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Weil Christopher Plantener bei seiner Bank keine guten Konditionen bekam, gründete der Freiberufler das Fin-Tech Kontist

© Christopher Plantener

Kontist, Holvi und Co.: Warum Selbstständige häufig auf Finanz-Start-ups angewiesen sind

Banken bieten Freiberufler häufig schlechte Konditionen. So auch Christopher Plantener - der daraufhin selbst ein Fin-Tech gründete, um sein Konto zu führen.

Von Carla Neuhaus

Als Freiberufler gehört man nicht gerade zu den Lieblingskunden der Banken und Sparkassen. Christopher Plantener weiß das aus eigener Erfahrung. Mehrere Firmen hat er bereits gegründet – und doch für sein Geschäftskonto bei seiner Bank zehn Jahre lang weder einen Dispokredit noch eine Kreditkarte bekommen. „Ich habe der Bank immer wieder offengelegt, wie gut ich verdiene“, sagt Plantener. „Trotzdem hieß es nur: Sie sind selbstständig, da können wir nichts machen.“

Vor drei Jahren war sein Frust so groß, dass Plantener sein eigenes Finanz-Start-up gegründet hat. Kontist heißt das und bietet Bankkonten ausschließlich für Freiberufler an. Von denen gibt es viele in Deutschland. 4,1 Millionen Selbstständige zählen die Statistiker hierzulande, gut die Hälfte von ihnen haben keine Angestellten. Das sind freie Designer, Programmierer, Texter – die bei den klassischen Banken meist durchs Raster fallen.

„Für Banken sind Freiberufler und Kleinunternehmer als Kunden häufig unattraktiv“, sagt Christian Fahrholz, Finanzexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Banken wünschten sich Kunden mit einem regelmäßigen, konstanten Einkommen. Bei Selbstständigen aber schwankt das, hin und wieder kann es auch schon mal ausfallen. „Die Banken stufen Selbstständige deshalb tendenziell als Risikokunden ein“, sagt Fahrholz. Notgedrungen nutzen daher viele ihr Privatkonto auch beruflich oder zahlen hohe Kontoführungsgebühren.

Start-ups nehmen den Papierkram ab

„Bisher haben die traditionellen Bankinstitute sich wenig um das Segment der Freiberufler und Mikro-Unternehmer gekümmert“, bestätigt auch Antti-Jussi Suominen, der Gründer von Holvi, einem finnischen Finanz-Start-up für Freiberufler und Kleinunternehmer. 2011 in Helsinki gegründet hat Suominen mit seinem Unternehmen schnell nach Deutschland expandiert. „Der deutsche Markt ist unser zweiter Heimatmarkt und deshalb von großer Bedeutung“, sagt er. 60.000 seiner insgesamt 150.000 Kunden kommen heute aus der Bundesrepublik. In sechs weiteren europäischen Ländern ist er mittlerweile aktiv.

Dabei geht es Gründern wie Suominen und Plantener nicht nur darum, Selbstständigen ein Konto und eine Kreditkarte anzubieten. Sie versuchen ihnen auch einen Teil des lästigen Papierkrams abzunehmen. Bei Holvi können Kunden zum Beispiel die Belege fürs Arbeitsessen oder die Fahrt zum Flughafen per Smartphone einscannen und für die Buchhaltung ablegen. Auch zeigt die App automatisch an, wann welcher Kunde seine Rechnung bezahlt hat.

Bei Kontist bekommen die Kunden in Echtzeit ausgerechnet, wie hoch ihre Einkommens- und Umsatzsteuern ausfallen werden. Um kein Geld auszugeben, das später das Finanzamt zurückverlangen wird, können sie die Beträge automatisch auf Unterkonten übertragen.

Bewährt sich dieses Modell, glaubt DIHK-Experte Christian Fahrholz, dürften die klassischen Banken diese Fintechs am Ende aufkaufen. Bei Holvi ist das sogar schon geschehen. Das finnische Start-up gehört seit drei Jahren BBVA, der zweitgrößten Bank Spaniens.

Deutsche Bank testet Fyrst

Die Deutsche Bank versucht es erstmal auf einem anderen Weg. Mit ihrer Tochter, der Postbank, hat sie ein Jahr lang an einem Konkurrenzprodukt getüftelt. Fyrst heißt das und bietet seit Kurzem ebenfalls Onlinekonten für Selbstständige und Gründer an. Der Name ist allerdings irreführend. Fyrst ist isländisch und heißt „zuerst“. Dabei sind die Deutsche Bank und die Postbank mit ihrem Angebot gar nicht die Ersten am Markt. Holvi bietet seinen Dienst hierzulande bereit seit 2015 an, Kontist seit 2016.

