertrag zu ermöglichen, wenn sie in anderen Marktsegmenten eine negative Zahlungshistorie haben. Geplant war, sagt die Schufa, in dem Datenpool das älteste aktuell existierende Energiekonto eines Kunden zu erfassen sowie mögliche Zahlungsstörungen.

Crif Bürgel: Wir haben derzeit keinen Datenpool

Crif Bürgel teilte am Dienstag auf Tagesspiegel-Anfrage mit, man biete derzeit keinen geschlossenen Datenpool für Energieversorger an. Über potentielle zukünftige Projekte erteile man generell keine Auskunft. Dass sich der Arbeitskreis am Montag zu einem ersten einstimmigen Ergebnis durchringen konnte, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Süddeutsche Zeitung und der NDR zitieren aus einem Papier des Hessischen Landesdatenschutzbeauftragten, wonach die Branche durch Vergleichsportale wie Check24 unter wirtschaftlichem Druck stehe. Die aktuelle Marktsituation beinhalte daher „das Risiko des dauerhaften Abschlusses von unrentablen Neuverträgen“. Die Schufa, muss man wissen, hat ihren Sitz in Hessen. Auf Tagesspiegel-Anfrage verwies die Datenschutzbehörde auf den laufenden Abstimmungsprozess innerhalb der Datenschutzkonferenz. Man könne daher derzeit keine Auskunft geben.

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Berliner Datenschutzbeauftragte will Berliner Versorger "genau prüfen"

Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk bezieht dagegen schon jetzt klar Position. Sie hat große Zweifel an der Zulässigkeit von Datenpools, die Positivdaten erfassen. „Wir werden entsprechende Datenübermittlungen durch Berliner Anbieter genau prüfen“, sagte Behördensprecherin Dalia Kues dem Tagesspiegel. Und auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, hält es für schwierig, wenn bei Kunden, die ihren Vertrag ordnungsgemäß erfüllen, zusätzliche persönliche Daten erhoben werden, die gegen sie verwendet werden können.

Dürfen Versorger Kunden ablehnen?

Dürften Versorger denn wechselwillige Kunden überhaupt ablehnen? Ja, sagt Marie Barz vom VZBV. In Deutschland gelte Vertragsfreiheit, das heißt außerhalb der Grundversorgung können sich die Unternehmen ihre Kunden selbst aussuchen. Ausnahmen könnten nur in den Fällen gelten, in denen Versorger eine marktbeherrschende Stellung haben und Kunden aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen zurückweisen. Aber: Niemand muss befürchten, ohne Strom dazustehen. Selbst wer keinen Vertrag hat, wird beliefert durch die Grundversorgung.

Wie viele Kunden wechseln

Nach Angaben der Bundesnetzagentur haben 2018 – neuere Zahlen hat die Behörde nicht – 4,7 Millionen private Strom- und rund 1,5 Millionen Gaskunden ihren Lieferanten gewechselt. Wenn Kunden abgelehnt werden, liegt das meist an Formalitäten, berichtet Dagmar Ginzel von Check24: ein falsch eingetragener Name oder ein Zahlendreher in der Zählernummer. Doch eine Unsicherheit bleibt: Lehnt ein Versorger einen Kunden ab, muss er das nicht begründen.

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