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Das dauert. Verpasst der Reisende seinen Flug nach zu großer Wartezeit in der Sicherheitskontrolle, hat er noch nicht einmal Anspruch auf Entschädigung.

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Wartezeit am Check-In: Warum die Schlangen am Flughafen immer länger werden

Sicherheitsfirmen klagen über Verwaltungschaos und Nachwuchsmangel. Auch die Gepäckvorgaben der Billig-Flieger tragen dazu bei. Dabei gibt es Lösungen.

Passagiere in Warteschlangen, die zum Teil sogar ihren Flug verpassen: Die Sicherheitskontrollen im Luftverkehr sorgen immer wieder für Diskussionen, bei denen sich die Beteiligten – Airlines, Flughäfen, Polizeibehörden und Sicherheitsfirmen – gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Oft heißt es, die privaten Sicherheitsunternehmen würden zu wenige auch noch unterbezahlte Mitarbeiter beschäftigen.

Der Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), Udo Hansen, konterte dies jüngst vor Mitgliedern des Luftfahrt-PresseClubs in Berlin: Man könne nur so viele Leute einstellen, wie vom Auftraggeber angefordert und bezahlt werden. Er spricht von einem „administrativen Chaos“ und fordert umfangreiche Verbesserungen.

Bei den Passagierkontrollen hat die Bundespolizei an 13 großen deutschen Verkehrsflughäfen die Oberhoheit. Nicht so in Bayern, in Nürnberg und München, dort sind die Luftämter des jeweiligen Regierungspräsidiums zuständig. An kleineren Regionalflughäfen haben die unterschiedlichsten Landesbehörden das Sagen. Und jeder interpretiert die gesetzlichen Vorgaben anders, sagte Hansen.

Für die Zugangskontrolle der Mitarbeiter sind dagegen die Landesbehörden zuständig, die Aufsicht über die Kontrolle der Luftfracht hat das Luftfahrt-Bundesamt. Und die Bewachung der abgestellten Flugzeuge schließlich müssen die Fluggesellschaften selbst regeln. Sie alle beauftragen entsprechende Privatfirmen.

Auf dem Einkommensniveau eines Polizisten

So wie die Auftraggeber unterscheiden sich auch die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter. Für die Passagier-Kontrolleure gelten andere Ausbildungs- und Prüfungskriterien sowie Tarife als für deren Kollegen, die Flughafenmitarbeiter kontrollieren. Wieder andere Bedingungen herrschen für diejenigen, die die Luftfracht überprüfen. Ein kurzfristiger Austausch von Personal bei Engpässen ist so nicht möglich, klagt Hansen, der früher Referatsleiter im Bundesinnenministerium war und später das Bundespolizeipräsidium Ost leitete. Er fordert deshalb die Abschaffung der unterschiedlichen Qualifikationen, Ausbildungs- und Prüfungsgänge, um das Personal flexibler einsetzen zu können. Ziel sei es, „eine Grundqualifizierung langfristig durchzusetzen“.

Zumindest bei den rund 9300 Luftsicherheitsassistenten in der Passagierkontrolle ist es dem Verband gelungen, einen bundeseinheitlichen Tarif auszuhandeln, so BDLS-Geschäftsführerin Cornelia Okpara. Damit liegt man auf dem Einkommensniveau eines Polizisten im mittleren Vollzugsdienst. Zuvor gab es ein Gewirr von 16 Tarifverträgen mit nicht weniger als 60 verschiedenen Fallgruppen. Jetzt wird über einen Manteltarifvertrag verhandelt.