Fyrst ist noch in der „Testphase“, sagt ein Postbank-Sprecher. Deshalb wirbt der Konzern zum Beispiel bislang nicht aktiv um Kunden. Und auch sonst ist Fyrst für den Konzern ein Experiment: Es ist losgelöst von den sonstigen Angeboten der Bank und funktioniert als reines Onlinekonto. Wer etwa in einer Postbank-Filiale nach Fyrst fragt, wird dort auf die Homepage verwiesen. Und wer die besucht, erkennt auf den ersten Blick gar nicht, dass hinter dem Angebot ein klassisches Geldinstitut steht. Der in Mintgrün gehaltene Internetauftritt wirkt wie der eines Start-ups – mit dem einzigen Unterschied: Der Kunde wird gesiezt, nicht geduzt, wie das bei Techfirmen sonst üblich ist.

Dass nun auch die Deutsche Bank in diesen Markt einsteigt, zeigt das Potenzial. Trotzdem ist der Erfolg keineswegs vorprogrammiert. Mit Hufsy gibt gerade ein Anbieter wieder auf. Das Start-up, 2011 von einem deutsch-dänischen Team gegründet, hat sich mit seinem Konto ebenfalls an Freiberufler und Kleinunternehmer gerichtet. „Wir haben Banking für Unternehmer neu erfunden“, heißt es noch immer auf der Internetseite, obwohl der Betrieb bereits in Kürze eingestellt werden soll.

„Hufsy hat sich im aktuellen Wettbewerbsumfeld leider nicht so entwickelt, wie wir das erwartet und gehofft hatten“, sagt Frank Schwab, der das Start-up zuletzt geleitet hat. „Wir haben die Situation von Hufsy gründlich untersucht und festgestellt, dass das Engagement, das erforderlich ist, um das Unternehmen voranzubringen, zu groß ist.“

Anders als Kontist, das ausschließlich um Selbstständige wirbt, wollte Hufsy auch Firmen mit bis zu 100 Mitarbeitern als Kunden gewinnen. Denn auch diese haben zum Teil Schwierigkeiten mit den klassischen Geldhäusern. „Die Banken müssen hohe regulatorische Vorgaben erfüllen, egal ob der Kunde ein Großunternehmen oder ein kleiner Betrieb ist“, sagt Fahrholz. Das macht es für Institute weniger attraktiv, sich um kleine Firmen zu bemühen.

Das Konto wird zur Nebensache

Dass Hufsy dennoch nicht der Durchbruch gelungen ist, hält man bei der Konkurrenz für bedauerlich. „Für uns kann das nur ein Ansporn sein, noch bessere Lösungen für unsere Kunden zu bieten, die weit über das ,normale’ Bankgeschäft hinausgehen“, sagt etwa Marko Wenthin. Er hat in Berlin die Start-up-Bank Solaris mitaufgebaut und leitet inzwischen das Fintech Penta. Das richtet sich bislang in erster Linie an Gründer.

Künftig will sich Penta auch für den Mittelstand öffnen – aus einem einfachen Grund: „Wenn es gut läuft, wird aus einem Start-up nach ein paar Jahren eine etwas größere Firma“, sagt Wenthin. Ist das der Fall, will Penta sie als Kunde weiter betreuen können. Die Ziele sind dabei ambitioniert: Von heute 8000 soll die Zahl der Kunden bereits bis Jahresende auf 20.000 steigen. Helfen soll dabei die Expansion nach Italien und frisches Geld von Investoren: Acht Millionen Euro hat Penta gerade eingesammelt, unter anderem vom neuen Investor Holtzbrinck Ventures.

Auch bei Kontist, dem Konto für Freiberufler, geht es voran. Im vergangenen Jahr ist Haufe, ein Anbieter von Buchhaltungssoftware, mit fünf Millionen Euro eingestiegen. Gründer Plantener will das Geld nutzen, um das Geschäftsmodell zu erweitern. Kunden sollen in ihrem Onlinekonto nicht nur die Höhe der fälligen Steuern ausgewiesen bekommen, sondern sie auch gleich mit dem Finanzamt abrechnen können. Auch zwischen Onlinekonto und Buchführungssoftware sollen die Grenzen weiter verschwimmen. „Unsere Vision ist eine App, über die Selbstständige alle finanziellen Belange erledigen können“, sagt Plantener. Das Konto wird dann fast zur Nebensache.

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