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700.000 Menschen haben im vergangenen Jahr in Berlin eine Airbnb-Unterkunft gebucht.

© AFP/ Toshifumi Kitamura

Von Flug bis Restaurant: Wie Airbnb zum Amazon des Tourismus werden will

Airbnb hat gigantische Pläne. Schon jetzt gibt es auch Führungen und Konzerte, Flüge sollen folgen. Doch die Konflikte mit Städten steigen.

Er veröffentlicht Fotos von der Joggingstrecke am Berliner Dom, Buddybären und dem Kindl in der Kneipe. Er schwärmt überschwänglich von seiner Airbnb-Unterkunft. Er benimmt sich wie viele Besucher in Berlin.

Chris Lehane ist aber kein gewöhnlicher Tourist, sondern der Cheflobbyist von Airbnb. In dieser Funktion ist er weltweit unterwegs, um Bürgermeister davon zu überzeugen, dass seine Zimmervermittlungsplattform den Tourismus und so die Wirtschaft in den Städten ankurbelt.

700.000 Airbnb-Nutzer haben in Berlin übernachtet

300 Millionen Reisende haben im vergangenen Jahr eines von fast fünf Millionen Angeboten auf der Plattform genutzt. „In Berlin haben 700.000 Leute im Vorjahr eine Unterkunft gebucht“, sagt Lehane. Das vor zehn Jahren gegründete Unternehmen hat inzwischen einen Wert von mehr als 30 Milliarden Dollar. Doch mit dem Erfolg wachsen auch die Konflikte. Ob in Spanien, der Schweiz oder Singapur: In immer mehr Ländern wird den Städten der Airbnb-Tourismus zu viel. Wohnungen würden in lukrativere Ferienappartements umgewandelt und so die Mieten nach oben getrieben, lautet der gängige Vorwurf. Auch in Berlin, wo Lehane in dieser Woche mit dem Senat über die Regulierung der Plattform sprach.

Die Stadt versucht seit einigen Jahren mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz dagegen anzugehen. Im Frühjahr wurde es überarbeitet und Lehane lobt das Gesetz in höchsten Tönen. „Wir wollen auch ein System, mit dem sichergestellt wird, dass dem Markt keine Wohnungen entzogen werden“, sagt der Manager. Dann rechnet er vor, dass nur 13 Prozent der Wohnungen in Berlin mehr als 180 Tage pro Jahr angeboten werden. Das entspreche 0,2 Prozent des gesamten Marktes. „Das hat keinen signifikanten Einfluss auf den Wohnungsmarkt“, sagt Lehane.

Stadtentwicklungssenatorin Karin Lompscher und ihr Staatssekretär Sebastian Scheel (beide Linke) sehen das anders. Daher muss sich nun jeder eine Genehmigung holen, der seine vier Wände vorübergehend als Ferienwohnung vermieten will. Ab August endet die Übergangsfrist, dann muss bei Inseraten die Registrierungsnummer mit angegeben werden. Bislang ist die Nachfrage allerdings überschaubar, vor einem Monat ließen sich die Anträge in vielen Bezirken an einer Hand abzählen. Dabei zählte das Portal Insideairbnb zuletzt mehr als 26 000 Angebote in Berlin, knapp die Hälfte davon waren ganze Wohnungen und damit - im Gegensatz zu einzelnen Zimmern - genehmigungspflichtig.

Airbnb bietet Senat technische Hilfe an

Airbnb argumentiert, die Regeln und das Verfahren für die Genehmigungen seien zu kompliziert und bürokratisch. Daher versuchte Lehane bei seinem Besuch, den Berliner Senat zu überzeugen, gemeinsam ein Online-Registrierungsverfahren anzubieten. Er bot sogar an, für die kurzfristige Umsetzung Programmierer aus San Francisco einzufliegen. „Unsere Erfahrungen zeigen: Entweder man installiert so ein System oder wir treffen uns in einem Jahr wieder und führen die gleichen Diskussionen“, sagt Lehane.

