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Ohne die Helfer aus dem Ausland läuft bei der Spargelernte nichts.

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Wenn helfende Hände fehlen: So versuchen Bauern, die Spargelernte noch zu retten

Mit großem Aufwand holen Spargelbauern Saisonkräfte zur Ernte nach Deutschland – doch es sind zu wenige. Jetzt soll die Politik helfen.

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Allein Ernst August Winkelmanns Spargelhof in Klaistow im Beelitzer Anbaugebiet benötigt für die diesjährige Spargelernte 800 Saisonkräfte für Feldarbeit und Logistik, bisher hat er aber erst gut die Hälfte beisammen. Und das auch nur, weil er bereits bei Ausbruch der Coronakrise in Italien ahnte, was auf die Höfe hierzulande zukommen würde.

Vier Wochen früher als sonst hat er Erntehelfer in Rumänien angeworben, um sie hier in einer eigens gekauften Kaserne unterzubringen. Winkelmann weiß, das wird ihn über die nächsten 14 Tage bringen. Wenn jedoch Mitte April das Wetter wärmer wird, der Spargel schießt, braucht er noch einmal deutlich mehr Arbeiter. Denn Spargel, drängt er erst einmal an die Oberfläche, verdirbt schnell.

Winkelmann ist in Brandenburg einer der größeren der Branche und Spargel hierzulande ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. 

22.000 Tonnen wurden im vergangenen Jahr in Brandenburg geerntet, gut die Hälfte im Beelitzer Anbaugebiet, allein 6000 Tonnen sind es bei Winkelmann. Doch in Deutschland bangen derzeit viele Bauern, weil in diesem Frühjahr Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa Corona-bedingt ausbleiben könnten.

Geschlossene Grenzen werden zum Problem

Im Vorjahr waren um diese Zeit bereits 9000 Erntehelfer vor allem aus Rumänien und Polen auf den deutschen Spargelhöfen eingetroffen. Geschlossene Grenzen, Angst vor der Ansteckung sowie bürokratische Hürden haben dazu geführt, dass viele Erntehelfer die Reise gar nicht erst antreten.

Polen, die 2019 gut 20 Prozent der Erntehelfer gestellt haben, könnten zwar kommen, weil die deutsch-polnische Grenze offen ist. Sie bleiben aber oft freiwillig in ihrer Heimat.

Da sind zum einen die schwer einschätzbaren gesundheitlichen Risiken, Polen weist bisher geringere Infektionsraten auf. Zum anderen könnten sie nicht wie gewohnt kurzfristig zu ihren Familien nach Hause, weil sie bei einer Rückkehr aus Deutschland, etwa zum Osterfest, 14 Tage in Quarantäne müssten.

Ernst August Winkelmann auf seinem Spargel- und Erlebnishof in Klaistow
Ernst August Winkelmann auf seinem Spargel- und Erlebnishof in Klaistow

© Sebastian Gabsch PNN

Den größten Anteil an den Erntehelfern, die teils seit Jahren auf den deutschen Höfen gearbeitet haben, stellt Rumänien. Für die Rumänen gilt, sie würden gerne kommen, scheitern aber, weil der Landweg so gut wie dicht ist: Ungarn, Österreich, Tschechien, Serbien und die Ukraine haben die Grenzen geschlossen. 

Auch die rumänischen Behörden behindern die Ausreise: So müssen die Saisonarbeitskräfte Arbeitsvertrag. Krankenversicherungsbestätigung und zwei weitere Formulare vorweisen, sonst werden sie gar nicht ins Flugzeug gelassen.

Die Spargelernte ist nur der Anfang

Die Spargelernte ist gewissermaßen der Lackmustest, für das, was da noch kommt, denn es geht um das erste Frischgemüse, das seit Beginn der Coronakrise hierzulande geerntet wird. Das Volumen betrug im Vorjahr für Deutschland 130.000 Tonnen, mit einem Wert von fast 845 Millionen Euro.

Viele Spargelbauern versuchen nun sich selbst zu helfen, etwa indem sie eine Art Luftbrücke organisieren. Doch auch dieser Weg ist beschwerlich, wie das Beispiel der Brüder Josef und Jürgen Jakobs mit ihren beiden Jakobshöfe im Beelitzer Anbaugebiet zeigt.

Jürgen Jakobs, auch Vorsitzender des Beelitzer Spargelvereins, wartete vergangenen Donnerstag vergeblich auf die ersten 100 rumänischen Helfer, für die er auf eigene Kosten Flugtickets gebucht hatte. Die rumänische Botschaft in Berlin sowie die deutsche Botschaft in Rumänien waren informiert, alle Dokumente schienen vorzuliegen – am Ende fehlte dem Vernehmen nach eine deutsche Meldebescheinigung, weshalb die Rumänen gar nicht erst einsteigen durften.

Jürgen Jakobs ist Vorsitzender des Spargelvereins.
Jürgen Jakobs ist Vorsitzender des Spargelvereins.