Immer wieder gibt es Unmut bei Passagieren ebenso wie bei Fluggesellschaften, weil es an den Sicherheitskontrollen lange Warteschlangen gibt, aber oft nicht alle Kontrolllinien besetzt sind. Verpasst der Reisende seinen Flug, hat er noch nicht einmal Anspruch auf Entschädigung. Dass am Berliner Flughafen Tegel oft Passagieren der Kragen platzt, die an manchen Flugsteigen in Megaschlangen stehen, weil nur eine Kontrolllinie in Betrieb ist, während die Mitarbeiter nebenan genüsslich ihre Frühstücksbrote kauen, kann Okpara verstehen. Das wirke „provozierend“, sei aber durch den Platzmangel begründet. Weil es in Tegel an Aufenthaltsräumen mangelt, müssen die Mitarbeiter ihre vorgeschriebenen Pausen am Arbeitsplatz absolvieren.

"Den halben Hausstand in den Rucksack stopfen"

Verzögerungen gebe es auch durch den zunehmenden Anteil der Billigflieger, die hohe Zusatzgebühren für aufgegebenes Gepäck fordern und Reisende so veranlassen, „den halben Hausstand in den Rucksack zu stopfen“, so Hansen. In den seltensten Fällen handele es sich bei Personalengpässen um Fehlplanungen der Sicherheitsfirmen, betont der Verbandschef. Die Bundespolizei gebe vor, welche Kontrollstellen in welchen Zeitfenstern zu besetzen sind und wie viele Mitarbeiter dafür bezahlt werden.

Sie bekommen die Informationen von den Flughäfen, diese wiederum von den Fluggesellschaften. All das geschehe oft noch umständlich per Telefon oder Fax. Notwendig sei eine einheitliche, digitale Plattform für den schnellen Datenaustausch aller Beteiligten. Die Bedarfsvorgaben erfolgen zudem langfristig. Wird die Zahl der Mitarbeiter bei unerwarteten Passagiersteigerungen erhöht, dauert es mindestens ein halbes Jahr bis die neuen Mitarbeiter nach Sicherheitsüberprüfung, Ausbildung und Prüfung einsetzbar sind.

Weil Aufgabegepäck teuer ist, versuchen viele Fluggäste von Billigfliegern wie Easyjet oder Ryanair alles ins Handgepäck zu stopfen.
Weil Aufgabegepäck teuer ist, versuchen viele Fluggäste von Billigfliegern wie Easyjet oder Ryanair alles ins Handgepäck zu stopfen.

© picture alliance / Jens Kalaene/

Zudem herrscht in der Branche ein eklatanter Arbeitskräftemangel, „der sich auch im kommenden Jahrzehnt fortsetzen wird“, so Hansen. Der Beruf des Luftsicherheitsassistenten sei kein Traumjob, mit dem man punkten könne. Er habe kein „Sozialrenommee“ wie Polizisten oder Feuerwehrleute, und immer weniger Interessenten hätten Lust, „sich acht Stunden lang zu bücken und von den Passagieren anmachen zu lassen“.

Auch bei den Kontrollstellen sieht Hansen Handlungsbedarf. Deren Konzept sollte der Realität entsprechen. Die Masse der Reisenden sei unverdächtig und sollte schnellstmöglich durchgelotst werden. Der risikobasierte Ansatz, bei dem der Vielflieger und die Großmutter, die erstmals mit ihrem Enkel eine Flugreise antritt, anders behandelt werden als ein vermeintlicher Gefährder, sei in Deutschland vom Gesetzgeber völlig außer Acht gelassen worden. Unerfahrene Passagiere sollten in der Kontrollspur überholt werden können, statt einen Stau zu verursachen, wie es bereits erfolgreich erprobt wurde. Verdächtige sollten auf eine Sonderspur geleitet werden.

Für die Zukunft sieht Hansen neue Technologien, die diverse Kontrollfunktionen vereinen, von der Detektion auf Waffen und Sprengstoffe über die Prüfung mitgeführter Flüssigkeiten bis hin zur Messung der Körpertemperatur und den Scan der Augen. Temperaturschwankungen und bestimmte Reaktionen der Iris könnten ein Zeichen von Flugangst sein, aber auch einen potenziellen Attentäter entlarven– und daher ein Anlass, sich mit der Person näher zu befassen.

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