In Städten wie San Francisco, Chicago, Philadelphia oder jüngst Vancouver gebe es entsprechende Schnittstellen mit der jeweiligen Stadtverwaltung. Der Senat will sich nun solche Beispiele genau ansehen und eine Kooperation prüfen. Mit mehr als 500 Städten weltweit arbeitet die Zimmervermittlung inzwischen zusammen. In Dortmund und demnächst auch Frankfurt am Main zieht Airbnb beispielsweise automatisch die Bettensteuer ein. Ein entsprechendes Angebot hat das Unternehmen auch dem Berliner Senat gemacht, der lehnte jedoch ab.

Riesige Ambitionen.: Airbnb will vom Flug bis zum Restaurantbesuch alles vermitteln, sagt Cheflobbyist Chris Lehane.
Riesige Ambitionen.: Airbnb will vom Flug bis zum Restaurantbesuch alles vermitteln, sagt Cheflobbyist Chris Lehane.

© Mike Wolff

Immer mehr Städte verschärfen die Regeln

Viele andere Städte befinden sich ebenfalls auf Konfrontationskurs. Paris, das weltweit beliebteste Airbnb-Ziel, hat ebenfalls eine Genehmigungspflicht eingeführt und im Frühjahr die Plattform verklagt, da die meisten Anzeigen weiterhin keine Registrierungsnummer haben. Die Schweizer Städte Bern und Genf denken über eine Begrenzung von Vermietungen auf maximal 60 Tage im Jahr nach. In Spanien wollen Madrid und Barcelona das Angebot eindämmen, Palma de Mallorca plant sogar, die Zimmervermietung ganz zu verbieten. Auch in Japan gelten seit Juni strenge Regeln. Hier hat Airbnb sogar Angebote gesperrt, die dagegen verstoßen. Um 80 Prozent soll die Zahl der Inserate gesunken sein. Airbnb hat sogar einen Kompensationsfonds in Höhe von 10 Millionen Dollar für betroffene Gäste eingerichtet, deren Reservierungen nun weggebrochen sind.

Selbst in Städten, die mit Airbnb zusammenarbeiten, steigt der Druck. So war Amsterdam ein Vorreiter und hatte 2016 eine 60-Tage-Grenze für die Vermietung eingeführt, Airbnb sperrte automatisch Angebote, die darüber lagen. Trotzdem ist die Stadt mit der Entwicklung unzufrieden: Ab 2019 wird die Zahl der erlaubten Tage auf 30 halbiert.

Eine Milliarde Urlauber peilt Airbnb an

Airbnb will dennoch weiter wachsen. „Unser Ziel ist es, bis 2028 eine Milliarde Reisende jährlich auf Airbnb zu haben“, sagt Lehane. Und dabei soll es längst nicht bei der Zimmervermittlung bleiben. Die Airbnb-Macher träumen von einer Rundum-Reise-App: „Von den Fragen, wie man hinkommt, wo man übernachtet, bis hin zu, was man dort macht oder wo man isst“. Dafür startete das Portal im Vorjahr „Entdeckungen“: In mehr als 180 Zielen können Stadtführungen, Kochkurse oder auch Konzerte gebucht werden.

Mit den gesammelten Daten können Nutzern dann wieder neue, passende Ziele empfohlen werden. Wer beispielsweise Surfkurse bucht, dem könnte Airbnb andere ideale Orte zum Surfen voschlagen. „Wir sind dabei, das Schritt für Schritt auszubauen“, sagt Lehane. Mit Flugbuchungen wurde auch schon experimentiert.

Fürchtet er nicht noch mehr Konflikte, wenn Airbnb im Tourismus so dominant werden sollte wie Amazon im Handel? Im Gegenteil. Lehane, der zuvor als hochrangiger Berater für US-Politiker wie Bill Clinton und Al Gore gearbeitet hatte, sieht den Ausbau von Airbnb gewissermaßen als gesellschaftliche Aufgabe. Schließlich werden Roboter und Künstliche Intelligenz künftig viele Jobs ersetzen. „Der Tourismus ist einer der wenigen Sektoren, in denen neue Jobs für Menschen entstehen werden“, sagt Lehane. In Zeiten sich rapide verschiebender Arbeitsmodelle könne Airbnb eine Alternative sein. „Wir bieten ein Ökosystem für Menschen, die sich etwas für ihre Lebenshaltungskosten dazuverdienen wollen oder auch Selbstständige“, sagt Lehane.

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