© dpa

Inzwischen ist das Papier besorgt, Freitag und Samstag trafen rund 120 Erntehelfer aus Bukarest ein, mit den polnischen Vorarbeitern, dir schon da sind, kommt Jakobs so auf die Hälfte des Bedarfs, auch hier gilt: das reicht bis Mitte April. Wenn die Ernte auf allen Feldern beginnt, ist sie mit den vorhandenen Kräften nicht zu bewältigen.

Es geht um die Selbstversorgung der Bevölkerung

In anderen Teilen Deutschlands sieht es nicht besser aus. Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE) warnt: „Die Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen für eine problemlose Einreise klären.“ Der deutsche Obst- und Gemüsebau stelle die Selbstversorgung der Bevölkerung sicher und sei damit eine „überlebenswichtige Branche“. Sollte die Politik nicht helfen, würden „zwangsläufig Insolvenzen Lücken im Versorgungssystem“ reißen.

Die Politik ist alarmiert. Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hält den Einsatz von Flüchtlingen für möglich: „Anerkannte Asylbewerber oder Hartz-IV-Empfänger könnten die Chance erhalten, den Landwirten und damit der Gesellschaft zu helfen.“

Beim Bauernverband gehen zudem derzeit viele Telefonanrufe von Freiwilligen ein. Auch Vermittlungsbüros von Studentenjobs melden sich. Montag hat der Bundesverband Maschinenringe eine Plattform (www.daslandhilft.de) im Internet freigeschaltet, auf der Arbeitswillige und Betriebe zusammengebracht werden. 

Spargelbauern wie Winkelmann bezweifeln zwar, dass ungelernte Kräfte bei der Ernte des Edelgemüses eine Hilfe wären. In den Bereichen Logistik und Vertrieb wären sie aber eine willkommene Hilfe. Der Branchenverband der Spargelbauern VSSE will ab Mittwoch eine Seite im Netz zur Verfügung stellen, auf der sich Spargelbauern zusammentun und gemeinsam Flugzeuge chartern können.

Das Angebot dürfte in diesem Jahr kleiner ausfallen

Die Kosten sind immens, zumal die Flieger leer wieder zurückfliegen. „Unsere Betriebe tun aber alles, um ihre Existenz zu sichern“, so Schumacher weiter. Er rechnet ohnehin mit einem deutlich eingeschränkten Angebot in diesem Jahr. Da die Menschen zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung zu Hause bleiben sollen, werde die Direktvermarktung an Ständen in den Innenstädten schwierig.

In diesem Jahr werden allen Bemühungen zum trotz weniger Helfer kommen als sonst.
In diesem Jahr werden allen Bemühungen zum trotz weniger Helfer kommen als sonst.

© dpa

Das gilt natürlich auch für die Beelitzer Höfe. Jakobs erwirtschaftet mehr als 50 Prozent über die beiden hofeigenen Restaurants und die Hofläden sowie über den Straßenverkauf vor allem in Berlin. Die Hofläden sind geöffnet, die Restaurants aber bleiben vorläufig geschlossen und ob der Straßenverkauf im gewohnten Umfang organisiert werden kann, ist fraglich.

80 Prozent des Umsatzes gefährdet

Auf dem Spiel stehen für Bauern wie die Brüder Jakobs 80 Prozent des Unternehmensumsatzes, den sie allein mit der Spargelernte erwirtschaften. Doch das Problem endet für viele Landwirte nicht mit der Saison im Juni. 

In einigen Wochen beginnt die Erdbeerernte, die ebenfalls nicht ohne Helfer aus dem Ausland auskommt. Feldsalat muss jetzt gesetzt werden. Und auch bei der Fleischproduktion tun sich Probleme auf: Aus Dänemark und den Niederlanden werden in großer Stückzahl Ferkel für die Mast nach Deutschland gebracht. Staus an den Grenzen behindern die Viehtransporte. Außerdem sind in den großen Schlachthöfen viele Rumänen beschäftigt, die wegen der Krise ausbleiben könnten.

EU soll helfen

Der Chef des Agrarausschusses im Europa-Parlament, Norbert Lins (CDU), sieht die Kommission gefordert. Im Vorfeld des Ministertreffens der 27 EU-Landwirtschaftsminister am Mittwoch mahnt der Abgeordnete in einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der dem Tagesspiegel vorliegt, eine „kurzfristige EU-Lösung“ an. 

Lins schlägt einen europäischen „Passierschein“ vor, der den Erntehelfern an den Grenzen und Flughäfen freie Einreise gewähren soll. Frühere Krisen hätten gezeigt, so Lins weiter, dass „ein reines Ersetzen der ausländischen Arbeitskräfte durch nationale Arbeitskräfte nur bedingt zielführend“ sei. Lins fordert schnell die Einrichtung der „grünen Korridore“ für Nahrungsmitteltransporte an den Grenzen. Freie Fahrt müsse aber auch für Futtermittel, Dünger und Pflanzenschutzmittel gelten.

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